Echte Vielfalt

Lebensbereiche

Im Prozess um Ugandas neuen Anti- LGBTIQ*-Gesetzesentwurf deuten sich minimale Veränderungen an. Ob diese allerdings eine Abmilderung des zutiefst menschenfeindlichen Gesetzesentwurfs bedeuten, ist zu bezweifeln.

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Unter anderem sieht der Gesetzesentwurf neben hohen Freiheitsstrafen bei Homosexualität oder versuchter Homosexualität zusätzlich die Möglichkeit der Todesstrafe vor. Bereits Mitte April hatte echte vielfalt über die kurz vor der parlamentarischen Abstimmung hinzugefügte Todesstrafe berichtet und die mögliche Signalwirkung thematisiert, die ein solches Gesetz international haben könnte.

Nun wurde das Gesetz am Donnerstag, 20. April 2023, Präsident Museveni zur Unterzeichnung vorgelegt. Dieser ließ jedoch, nach einer Meldung des Deutschlandfunks, den Entwurf mit „Vorschlägen zur Verbesserung an das Parlament zurückgehen“. Wie der Deutschlandfunk weiter berichtet, ließ in diesem Zuge ein Sprecher des Präsidenten verlauten, dass es bei den Verbesserungen explizit nicht um das Strafmaß gehe.

Also keine Rückweisung wegen der Todesstrafe und schon gar nicht ein Sinneswandel des Präsidenten. Im Gegenteil: Laut eines Berichts des Guardian sei Museveni grundsätzlich mit dem Entwurf einverstanden gewesen. Allerdings solle er das Parlament gebeten haben, „die Frage der Rehabilitation" zu berücksichtigen. Dabei bezeichnete er Homosexualität als psychische Desorientierung. Während sich einige Menschenrechtsorganisationen durch die Verzögerung weiter an die Hoffnung klammern, das Gesetz noch verhindern zu können, begrüßen Teile der Befürwortenden die Anmerkungen mit der Begründung, es sei „human und legitim“, Rehabilitierung und Rehabilitationszentren ins Gesetz aufzunehmen.

In Wirklichkeit handelt es sich bei den Vorschlägen nicht um Fortschritte, sondern eine solche Ergänzung würde vielmehr eine weitere Verschärfung bedeuten. Wie Adrian Jjuuko vom „Human Rights Awareness and Promotion Forum" in Kampala in einem Zitat des Guardian bemerkt, würde durch die Ergänzungen eine Kultur der Denunziation gefördert, in der eine Person, die um Rehabilitation ihrer ‚psychischen Desorientierung‘ bittet, als Opfer gelten würde, während die andere Person als Täter gebrandmarkt werde. Aber damit nicht genug. Aus der deutschen Problematisierung der sogenannten „Konversionstherapien“ wissen wir, dass eine Psychologisierung weit mehr Schaden anrichten kann als „nur“ Stigmatisierung. Das Bundesgesundheitsministerium schreibt dazu auf seiner Webseite:

„Wissenschaftlich nachgewiesen sind aber schwerwiegende gesundheitliche Schäden durch solche „Therapien“ wie Depressionen, Angsterkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko. Nachgewiesen sind zudem Stigmatisierungs- und Diskriminierungseffekte auf Dritte in Form von Minderheitenstress.“

Nach Überarbeitung des Gesetzesentwurfes durch das ugandische Parlament hat Museveni weitere 30 Tage Zeit, um das Gesetz entweder zu unterzeichnen, es erneut zur Überarbeitung an das Parlament zurückzugeben oder sein Veto einzulegen und das Parlament zu informieren. Allerdings, so der Guardian, könne das Gesetz auch ohne die Zustimmung des Präsidenten in Kraft treten, wenn es ein zweites Mal an das Parlament zurückginge.

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Welche Macht die Wahl von Worten für den öffentlichen Diskurs hat, wurde hier schon in mehreren Artikeln angesprochen. Nun veröffentlichte die CSU ihr neues Grundsatzprogramm.

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Dabei schreibt sie sich nach Berichten der Magazin queer und Mannschaft sowie der Zeitung die Zeit unter anderem auch den Kampf gegen einen „linken Kulturkampf in Form von Identitätspolitik, Wokeness und Cancel Culture“ auf die Fahne. Bereits im Februar wurde auf echte-vielfalt.de über die problematische Rhetorik von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Zuge des politischen Aschermittwochs berichtet. Die mit der Verfassung beauftragte Grundsatzkommission scheint nun genau an der Stelle wieder anzusetzen. Am 6. Mai soll das Programm dann auf einem Parteitag verabschiedet werden.

