Echte Vielfalt

Lebensbereiche

Für queere Jugendliche ist es besonders wichtig, einen sicheren Raum zu haben, in dem sie über ihre Anliegen, Probleme und Unsicherheiten sprechen können. Das versucht das „T*räumchen“ jungen Queers in Kassel zu ermöglichen. Neben individuellen und kollektiven Beratungsangeboten zu geschlechtlicher Vielfalt bietet es auch einen Ort, an dem sich junge queere Personen vernetzen und empowern können.

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Auf der Webseite der Kampagne für Zusammenhalt und gegen Diskriminierung „Hessen. Da geht noch was“ des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration wird die Beratungs- und Begegnungsstätte T*räumchen Kassel als „[e]in Schutzraum, in dem vertraulich, mit Respekt und Akzeptanz über die Herausforderungen von Identität und Körperlichkeit gesprochen werden kann“ beschrieben. Das besondere an der Beratungsstelle ist, dass sie für fast alle Arten von Anfragen persönliche Gespräche anbietet. Neben der individuellen Beratung gibt es auch Angebote wie einen queeren Chor, eine Ferienfreizeit und einen Selbstverteidigungskurs. Auch für Eltern oder andere enge Angehörige von trans*, inter* oder nicht binären Jugendlichen wird ein Raum für Austausch geschaffen.  Dabei stehen Selbstbestimmung sowie Akzeptanz für die unterschiedlichen Variationen von Geschlecht im Vordergrund. Trans* und nicht binär* werden als „Sammel- und Oberbegriffe für eine große Vielfalt an geschlechtlichen Identitäten“ verstanden.

Zu den Zielen des (Schutz-)Raums gehört die freie Entfaltung der geschlechtlichen Identität junger Personen, das Sichtbarmachen ihrer Anliegen und Bedürfnisse sowie die Unterstützung ihrer psychischen Gesundheit durch Empowerment und Selbstermächtigung. Einige der Mitarbeitenden haben persönliche Erfahrungen mit den Themen, zu denen beraten wird und kennen dadurch die Herausforderungen queerer Jugendliche gut.

Gegründet von der AIDS-Hilfe Kassel im Jahr 2020 wird das T*räumchen derzeit von der Stadt Kassel gefördert, jedoch nur noch bis Ende 2023. Die Menge an Anfragen, die das T*räumchen auch von weiter weg erreichen, würden jedoch zeigen, wie notwendig solche Angebote sind. Insbesondere im ländlichen Bereich seien diese gering. Deshalb sollten Kommunen Angebote wie das T*räumchen weiter unterstützen und auch außerhalb von Städten ausbauen.

Hier geht es zur Webseite von T*räumchen in Kassel. Weitere Beratungsstellen hat die Kampagne „Hessen. Da geht noch was“ weiter unten im Beitrag zum T*räumchen aufgelistet.

Beratungsangebote, die sich im Land Schleswig-Holstein befinden, hat echte vielfalt gesammelt. Junge queere Personen können sich unter anderem wenden an:


Am 16. Juni 2023 fand in Berlin die Frühjahrskonferenz der Innenminister*innen von Bund und Ländern (IMK) statt. Dabei kamen die Minister*innen überein, die Bekämpfung von Hass und Gewalt gegen LSBTIQ* kontinuierlich verbessern zu wollen.

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In seiner Sitzung 22. Juni beschloss nun der Bundestag den von der Bundesregierung in diesem Zuge eingebrachten Entwurf „[…] zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt“, so der offizielle Titel.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wird u. a. der § 46 des Strafgesetzbuches um den Begriff „geschlechtsspezifisch“ ergänzt. Laut BMFSFJ werden damit nun explizite Hasstaten gegen Frauen und LSBTIQ* in die Strafzumessung mit aufgenommen:

„Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische, geschlechtsspezifische, gegen die sexuelle Orientierung gerichtete oder sonstige menschenverachtende [Beweggründe und Ziele des Täters]“.

Wie der bereits vorab veröffentlichte Abschlussbericht des Arbeitskreises „Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt“ festhält, lässt sich seit Jahren eine eindeutige Zunahme von „[…] Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Personen (LSBTIQ*) in polizeilichen und zivilgesellschaftlichen Statistiken verzeichne[n]“. Auch wenn die Community mittlerweile immer häufiger und selbstbewusster Fälle zu Anzeige bringt, vermutet der Bericht ein Dunkelfeld von um die 90%, mit einem nicht zu unterschätzenden Anteil von Hasskriminalität auch aus dem nahen sozialen Umfeld der Betroffenen.