Um zu verstehen, wie problematisch die Wortwahl von Söder und den Verantwortlichen des CSU-Grundsatzprogramms ist, hilft ein Blick in die USA. Im Zusammenhang mit dem „don’t say gay“-Gesetzentwurf in Florida hatte echte vielfalt bereits berichtet, dass nicht nur tatsächliche Sprachverbote abwerten und Realitäten schaffen. Stattdessen war es nach Angabe der Rosa-Luxemburg-Stiftung den Konservativen in Amerika gelungen, die Begriffe „political correctness“ und „woke“ zu einem Synonym für linken Autoritarismus umzudeuten. Dabei bedeutete „woke“ ursprünglich, „wachsam gegenüber Rassismus, Sexismus und anderen Unterdrückungsverhältnissen“ zu sein.

Mit der Benennung von „Kulturkampf, Wokeness und Cancel Culture“ springt die CSU auf diesen Zug auf. Dabei drängt das Argument nicht nur die berechtigte Forderung nach Anerkennung und Würde in die Ecke, sondern es schafft gleichzeitig, all jene Konservativen, die nicht auf derselben Schiene fahren wie die CSU, als einheitliche Front zu reklamieren. Unterm Strich sorgt dies dafür, dass vor allem gesellschaftliche Akzeptanz unterminiert wird, anstatt eine ernsthafte Debatte über Würde, Rechte und Bedenken zu führen. Auch dazu findet sich ein Beispiel aus einem früheren Artikel über die USA.

Grundsätzlich sind „die“ LSBTIQ* Gemeinschaft und „die“ Konservativen keine gegensätzlichen Lager. Vielmehr handelt es sich um Konstruktionen, die wiederum jederzeit relativiert werden können. Das bedeutet, dass sich gerade nicht-parteipolitische Akteure immer wieder selbst artikulieren sollten. Sowohl Menschen, die sich als LSBTIQ* verstehen, dürfen ebenso eine konservative Haltung besitzen wie Konservative eine nicht-diskriminierende Haltung.

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Leslie Feinbergs Roman „Stone Butch Buch“ wird dieses Jahr 30 Jahre alt. Zur Ehrung des Werkes, das tiefe Einblicke in die Lebensrealitäten lesbischer und trans Personen gibt, veranstaltet das Zentrum Gender & Diversity Hamburg (ZGD) am 5. und 6. Mai 2023 die Online-Tagung „30 Jahre Stone Butch Blues – Erinnerungen und Perspektiven“.

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Die Autorin und Aktivistin Leslie Feinberg ist eine sehr bedeutsame Figur für die US-amerikanische LGBTIQ*-Bewegung. Ihr Roman Stone Butch Blues wurde mit dem Stonewall Book Award ausgezeichnet. Das Buch bringt die Leser*innen in die Welt von Femmes, Butches und Drag Queens der US-amerikanischen queeren Communities, die die Protagonistin Jess Goldberg durchkreuzt. Dabei illustriert Feinberg auch die Gewalt, die viele queere Personen zu der Zeit erfahren mussten. Als eines der ersten Werke, das medizinische Transition und Detransition sowie die Beziehung von trans und lesbischen Identitäten behandelt, gilt Stone Butch Blues als Kultroman und Klassiker in der queeren Literatur.

Mit zahlreichen Veranstaltungen wird das Publikationsjubiläum Anfang Mai gefeiert. Alle Vorträge und Performances zum Thema sind in das Programmheft der Tagung (PDF) aufgenommen. Die Angebote sind vielfältig, unter anderem gibt es Vorträge zu Lesben mit Unterstützungsbedarf, antirassistischer Sexualerziehung, queeren und jüdischen Identitäten sowie einige Beiträge, die sich direkt mit dem Roman beschäftigen. Zum Abschluss der Tagung findet eine Lesung der Lyrikerin und Lebenspartnerin von Leslie Feinberg, Minnie Bruce Pratt, statt. Die Teilnahme ist kostenlos, bis zum 1. Mai kann man sich auf der Webseite des ZGDs anmelden.

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Die Debatte um die Umschiffung des Begriffs „Mutter“, die die Tagesschau mit ihrem Artikel zum „Sonderurlaub nach Geburt des Kindes“ losgetreten hatte, war in der breiten Öffentlichkeit so schnell wieder vorbei, wie sie gekommen war.

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Einen guten Überblick über die Ereignisse liefert die Rheinische Post. In der Debatte ging es um einen Artikel (bereits korrigierte Version) der Tagesschau, die über einen Gesetzesentwurf von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) berichtet hatte. Der Gesetzesentwurf sieht vor, nicht nur Müttern, sondern auch deren Partner*innen zwei Wochen Sonderurlaub nach der Geburt zu ermöglichen. Allerdings hatte die Tagesschau statt „Mutter“ den Begriff „entbindende Person“ verwendet. Eine Formulierung, die der Bild sauer aufstieß, und die daraufhin wissen wollte, wieso? Die Antwort der Tagesschau: sie wolle möglichst niemanden diskriminieren. Für die Bild macht dieser missglückte Versuch aus der Tagesschau „die selbst ernannte Sprachpolizei“, die den Begriff Mutter „verbieten“ wolle. Dabei liegt das Problem vor allem in der Wortwahl.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass Geschlecht (eine Fortpflanzungskategorie), Gender (eine gesellschaftliche Rolle) und Geschlechtsidentität (ein inneres Selbstverständnis) keine Synonyme darstellen. In einer offenen Kommunikation wird es daher notwendig abzuwägen, ob und wann das Geschlecht eine relevante Rolle spielt und wann seine Vermeidung angebracht ist. Dies erleichtert die Vermeidung von Geschlechtsstereotypen und stellt gleichzeitig sicher, dass geschlechtsspezifische Bedürfnisse und Probleme nicht übersehen werden. Das gilt besonders für Institutionen wie die Tagesschau. Aus diesem Grund ist kritisches Hinterfragen der Tagesschau durchaus legitim. Aber wo genau liegt nun das Problem?

Der nachfolgende Problemaufriss orientiert sich an einem Artikel von Frontiers in Global Women's Health. Die vollständige Quelle befindet sich unterhalb dieses Artikels.

Die Entsexualisierung von Sprache in Bezug auf die weibliche Fortpflanzung hat zunächst das legitime Ziel, zugewandt und integrativ zu sein. Doch diese Zugewandtheit kann unbeabsichtigte Folgen haben. Zuallererst stehen wir vor dem Dilemma, dass jeder Versuch der Inklusion einer Gruppe gleichzeitig die Gefahr einer allgemeinen Verringerung von Inklusion beinhalten kann. So birgt eine Veränderung von alltäglichen Begriffen das Potenzial, dass junge Menschen, Menschen mit geringen Lese- und Schreibkenntnissen oder geringer Bildung, Menschen mit einer geistigen Behinderung oder Menschen, die nicht in ihrer Muttersprache angesprochen werden, Gefahr laufen, geschlechtsunspezifische Sprache misszuverstehen. Daneben sind medizinische Begriffe auch für Personen mit hohem Bildungsstand und der passenden Muttersprache nicht automatisch verständlich. Die Folgen sind Missverständnisse und Ungenauigkeiten, die wiederum zu Angst, aber auch zur Mangelversorgung führen können, wenn Menschen nicht verstehen, welche Hilfe und Rechte sie betreffen und welche nicht.

Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Problem der neutralen Sprache insbesondere in Bezug auf Mütter und Geburt ist, dass sich die alternativen Bezeichnungen für „Frauen“ und „Mütter“ auf Körperteile oder physiologische Prozesse beziehen und damit diese Individuen auf ihre biomechanischen Funktionen reduzieren. Dabei geht es nicht um die Frage einer Beleidigung, sondern gerade im Kontext von Schwangerschaft und Geburt und der Stellung der Frau gegenüber dem Mann ist Gewalt in dieser Lebensphase ein nicht zu ignorierendes Phänomen. Eine verbale Entmenschlichung könnte hierbei zu physischen Folgen führen.

Darüber hinaus birgt die Vermeidung des Begriffs „Mutter“ in seiner geschlechtsspezifischen Bedeutung die Gefahr, dass die Anerkennung und das Recht auf Schutz der Mutter-Kind-Beziehung geschmälert werden. Gerade für Säuglinge haben Mütter eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Diese ist umso essenzieller, wenn durch Katastrophen, Armut oder eine Frühgeburt, aber auch häusliche Gewalt etc. der Schutz besonders hohe Bedeutung erhält. Sprachliche Veränderungen haben hingegen das Potenzial, in dem Prozess die Anerkennung dessen zu untergraben, was Mütter für alle Säuglinge bedeuten.

Obwohl also die Kritik gegenüber der Tagesschau legitim ist, hat es die Bildzeitung mit ihrer populistischen Wortwahl geschafft, alle Seiten in eine verhärtete Abwehrhaltung zu drängen. Die Debatte um Sprache funktioniert aber nur, wenn es gelingt, ein Verständnis für Bedenken zu entwickeln. Ansonsten bleibt das Ganze eine Schlacht der Gefühligkeit, unter der am Schluss häufig diejenigen leiden, die ihre Bedürfnisse am schlechtesten artikulieren können. Diese Verantwortung tragen dabei vor allem diejenigen Personen und Institutionen mit der größten Reichweite. Das gilt sowohl für die großen Medienhäuser als auch für die verschiedenen (LSBTIQ*)-Institutionen und Vereine auf allen Seiten.