Auf der Seite des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland (LSVD) findet sich zu diesem Thema ein umfangreicher Artikel mit Zahlen und Erklärungen zum gesamten Komplex. So stieg etwa die Anzahl an „sexuell orientierten“ Straftaten im Bereich Hasskriminalität von 870 im Jahr 2021 auf 1.005 im Jahr 2022 um 15,52% an. 2022 waren 638 davon keiner bestimmten politischen Motivation zuzuordnen, allerdings gingen 321 auf rechts motivierte Gewalt als häufigster politischer Hintergrund zurück. Auf religiöse Motive als dritthäufigster Hintergrund entfielen noch 20 Fälle. Daran anschließend betont der Abschlussbericht, dass die Wahrscheinlichkeit, Opfer von Hasskriminalität zu werden, für Menschen zunimmt, die aufgrund mehrerer Merkmale Diskriminierung erfahren. Für die Verfasser*innen des Berichts war es daher essenziell, Maßnahmen gegen unterschiedliche Menschenfeindlichkeit miteinander zu verknüpfen. Nicht zuletzt stellen sie dabei fest: „LSBTIQ*-feindliche Hasskriminalität ist auch eine Gefahr für die innere Sicherheit und für unsere Gesellschaft.“ Ein Argument, das in der politischen Arbeit für die Rechte der LSBTIQ*-Gemeinschaft durchaus aufgegriffen werden sollte.

Dass also nun eine Gesetzesanpassung kam, war nicht nur überfällig, sondern sollte im vollen Interesse einer jeden demokratischen Partei liegen. Wie sich die Anpassung auf die Praxis auswirkt, bleibt dabei zu beobachten.

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Vom 7. Oktober 2022 bis zum 21. Mai 2023 fand im NS-Dokumentationszentrum München die Ausstellung „TO BE SEEN. queer lives 19OO–195O“ statt. Sie zeichnete die Geschichte der LGBTIQ* Gemeinschaft vom Kaiserreich über die Weimarer Republik und die NS-Zeit bis ins Deutschland der Nachkriegsjahre.

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Während in den 1920er Jahren der offene Umgang und die Sichtbarkeit von LGBTIQ* zunahm und „Homosexuelle, trans* und nichtbinäre Personen […] in ihrem Kampf für gleiche Rechte und gesellschaftliche Akzeptanz erste Erfolge [erzielten]“, wurden diese Errungenschaften nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten fast völlig zerstört. Aber auch nach 1945 fanden sich kaum Bemühungen, an die LGBTIQ* Kultur der Vorkriegsjahre zu erinnern, geschweige denn anzuknüpfen. Genau diese Erinnerung nahm sich die Ausstellung nun zum Thema. Der Tagesspiegel schrieb dazu: „Die Münchner Schau bietet[e] viel dokumentarischen Stoff, der die politische und gesellschaftliche Dimension des „Queerseins“ beleuchtet.“

Ein Grund mehr, weshalb „TO BEE SEEN“ nun am 15. Juni 2023 mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde: „Die Jury lobt hier vor allem den Mut zur Ambivalenz. Heraus kommt „eine kluge Auswahl an Medien und Mitteln, um gegenwärtigen Zeitgenoss*innen ein umfassendes Bild von den Modernen der Vergangenheit, von den Brüchen und Kontinuitätslinien zu geben, die die Vorgeschichte der laufenden Echtzeit bilden […],“ hieß es zur Begründung.

Auch wenn die Ausstellung mittlerweile vorüber ist, so gibt es für Interessierte ein Buch zur Ausstellung. Die offizielle Seite bietet daraus eine kurze Leseprobe, die es schafft, zumindest einen kurzen Eindruck zu vermitteln.

Daneben wurde die App „Stolpersteine NRW“ des WDR ausgezeichnet: „Eine Kombination aus digitalen Karten und persönlichen Geschichten […]“, deren Ziel es ist, einen unkomplizierten digitalen Zugang zu unserer Vergangenheit und dem Gedenken an ihre Opfer zu ermöglichen. Eine weitere Auszeichnung ging an das Scrollytelling „Im Takt. Wege in den geschlossenen Jugendwerkhof Torgau“, das sich „ohne zu dramatisieren“ mit der Heimtücke des Heimsystems in der ehemaligen DDR auseinandersetzt.