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  Quelle: Front Glob Womens Health. 2022; Effective Communication About Pregnancy, Birth, Lactation, Breastfeeding and Newborn Care: The Importance of Sexed Language. (3: 818856.) Published online 2022 Feb 7. doi: 10.3389/fgwh.2022.818856

Ein großer Erfolg für die queere Community stellte die Verleihung des deutschen Buchpreises 2022 an Kim de l’Horizon dar – die erste nicht-binäre Person, die einen der wichtigsten Literaturpreise im deutschsprachigen Raum erhalten hat.

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Die geschlechtliche Identität von Autor*innen spielt für die Repräsentation von queeren Menschen in der Literatur eine immer größer werdende Rolle. Im Folgenden stellen wir fünf Bücher von trans und nicht-binären Autor*innen vor, die die Erfahrungen und Realitäten von Identitäten jenseits der cis-Geschlechtlichkeit beschreiben.

Blutbuch – Kim de l’Horizon

„Die Erzählfigur in "Blutbuch" identifiziert sich weder als Mann noch als Frau. Aufgewachsen in einem schäbigen Schweizer Vorort, lebt sie mittlerweile in Zürich, ist den engen Strukturen der Herkunft entkommen und fühlt sich im nonbinären Körper und in der eigenen Sexualität wohl. Doch dann erkrankt die Großmutter an Demenz, und das Ich beginnt, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen: Warum sind da nur bruchstückhafte Erinnerungen an die eigene Kindheit? Wieso vermag sich die Großmutter kaum von ihrer früh verstorbenen Schwester abzugrenzen? Und was geschah mit der Großtante, die als junge Frau verschwand? Die Erzählfigur stemmt sich gegen die Schweigekultur der Mütter und forscht nach der nicht tradierten weiblichen Blutslinie. Dieser Roman ist ein Befreiungsakt von den Dingen, die wir ungefragt weitertragen: Geschlechter, Traumata, Klassenzugehörigkeiten. Kim de l'Horizon macht sich auf die Suche nach anderen Arten von Wissen und Überlieferung, Erzählen und Ichwerdung, unterspült dabei die linearen Formen der Familienerzählung und nähert sich einer flüssigen und strömenden Art des Schreibens, die nicht festlegt, sondern öffnet.“ (perlentaucher)

Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau. über trans Sein und mein Leben - Phenix Kühnert

„Der Kampf für Gerechtigkeit und trans* Rechte? – ein Kampf für uns alle!
Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose … Sprache, Identität und vor allem: Empathie.

Der Name einer Sache verkörpert deren Bild, unsere Vorstellung davon und die damit verbundenen Gefühle. Oder: Eine Sache wird zur Sache durch ihre Benennung. Doch wie können wir diesen einfachen Gedanken auf unsere Umgebung übertragen? Phenix Kühnert ist sich sicher: mit Empathie. Wir leben in einer Gesellschaft, die alle ausschließt, die von der Norm abweichen. Phenix nimmt uns an die Hand, macht deutlich, wie sehr Sprache unser Denken prägt, was es heißt, die eigene Identität abgesprochen zu bekommen, wie uns Zuschreibungen und Vorgaben zu Männlichkeit und Weiblichkeit beeinflussen. Sie setzt sich für trans* Rechte und nicht binäre Menschen, die queere Community und Verständnis ein. Phenix ermutigt und sensibilisiert. Denn: Menschen sind verschieden, nichts zu 100 Prozent, wir entwickeln und verändern uns, wachsen. Und dabei wird klar: Diversität ist die wahre Normalität.“ (Thalia)

Ich bin Linus. Wie ich der Mann wurde, der ich schon immer war - Linus Giese

„Eigentlich ahnt er es seit seinem sechsten Lebensjahr. Doch aus Sorge darüber, wie sein Umfeld reagieren könnte und weil ihm Begriffe wie trans, queer, nicht-binär fehlen, verschweigt Linus lange, wer er wirklich ist. Mit dem Satz "Ich bin Linus" beginnt im Sommer 2017 sein neues Leben, das endlich nicht mehr von Scham, sondern Befreiung geprägt ist. Offen erzählt Linus Giese von seiner zweiten Pubertät, euphorischen Gefühlen in der Herrenabteilung, beklemmenden Arztbesuchen, bürokratischen Hürden, Selbstzweifeln, Freundschaft und Solidarität, von der Macht der Sprache und digitaler Gewalt. Seit seinem Coming-Out engagiert sich Linus für die Rechte von trans Menschen. Vor allem im Netz, aber nicht nur dort, begegnet ihm seither immer wieder Hass. Doch Schweigen ist für ihn keine Option.“ (perlentaucher)

Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund - Jayrôme C. Robinet

„Jayrôme hat früher als weiße Französin gelebt. Dann zieht er nach Berlin, beginnt Testosteron zu nehmen und erlebt eine zweite Pubertät. Ihm wächst ein dunkler Bart – und plötzlich wird er auf der Straße auf Arabisch angesprochen. Ob im Café, in der Umkleide oder bei der Passkontrolle, er merkt, dass sich nicht nur seine Identität, sondern vor allem das Verhalten seiner Umwelt ihm gegenüber radikal geändert hat. Er kann vergleichen: Wie werde ich als Mann, wie als Frau behandelt? Und was bedeutet es, wenn sich nicht nur das Geschlecht ändert, sondern augenscheinlich auch Herkunft und Alter? Mitreißend erzählt er von seinem queeren Alltag und deckt auf, wie irrsinnig gesellschaftliche Wahrnehmungen und Zuordnungen oft sind.“ (Thalia)

Außer sich - Sasha Marianna Salzmann

„Sie sind zu zweit, von Anfang an, die Zwillinge Alissa und Anton. In der kleinen Zweizimmerwohnung im Moskau der postsowjetischen Jahre verkrallen sie sich in die Locken des anderen, wenn die Eltern aufeinander losgehen. Später, in der westdeutschen Provinz, streunen sie durch die Flure des Asylheims, stehlen Zigaretten aus den Zimmern fremder Familien. Und noch später, als Alissa schon ihr Mathematikstudium in Berlin geschmissen hat, weil es sie vom Boxtraining abhält, verschwindet Anton spurlos. Irgendwann kommt eine Postkarte aus Istanbul – ohne Text, ohne Absender. In der flirrenden, zerrissenen Stadt am Bosporus und in der eigenen Familiengeschichte macht sich Alissa auf die Suche – nach dem verschollenen Bruder, aber vor allem nach einem Gefühl von Zugehörigkeit jenseits von Vaterland, Muttersprache oder Geschlecht.“ (suhrkamp)

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Die Verfolgung von Homosexualität findet in Uganda schon länger statt. Nun hat das Parlament am 21. März ein Gesetz verabschiedet, bei dem der gesamte Zustand auf ein neues Level der Verachtung gehoben wurde.

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Bereits Mitte März wurde auf echte vielfalt über die Gesetzesdebatte berichtet. Wie menschenverachtend das Ganze war, wurde damals bereits deutlich, wie weit das Parlament dabei bereit war zu gehen, allerdings noch nicht.

Laut einem Bericht der Tageschau sieht UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk in dem Gesetz einen Freibrief, der es ermöglichen könnte, fast alle Menschenrechte von LGBTIQ*-Personen „systematisch“ zu verletzen. Nach einer sechsstündigen Sitzung hatte das Parlament allerdings nicht nur das Gesetz verabschiedet, sondern in der Debatte noch den Zusatz der Todesstrafe für „besonders schwere“ Homosexualität aufgenommen. Was damit genau gemeint ist, blieb offen. Nach Angaben des Tagesspiegels drohten die USA Uganda in Reaktion darauf mit wirtschaftlichen Sanktionen, sollte das Gesetz in Kraft treten.

Damit das geschieht, muss das Gesetz noch von Präsident Yoweri Museveni unterzeichnet werden. Dieser ließ bei einer Rede der Konferenz zu „family values and sovereignty“ am 3. April seine Bereitschaft bereits durchblicken. Museveni bezeichnete Homosexualität als „a big threat and danger to the procreation of human race [sic]“ und forderte die afrikanischen Staatsoberhäupter auf, „die Förderung der Homosexualität“ abzulehnen, so ein Bericht des Guardian. Neben Uganda, das diese Konferenz ausrichtete, hatten noch 22 weitere afrikanische Länder Delirierte gesandt. Darunter auch Sambia, Kenia und Sierra Leone. Die Drohung der USA wurde hingegen ohne expliziten Bezug zu einem Anker, der die menschenverachtende Position des Anti-LGBTIQ*-Gesetzes mit der Befreiung von westlichem Einfluss verbindet. So wurden bspw. Sambia, Tansania und Ghana aufgefordert, sich vom amerikanischen Einfluss zu befreien. Die Länder waren zuvor von US-Vizepräsidentin Kamala Harris besucht worden.