Alle drei Auszeichnungen unterstreichen die Bedeutung von öffentlicher Kommunikation, um die Geschichte und Erfahrungen von LGBTIQ* Menschen und anderen Opfern von Diskriminierung und Unterdrückung angemessen weiterzugeben. Insbesondere die Ausstellung „TO BE SEEN“ verweist auf den Zirkelschluss zwischen einer zugewandten Gesellschaft mit der Bereitschaft sich zu erinnern und dem Zugang zur Vergangenheit als ein wichtiger Baustein für die Entstehung und den Erhalt einer zugewandten Gesellschaft.

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Am 2. September 2023 findet in Hannover ein Fachtag zum Thema „Geschlechtliche Vielfalt in der Gesundheitsversorgung“ statt. Die Veranstaltung richtet sich an Personen, die im medizinischen Bereich und in der Pflege tätig sind oder darin ausgebildet werden, um sie auf die Anliegen von trans*, inter* und nicht-binären Personen zu sensibilisieren.

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Auf der Webseite des Queeren Netzwerk Niedersachsen e.V., welches die Veranstaltung mitorganisiert, wird dargelegt, warum insbesondere im Gesundheitsbereich mehr Aufklärung zur geschlechtlichen Vielfalt stattfinden muss:

„Mit wach­sen­der Akzep­tanz in unse­rer Gesell­schaft wer­den trans* und inter* Per­so­nen, also Men­schen, die nicht der klas­si­schen Vor­stel­lung von männ­lich oder weib­lich ent­spre­chen, immer sicht­ba­rer. Wäh­rend die­se Per­so­nen­grup­pe[n] auch um mehr recht­li­che und gesell­schaft­li­che Aner­ken­nung kämp­fen, ist ein The­ma für trans* und inter* Men­schen ganz zen­tral: das der Gesund­heits­ver­sor­gung. Dazu zählt nicht nur die Endo­kri­no­lo­gie, die Hor­mon­prä­pa­ra­te bereit­stellt oder die Geburts­hil­fe, die eine Inter­ge­schlecht­lich­keit fest­stellt. Men­schen mit ganz unter­schied­li­chen Kör­pern und Geschlecht­lich­kei­ten benö­ti­gen wie alle ande­ren auch, die Regel­ver­sor­gung in Kran­ken­häu­sern, nie­der­ge­las­se­nen Pra­xen oder neh­men ande­re Ange­bo­te im Rah­men der Gesund­heits­ver­sor­gung in Anspruch. Dort erle­ben sie oft­mals, dass das medi­zi­ni­sche Per­so­nal nur wenig über ihre Kör­per und Bedürf­nis­se weiß, wodurch sie immer wie­der Dis­kri­mi­nie­rung aus­ge­setzt sind.

Gleich­zei­tig sind trans*, inter* und nicht-binä­re Per­so­nen von erhöh­ten Gesund­heits­kri­sen betrof­fen, denn Dis­kri­mi­nie­rung und Min­der­hei­ten­stress machen krank! Die weni­gen Stu­di­en dazu zei­gen, dass trans*, inter* und nicht-binä­re Per­so­nen gerin­ge­re Chan­cen auf ein gesun­des Leben und ein erhöh­tes Risi­ko von psy­chi­schen Erkran­kun­gen haben. Die Kom­bi­na­ti­on von erhöh­tem Gesund­heits­ri­si­ko, erschwer­tem Zugang zum Gesund­heits­sys­tem, sowie Vor­be­hal­te auf­grund nega­ti­ver eige­ner und/oder his­to­ri­scher Erfah­run­gen ist hoch­gra­dig pro­ble­ma­tisch.“

Im Rahmen von Workshops und Fragerunden wird medizinischem und Pflegepersonal die Möglichkeit geboten, sich über diese Themen zu informieren und auszutauschen. Unter folgendem Link finden Sie das Tagungsprogram (PDF).

Eine Anmeldung ist möglich, solange Plätze frei sind. Weitere Informationen sowie die Anmeldung selbst über die Webseite des Queeren Netzwerk Niedersachsen e.V.

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Im US-amerikanische Bundestaat Texas wurde ein Gesetz erlassen, dass unter 18-Jährigen den Zugang zu geschlechtsbejahenden Behandlungen entzieht. Der Beschluss sorgt für viel Aufruhr in der LGBTIQ* Community, die dies als Bedrohung für die Sicherheit von queeren Personen und ihren Familien versteht.

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Mit dem Gesetz, das unter „SB 14“ bekannt ist, sollen trans und nicht-binäre Minderjährige in Texas keine geschlechtsbejahenden medizinischen Behandlungen wie Hormontherapien und Pubertätsblocker mehr erhalten. Auch Behandlungen, die derzeit noch laufen, müssen mit der Zeit abgesetzt werden. Das Gesetz wurde vom republikanischen Gouverneur Greg Abbott unterzeichnet, der bereits andere queerfeindliche Gesetzte erließ. Es wird vermutet, dass er den Zugang zu geschlechtsbejahender Medizin zukünftig auch für Erwachsene einschränken will.

Dabei äußerten sich medizinische Organisationen wie unter anderem die “American Medical Association” schon vor einigen Jahren ablehnend gegenüber solchen Einschränkungen. Das Verbot von geschlechtsbejahenden Behandlungen könnte für trans und nicht-binäre Kinder und Jugendliche fatale körperliche und mentale Konsequenzen haben. Zudem kritisiert die Organisation die politischen Eingriffe in medizinische Entscheidungen, die von Ärzt*innen sorgsam und gemeinsam mit den Patient*innen in ihrem besten Interesse gefällt würden.

Der Beschluss bringt drastische Folgen mit sich. Es zeichnet sich ab, dass einzelne Elternteile oder ganze Familien mit trans oder nicht-binären Kindern in Erwägung ziehen, den Staat zu verlassen, um die medizinische Versorgung ihrer Kinder zu gewährleisten. Die britische Zeitung The Guardian berichtet von einer Familie, die aufgrund der sich immer weiter verschärfenden Situation in Texas den Südstaat nach 20 Jahren verlässt. Die Mutter, Lauren Rodriguez, wurde bereits vor Erlassung des Gesetzes den „Child Protection Services“ gemeldet, weil sie ihren Sohn bei seiner medizinischen Transition unterstützte. Auch öffentlich setzte sie sich für die queere Community ein und wurde deshalb mehrfach angeklagt, was mit hohen Verteidigungskosten verbunden war. Der Fall zeigt, wie schwierig die Lage von queeren Personen und ihren Unterstützer*innen in Texas schon vor „SB 14“ war. Rodriguez bezeichnet die politischen und rechtlichen Angriffe auf trans Personen als Hexenjagd. Die Hetze gegenüber queeren Personen sei neben dem Abtreibungsverbot ein Teil der Agenda, die die extreme christliche Rechte in Texas durchsetzen möchte, so eine Sprecherin der Organisation “Texas Freedom Network“ in der taz.

LGBTIQ*-Aktivist*innen wehren sich gegen das Gesetz. Dabei ist das Kapitol in der Hauptstadt Austin zum Schauplatz der Proteste geworden, rund 3.000 Personen versammelten sich dort, um ihre Ablehnung für den Beschluss zu demonstrieren.

Dennoch zeichnet sich ein queerfeindlicher Trend in den USA ab. Gesetze wie „SB 14“ sind in 19 anderen Bundesstaaten bereits umgesetzt. Unter dem Gouverneur Ron DeSantis, der sich für die nächste Präsidentschaftswahl als Kandidat der Republikaner aufstellen will, sticht Florida in Sachen queerfeindliche Politik und Rhetorik besonders hervor (echte vielfalt berichtete). Aufgrund der Vielzahl an Anti-LGBTIQ* Gesetzen, die allein in diesem Jahr im Land beschlossen wurden, ruft Human Rights Campaign (HRC) erstmals den nationalen Notstand aus. Dabei betont die größte US-amerikanische Organisation für LGBTIQ* Angelegenheiten, dass die Sicherheit und Gesundheit von queeren Personen und ihren Familien in den Vereinigten Staaten nicht gewährleistet seien. Insbesondere trans und nicht-binäre Jugendliche seien von den Gesetzen betroffen. Als Reaktion veröffentlicht HRC einen Leitfaden (PDF) zum Widerstand.

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Am 8. Juni einigten sich die EU-Innenminister*innen in Luxemburg auf einen Kompromiss in der EU-Asylpolitik. In dessen Folge gab es scharfe Kritik von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen. Ein Signal für die LGBTIQ*-Gemeinschaft, selbst genauer hinzuschauen.