Wie verzerrt diese Forderung allerdings ist, zeigt ein Blick auf die Förderer der Konferenz. Laut Guardian wurde das Ganze nicht nur vom ugandischen Parlament, der afrikanischen Anwaltskammer und der in Nigeria ansässigen Stiftung für das afrikanische Kulturerbe gefördert. Auch die US-amerikanische evangelikale Organisation Family Watch, die vom Southern Poverty Law Center, einer Beobachtungsstelle für die extreme Rechte, als Anti-LGBTIQ*-Hassgruppe eingestuft wird, trat als Förderer sowie Organisator der parallel stattfindenden Online-Veranstaltung auf. Die gesamte online-Teilnahme wurde entsprechend über Family Watch bereitgestellt.

Es stellt sich die Frage, warum Museveni das Gesetz bis jetzt noch nicht unterzeichnet hat. Formale Gründe könnten durchaus eine Rolle spielen, aber vielleicht ging es auch darum, die Konferenz abzuwarten. Das Ganze wirkt vor dem Hintergrund wie ein Testlauf der extrem Rechten, um zu schauen, wie weit ein Staat die Rechte der LGBTIQ*-Gemeinschaft vor den Augen der Welt einschränken bzw. aussetzen kann. Besonders besorgniserregend ist dabei der Einfluss von amerikanischen evangelikalen Fundamentalisten.

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Im September 2022 wurden die LSBTIQ*-Aktivistinnen Zahra Sedighi Hamedani und Elham Choubdar von einem iranischen Gericht zur Todesstrafe verurteilt. Die internationale Gemeinschaft, die sich für die Rechte von queeren Personen einsetzt, verurteilte dies scharf. Nach hohen Kautionszahlungen wurden die Aktivistinnen im März 2023 aus der Haft entlassen.

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Das Gericht hielt Zahra Sedighi Hamedani und Elham Choubdar vor, „Werbung für Homosexualität“ zu betreiben sowie die „Verbreitung der Korruption auf der Erde“. Die Aktivistin und Autorin Shadi Amin erklärt in einem Interview mit der taz, dass dieser vage Strafvorwurf gegen queere Personen genutzt wird, um höhere Strafen anwenden zu können. Zahra Sedighi Hamedani wurde bereits im Jahr 2021 an der Grenze zur Türkei verhaftet. Die Hengaw Organization for Human Rights berichtete, dass ihr der Zugang zu einem Anwalt oder einer Anwältin verwehrt blieb. Hamedani hat sich mehrfach öffentlich für die iranische queere Community eingesetzt. Die harte Strafe sollte auch als Abschreckung für LSBTIQ* Jugendliche dienen, so Amin. Umso wichtiger sei es, dass weiterhin öffentlich über die Situation geredet wird.

Die Situation für die queere Community im Iran ist geprägt von politischer Verfolgung, Repressionen und Stigmatisierung. Gleichgeschlechtliche Beziehungen können somit nur versteckt stattfinden. Nach Angaben der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) sind LSBTIQ*-Personen im Iran von hoher Gewalt betroffen. Homosexuelle Frauen könnten zusätzlich zwangsverheiratet werden. So wie im Fall von Hamedani und Choubdar wird in einigen Fällen auch die Todesstrafe verhängt. In der Islamischen Republik wurden bereits tausende queere Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität hingerichtet, so queer.de.

Der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann feiert die Entlassung der beiden Aktivistinnen auf Twitter als „eine der schönsten Nachrichten dieser Tage“ und betont, dass die Rechte von LSBTIQ*-Personen Menschenrechte seien. Deshalb sei es wichtig, politischen Druck auf die Islamische Republik auszuüben und die aktuelle Protestbewegung im Iran zu unterstützen. Diese folgte auf den Tod der kurdischen Iranerin Jina Mahsa Amini im September 2022. Sie verstarb nach einer Verhaftung durch die Sittenpolizei, die sie festnahm, weil sie ihr Kopftuch nicht korrekt getragen hätte. So ist der Kampf von queeren Menschen mit den feministischen Bestrebungen im Land eng verflochten.

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Für homosexuelle Paare gibt es neben der Aufnahme von Pflegekindern, Adoption oder Co-Elternschaft noch einen weiteren Weg ihren Kinderwunsch zu erfüllen: Leihmutterschaft. Da die Praxis in Deutschland verboten ist, beauftragen einige Paare eine Leihmutter im Ausland, die ihr Kind austragen und gebären soll. Doch wie läuft dieser hoch umstrittene Vorgang ab, was sind rechtliche Fragen und wobei gibt es Bedenken?

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Was ist Leihmutterschaft?