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Amnesty International warnte beispielsweise, dass „[d]ie geplante Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) […] gegen menschenrechtliche Grundsätze [verstoße] und […] zu völkerrechtswidrigen Abschiebungen führen [wird].“ Pro Asyl unterstreicht: „Kommt die Reform, so droht eine Aushebelung des Asylrechts in der EU.“ Aber auch von politischer Seite lässt sich Kritik vernehmen. So betonte die SPD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein Serpil Midyatli nach einem Zitat des NDR, dass Lager an den Grenzen nicht das Ziel sein dürften. Es müsse um die Bekämpfung der Fluchtursachen, nicht der Geflüchteten gehen. Eine wichtige Forderung, die allzu häufig auf Bundes- und EU-Ebene nicht in Taten umgesetzt wird.

Wie der Deutschlandfunk zusammenfasst, eröffnet die erreichte Einigung erstmals die Möglichkeit, Asylverfahren an den Außengrenzen Europas durchzuführen, um Personen mit geringen Aussichten auf Aufnahme erst gar nicht in die EU gelangen zu lassen. Damit würden die geplanten Maßnahmen zu einer erheblich restriktiveren Behandlung von Migrant*innen führen, denen eine schlechte Aussicht auf einen dauerhaften Aufenthalt prognostiziert wird. Um dies zu erreichen, sollen Asylzentren in Grenznähe eingerichtet werden, von denen eine direktere Abschiebung erfolgen soll.

Was auf allgemeiner Ebenen bereits zu einem menschenrechtlichen Problem führt, wird LGBTIQ*-Geflüchtete sehr wahrscheinlich noch einmal härter treffen. Wie viel härter zeigt die Kritik des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) im Zuge der geplanten Deklaration von Georgien und Moldau als sogenannte „sichere Herkunftsstaaten“. Dabei verweist der LSVD auf den blinden Fleck in Bezug auf LGBTIQ*-Geflüchtete bei der Einstufung eines Herkunftsstaates. Bereits 1996, so der Verband, urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass nur solche Staaten als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden dürfen, in denen "Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen" besteht. Besitzt ein Land jedoch erst einmal diesen Status, kommt es in Folge zu einem beschleunigten Asylverfahren mit verkürzter Klagefrist (eine Woche). „Dies trifft gerade auch lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere (LSBTIQ*) Geflüchtete, da sich diese oft bei der Anhörung aus erlernter Angst und Scham nicht outen und ihren triftigen Asylgrund, nämlich die queerfeindliche Verfolgung, gar nicht vortragen!“

Für den LSVD braucht eine adäquate EU-Asylpolitik auch aus diesem Grund folgende Mindeststandards:

  • Anerkennung von LGBTIQ*-Geflüchteten als "besonders schutzbedürftige" Gruppe
  • Berücksichtigung, dass Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität ein anerkannter Asylgrund ist.
  • Herausnahme der Gruppe aus Grenzverfahren
  • Zugang zu LSBTIQ*-Fachberatungsstellen im Asylverfahren
  • Uneingeschränkter Zugang zu Haftlagern für LSBTIQ*-Organisationen und ihre Partner*innen
  • Sicherstellung der Erkennung des besonderen Schutzbedarfs vor Ort
  • Festlegung von "sicheren Drittstaaten" für LSBTIQ*-Schutz

Bei der vorgetragenen Kritik geht es allerdings explizit nicht um ein prinzipielles Ablehnen einer gemeinsamen EU-Asylpolitik. Vielmehr gilt es deutlich zu machen, dass eine solche Politik nicht hinter den eigenen Standards der europäischen Menschenrechte zurückbleibt. Dazu gehört es auch, die Bedarfe und Rechte der LGBTIQ*-Geflüchteten nicht aus dem Blick zu verlieren.

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Am 09. Mai 2023 wurde der aktuelle „Entwurf für ein Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“ (Selbstbestimmungsgesetz) veröffentlicht. Der Entwurf ist das neuste Zwischenergebnis eines langen Weges.

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Das Selbstbestimmungsgesetz sollte ursprünglich bereits 2022 verabschiedet werden, schaffte es allerdings nach einige Verzögerungen erst im Februar 2023 zur Vorlage beim Justizministerium. Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte damals gegenüber dem Tagesspiegel: „Die Arbeiten sind weitgehend abgeschlossen. Wir klären einige Detailfragen. So gibt es etwa die Sorge, dass das Selbstbestimmungsgesetz die Vertragsfreiheit und das Hausrecht einschränken könnte. Das wollen wir nicht, darin sind wir uns in der Koalition einig.“

Nun haben sich das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und das Bundesministerium für Justiz (BMJ) auf einen gemeinsamen Entwurf geeinigt. Auf der Seite des BMFSFJ findet sich ein entsprechender Überblick der einzelnen Eckpunkte. Bis zum 30. Mai hatten daraufhin die Verbände und weitere „interessierte Kreise“ die Gelegenheit, Stellung zu beziehen. Dabei zeigt sich, dass nach wie vor einige Details der Klärung bedürfen. So äußerte sich bspw. der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland (bff), der bundesweit 214 Einrichtungen vertritt, in seiner Stellungnahme, „[er] steht solidarisch an der Seite von Betroffenen und deren Forderungen und verweist bezüglich der Regelungen des SBGG im Einzelnen auf die Stellungnahmen der Organisationen und Verbände aus der Trans-Community.“ Dabei betonte der Verband unter anderem das Potenzial einiger Passagen und Regelungen, transfeindliche Narrative, die sich innerhalb der öffentlichen Debatte stark wiederfinden, zu verstärken.

Um welche Narrative es sich dabei handeln könnte, bringt der Bundesverband Trans* in seiner eigenen Stellungnahme auf einen Nenner. Insbesondere in Bezug auf die dreimonatige Wartefrist (§ 4), einer einjährigen Sperrfrist (§ 5), das Hausrecht und Sport (§ 6) und zum Spannungs- und Verteidigungsfall (§ 9) sieht der Verband das Narrativ eines „grundsätzlichen Misstrauens“ gegenüber den Personen, die eine Änderung des Geschlechtseintrags anstreben.

Gegen dieses Misstrauen positioniert sich der bff als Bundesverband für den Schutz von Frauen explizit. Der bff betont, dass trans Frauen das Frausein nicht abgesprochen werden solle. Stattdessen sollten trans Personen als vulnerable Gruppe wahrgenommen werden, die selbst Opfer von sexualisierter Gewalt sind und Schutzräume benötigten. Die Frauenberatungsstellen hätten langjährige Erfahrung darin, diskriminierungsfreie Räume zu schaffen, die cis Männer ausschließen würden. Auf der anderen Seite sei es ein Fehlschluss zu glauben, Damentoiletten, Umkleiden und Duschen seien automatisch Schutzräume. Auch an solchen Orten komme es immer wieder zu Übergriffen vor allem durch cis Männer, deren Geschlechtseintrag bis jetzt nie ein Kriterium war, den Zugang zu verhindern. „Das SBGG ändert daran nichts und stellt die Ausgestaltung von Schutzräumen nicht infrage. Aus Sicht des bff braucht es auch aus diesem Grund keinen Verweis auf das Hausrecht und die Regelungen im AGG im vorliegenden Referentenentwurf.“

Auch der Verein Frauenhaus Koordinierung e.V. betont die Vulnerabilität von trans* und nicht-binären Personen und den Bedarf an expliziertem Schutz: „Der kursierende[n] Vorstellung, dass nun durch schlichte Änderung des Vornamens oder Geschlechtseintrags cis Männer missbräuchlich in Frauenhäuser einziehen und die dortigen Bewohner*innen bedrohen können, treten wir energisch entgegen.“

Insgesamt begrüßen sowohl bff und Frauenhaus Koordinierung e.V. als auch der Bundesverband Trans* den Gesetzesentwurf in seinen Grundzügen. Allerdings wird aus der Stellungnahme des Bundesverband Trans* deutlich, dass mit der Streichung der §§4-9 und der Überarbeitung §11 (Elternschaft) und §§13,14 (Offenbarungsverbot) immer noch nicht alle Details geklärt sind. Wie das Beispiel des Hausrechts dabei verdeutlicht, geht es den genannten Verbänden dabei unter anderem um das Vermeiden potenzieller Stigmata durch nicht notwendige Querverweise und Einschränkungen.

Der vollständige aktuelle Gesetzesentwurf findet sich hier.

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Traurige Nachrichten zum Pride-Monat: Am Christopher Street Day (CSD) in Hannover am 27. Mai kam es offenbar zu mehreren queerfeindlichen Angriffen. Auch sexuelle Übergriffe wurden gemeldet.

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Mehr als 15.000 Personen demonstrierten in Hannover für die Rechte und Gleichstellung von LSBTIQ*-Personen. Offenbar kam es jedoch am Tag der Parade zu gewaltvollen Angriffen auf queere Personen. Nach Angaben des Norddeutschen Rundfunks wurde ein 17-jähriger trans Jugendlicher, der zuvor am CSD teilgenommen hat, am Hauptbahnhof von zwei Unbekannten so verletzt, dass er ins Krankenhaus musste. Auch eine 18-jährige nicht-binäre Person wurde von den Tätern attackiert. Die Opfer seien zusätzlich beleidigt und bestohlen worden. Ein Verfahren zu queerfeindlicher Hasskriminalität wurde vom Staatsschutz eingeleitet.