In traditionellen Formen der Leihmutterschaft wurde die Leihmutter mit dem Samen des vorgesehen Vaters (künstlich) befruchtet, sie selbst war die biologische Mutter des ausgetragenen Kindes. Mit dem Fortschreiten von Reproduktionstechnologien wie der In-vitro-Fertilisation ist nun eine andere Art von Leihmutterschaft zur Norm geworden. Bei schwulen Paaren kann zum Beispiel der Samen von einem der Männer verwendet werden und „in-vitro“ die Eizelle einer Spenderin befruchten. Das daraus entstandene Embryo wird dann von einer Leihmutter ausgetragen, die genetisch nicht mit dem Kind verwandt ist. Es gibt Leihmütter, die aus altruistischen Gründen das Kind eines anderen Paares austragen, jedoch gibt es auch Formen, in denen sie dafür entlohnt werden.

Wie ist die Rechtslage?

Kommerzielle Leihmutterschaft ist fast überall auf der Welt verboten. Zu den Ausnahmen zählen aktuell unter anderem Israel, einige Bundestaaten in den USA, die Ukraine, Georgien und Mexiko. Da weiterhin viele Paare den Wunsch nach einem leiblichen Kind haben, hat sich eine Art „Reproduktionstourismus“ entwickelt. Vor einigen Jahren waren unter anderem Thailand und Indien „Leihmutterschafts-Hotspots“, in denen internationale Paare eine Leihmutter beauftragt haben. Dort gab es nicht nur wenig rechtliche Einschränkungen, sondern die Kosten waren auch deutlich günstiger.

In Deutschland ist sowohl die kommerzielle als auch die altruistische Leihmutterschaft verboten. Jedoch können Eltern rechtlich als solche anerkannt werden, wenn ihr Kind über eine Leihmutter im Ausland geboren wurde unter der Bedingung, dass mindestens ein Elternteil genetisch mit dem Kind verwandt ist. Für queere Paare könnte der Anerkennungsprozess jedoch noch schwieriger sein. Außerdem wird in einigen Ländern die Möglichkeit, eine Leihmutter zu beauftragen, nur auf heterosexuelle Paaren beschränkt.

Was sind die Bedenken?

Oft beinhalten Leihmutterschaftsverträge strikte Vorgaben, die das Verhalten der Leihmutter während der Schwangerschaft bestimmen sollen. Vor allem in Ländern des Globalen Südens werden die Leihmütter oft in sehr prekären Verhältnissen angestellt. Es ist nicht unüblich, dass sie von ihren eigenen Familien entfernt in vorhergesehen Unterkünften untergebracht werden. Dadurch können die Kliniken, die die Leihmutterschaft organisieren, die Schwangeren besser überwachen. Auch Gentests können eingesetzt werden, womit die Kliniken den Eltern versichern wollen, dass das Kind gesund auf die Welt kommt. Kritische Stimmen beklagen, dass Babys somit zur Ware werden und die Autonomie der Leihmütter eingeschränkt wird.

Auch birgt das Austragen eines Kindes im Ausland weitere Risiken. Zum Beispiel kann in Krisenfällen nicht versichert werden, dass das Kind über Landesgrenzen hinweg bei den Wunscheltern ankommt. Dies wurde zuletzt mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine sichtbar.

Was sind die Aussichten?

Leihmutterschaft bleibt eine Möglichkeit für unfruchtbare und queere Paare, ihren Wunsch nach einem leiblichen Kind zu erfüllen. Jedoch ist der Prozess teuer und mit rechtlichem Aufwand verbunden und demnach für nur wenige Menschen zugänglich. Auch moralische und ethische Fragen begleiten das Vorgehen weiterhin. Gleichzeitig bleibt es für nicht heterosexuelle Familienmodelle wichtig, dass alternative Formen von Elternschaft möglich sind. Solange heterosexuelle Paare eine Leihmutter beauftragen können, sollten homosexuelle Paare ebenfalls die Möglichkeit dazu haben. Zuletzt genehmigte Israel auch queeren Eltern die Möglichkeit einer Leihmutterschaft, wie echte vielfalt Anfang 2022 berichtete.  

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Die sexuelle Ausrichtung ebenso wie das Geschlecht sollten in einer idealen Welt als nicht hinterfragte und selbstverständliche Eigenschaften einer jeden Person angenommen werden. Die Tatsache, dass es Verbände und Gruppen gibt, die mit viel Engagement und Arbeit versuchen, diesem Ziel ein Stückchen näherzukommen, zeigt jedoch, dass diese „ideale“ Welt bisher nicht existiert. Gleichzeitig bedeutet es auch, dass Ausgrenzung und Diskriminierung nicht an imaginären Trennlinien stoppen.