Die Landesregierung solidarisierte sich mit den Opfern und verurteilte die Angriffe scharf. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) äußerte sich auf Facebook: „Dieser Übergriff zeigt umso mehr, dass unsere Gesellschaft diesem queerfeindlichen Akt der Gewalt geschlossen gegenüber stehen und für ein gerechteres Morgen kämpfen muss.“ Der junge trans Mann konnte am Abend des CSDs das Krankenhaus wieder verlassen.

Außerdem seien Teilnehmende des CSDs beschimpft und ihnen die Regenbogenflaggen weggerissen worden. Auch von Eierwürfen wurde gesprochen. Insbesondere am Abend sei es zu diesen Vorfällen gekommen. In der Nähe des Opernplatzes hielten sich wohl auch viele Personen auf, die nicht Teil von der Demonstration waren.

Den Organisator*innen des CSD Hannover wurden zuletzt auch sexuelle Übergriffe gemeldet. Queer.de berichtet, dass eine Frau am Rande der Demonstration vergewaltigt worden sei, was die Sanitäter*innen vor Ort der Polizei meldeten.

Die Ereignisse beweisen, wie präsent die Gewalt gegenüber LSBTIQ*-Personen ist. An einem Tag, an dem sie zu Tausenden auf die Straße gehen, um gegen den Hass einzustehen, kam es zu brutalen Angriffen auf die queere Community. Auch Gewalt gegen Frauen oder weiblich gelesene Personen muss bei diesen Veranstaltungen in den Blick genommen werden. Somit sollte sich gefragt werden, wie ein besserer Schutz für die Teilnehmenden gewährt werden kann. Zu hoffen bleibt, dass sich keine solcher Vorfälle auf den kommenden CSD-Veranstaltungen wiederholten.

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Am 11. Mail veröffentlichte die „International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association Europe“ (ILGA Europe) ihren jährlichen Bericht zur Queerfreundlichkeit in Europa. Dabei landet Deutschland wie auch in den Jahren zuvor bei etwas über 50%. Zwar lässt sich von 2020 mit 51% zu 2023 mit nun 55% eine leichte Verbesserung in den deutschen Rahmenbedingungen finden, allerdings lag Deutschland in den letzten Jahren ziemlich konstant im Mittelfeld gegenüber bspw. Portugal, Frankreich, Norwegen und Schweden mit über 60% oder Spanien und Belgien mit über 70%.

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Die ILGA Europe ist eine Nicht-Regierungsorganisation (NRO), die als Dachorganisation 700 weitere Organisationen aus 54 Ländern Europas und Zentral-Asiens unter sich vereint. Sie selbst gehört wiederum zur ILGA International.

Die von ILGA Europe jährlich veröffentlichte Regenbogenkarte und der zugehörige Regenbogenindex stufen 49 europäische Länder nach ihrer jeweiligen rechtlichen und politischen Praxis für LGBTI-Personen auf einer Skala von 0-100% ein. Dabei bezieht sich die Organisation auf 74 Kriterien, die sich auf sieben thematische Kategorien verteilen: Gleichstellung und Nichtdiskriminierung, Familie, Hassverbrechen und Hassreden, rechtliche Anerkennung des Geschlechts, körperliche Unversehrtheit von Intersexuellen, Raum für die Zivilgesellschaft und Asyl.

Wie die Tagesschau mit Bezug auf den Deutschland-Report von ILGA berichtet, findet sich bspw. für Erwachsene immer noch kein allgemeines Verbot der Konversionstherapie. Somit ist diese Pseudotherapie bei Kindern zwar verboten, bei erwachsenen Personen allerdings immer noch gestattet.

Insgesamt lässt sich für Deutschland festhalten, dass 81% der Deutschen die Gleichstellung der Ehe befürworten. Selbst 57% der AFD-Anhänger*innen, so der Bericht, unterstützen LGBTI*-Menschen. Immerhin 75% hätten wenig bis keine Probleme damit, wenn das eigene Kind lesbisch, schwul oder bisexiuell wäre. Etwas anders sieht es bei der Frage aus, wenn das eigene Kind trans wäre. Hier sind es nur 66%, die damit wenige bis keine Probleme hätten. In Folge ihres Berichts formuliert ILGA Europe vier politische Handlungsempfehlungen für Deutschland, um die rechtliche und politische Situation von LGBTI*-Menschen weiter zu verbessern:

  1. „Eine Reform des rechtlichen Rahmens für die rechtliche Geschlechtsanerkennung, die fair und transparent ist und auf einem Prozess der Selbstbestimmung und Entpathologisierung von Transidentitäten basiert“.
  2. „Die Anerkennung von Trans-Elternschaft, die Anerkennung des rechtlichen Geschlechts der Eltern und die Angleichung an die verfügbaren Geschlechtsoptionen“.
  3. „Automatische Anerkennung der gemeinsamen Elternschaft für alle Paare, sodass Kinder, die von Paaren geboren werden, unabhängig von der sexuellen Orientierung und/oder der Geschlechtsidentität der Partner, keine Hindernisse haben, um von Geburt an rechtlich als ihre Eltern anerkannt zu werden.“
  4. „Ermöglichung des Zugangs zur Justiz und Wiedergutmachung für Überlebende von [Intersexuelle Genitalverstümmelungen] (IGM)“.

Diese vier Vorschläge sind jeder für sich genommen wichtige Themen, die vermutlich nicht einfach von den politischen Akteuren umgesetzt werden. Umso wichtiger ist der jährliche Report der ILGA, um einen kompakten Überblick über die erreichten Ziele, aber auch die vorhandenen Lücken und damit verbundenen Diskurswelten zu erhalten.

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Am 25. Mai 2023 wurde der Tätigkeitsbericht 2021/2022 der Antidiskriminierungsstelle des Schleswig-Holsteinischen Landtags veröffentlicht. Darin werden auch Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung gegenüber LSBTIQ*-Personen besprochen.

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Die Antidiskriminierungsstelle des Schleswig-Holsteinischen Landesparlaments besteht nun seit 10 Jahren. Sie berät und unterstützt Personen, die von Diskriminierung betroffen sind und leistet zudem Sensibilisierungs- und Präventionsarbeit. Allein im Tätigkeitszeitraum des veröffentlichten Berichts wurden 667 Vorgänge bearbeitet. Die meisten Fälle beziehen sich auf geschlechtliche und rassistische Diskriminierung sowie Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. Die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle ist auch für die LSBTIQ*- Community im norddeutschen Bundesland relevant.

Im aktuellen Bericht wird auf queere Angriffe eingegangen, die vor kurzem in Schleswig-Holstein geschahen und auf Fehler bei der medialen Berichterstattung über diese verwiesen. So wurde beispielsweise in einer Suchmeldung Anfang 2023 ein vermisster trans Jugendlicher misgendert und sein Deadname verwendet, sowohl in dem Polizei- als auch in einem Zeitungsbericht. Die Antidiskriminierungsstelle verweist deshalb auf die Fibel „Echte Vielfalt“, in der Begriffe der geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt erklärt werden. Diese könne bei der Berichterstattung zu Themen der LSBTIQ*-Community als Grundlage dienen. Außerdem habe ein queerfeindlicher Angriff in Kiel im vergangenen November gezeigt, dass auch in Schleswig-Holstein „Hassdelikte gegen das Geschlecht und die sexuelle Orientierung vorkommen“. Demnach wird im Bericht auch die Wichtigkeit betont, dass die Landespolizei für solche Themen sensibilisiert und geschult sei.

Unter Leitung von Samiah El Samadoni hat sich die Antidiskriminierungsstelle in den Jahren 2021 und 2022 auch mit geschlechtsneutralen Stellenausschreibungen befasst. Dabei wurde festgestellt, dass einige Betriebe weiterhin den Zusatz „(m/w)“ verwenden, wodurch Geschlechter jenseits von Mann und Frau ausgeschlossen werden. Auch Formulierungen wie „Der/die Bewerber/in“ in Ausschreibungstexten können Personen außerhalb des binären Geschlechtersystems das Gefühl vermitteln, dass sie nicht mitgemeint werden. Dies geschehe „in der Regel einerseits aus Unwissenheit heraus und andererseits aus der Verfestigung von Geschlechterrollenklischees und einer männlich geprägten Sprache“. Deshalb müsse weitere Aufklärungsarbeit durch die Antidiskriminierungsstelle erfolgen. Stellenausschreibungen können beispielsweise den Zusatz „(m/w/d)“ verwenden, um die Option „divers“ zu inkludieren. Ebenso können gegenderte (beispielsweise durch das Gender-Sternchen) oder geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet werden.

Hier zum ganzen Bericht (PDF) der Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig-Holstein.

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