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Auch die LSBTIQ*-Gemeinschaft ist, wie die Gesamtgesellschaft als Ganzes, selbstverständlich kein homogener Zusammenschluss von unfehlbaren Personen. Zur Normalität gehört es eben auch, sich „falsch“ verhalten und dafür kritisiert werden zu können. Gleichzeitig steht dabei die Notwendigkeit, sich gegen Diskriminierung von LSBTIQ*-Menschen einzusetzen, nicht zur Debatte. Unwürdige Strukturen und Verhaltensweisen können nebeneinander existieren, ohne einander aufzuheben oder sich zu widersprechen. Bereits in unserem Artikel zur „WorldPride 2023“ in Sydney hatten wir das Thema der Kommerzialisierung aufgegriffen, das vor allem Menschen unterer Einkommensschichten ausgrenzt. Das macht jedoch das gemeinsame Ziel nicht weniger relevant. Ein weiteres gesellschaftliches Problem und damit ein Problem aller Gruppen dieser Gesellschaft ist Rassismus. Björn Beck, Vorstandsmitglied der Deutsche Aidshilfe (DAH), bringt in einem Zitat im Magazin Schwulissimo die Gesamtlage auf den Punkt: „Das Thema Rassismus betrifft nicht nur unser Miteinander in der Aidshilfe. Im ganzen Bereich Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung ist noch viel zu tun.“ Das schließt LSBTIQ*-Gruppen, die sich in diesem Bereich bewegen, zwangsläufig mit ein.

Auch das Regenbogenportal des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bemerkt, dass an den Stellen, in denen Rassismus und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung aufeinandertreffen, häufig noch blinde Flecken existieren. In Leitungspositionen und medialer Präsenz sind People of Color seltener vertreten. „Gleichzeitig werden Homofeindlichkeit und Sexismus oft zum Problem bestimmter "Kulturen" oder Religionen erklärt. LSBTIQ*, die aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens damit assoziiert werden, erleben dadurch Ausschlüsse aus der eigenen Community.“ In der Konsequenz fehlt es diesen Menschen nicht nur innerhalb der Mehrheitsgesellschaft, sondern auch in den LSBTIQ*-Communities an Schutzräumen.

Für Einrichtungen, die nach Ansätzen suchen, dieses Thema anzugehen, aber auch für LSBTIQ*-Personen, die bereit sind, ihre blinden Flecken oder die ihres Vereines anzugehen, bietet das Regenbogenportal einen einführenden Fragenkatalog. Grundsätzlich lassen sich allerdings zwei Schritte besonders hervorheben: Zum einen geht es darum, das Problem anzuerkennen und wahrzunehmen, dass eben auch selbst marginalisierte Gruppen - wie jede andere Gruppe auch - ausgrenzen und rassistische Strukturen oder Mitglieder haben können. Andererseits darf auch oder gerade in Einrichtungen, in denen das Problem bereits bearbeitet wird, die Aufmerksamkeit nicht verloren gehen. Das gefährlichste hier wäre eine Haltung von, „es kann nicht sein, was nicht sein darf“. Aufmerksamkeit und Reflexion sind die Schlüsselbegriffe, die sich dem entgegenstellen.

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Wie der Leichtathletik-Weltverband „World Athletics“ (WA) am 23. März bekannt gab, werden in Zukunft nicht nur die Testosteron-Grenzwerte stärker beschränkt. Ab dem 31. März dürfen zudem keine Trans-Leichtathletinnen, die eine männliche Pubertät durchlaufen haben, an offiziellen Weltranglistenwettkämpfen der Frauen teilnehmen.

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Zur Begründung sagte der WA, dass es derzeit keine transgender Athlet*innen gebe, die international in der Leichtathletik antreten, und folglich auch keine leichtathletikspezifischen Beweise für die Auswirkungen, die diese Athlet*innen auf die Fairness des weiblichen Wettkampfs in der Leichtathletik haben würden. Unter diesen Umständen beschloss der Rat, der Fairness und der Integrität des Frauenwettbewerbs Vorrang vor der Aufnahme in die Liste einzuräumen.

Gabriel Nox Koenig vom Bundesverband Trans* e.V. kritisierte diese Entscheidung gegenüber der Deutschen Well (DW):

"Es wurde hier nicht versucht, einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, sondern Transfrauen und nicht-binäre Personen, bei denen bei Geburt das männliche Geschlecht eingetragen wurde, gezielt auszuschließen […], Theoretisch ist es zwar möglich, mit Pubertätsblockern die Pubertät von trans- und nicht-binären Jugendlichen zu verzögern. In der Praxis ist die Zahl derer, die Zugang zu dieser Behandlung haben, aber sehr gering. Die Regelungen des Leichtathletik-Weltverbands sind also quasi für niemanden einhaltbar."

Koenig befürchte, dass mit dieser Entscheidung junge trans Frauen noch stärker im Sport diskriminiert und sich daher vermehrt gegen Vereinssport entscheiden würden. An dieser Stelle muss betont werden, dass Diskriminierung im Sportverein auch ohne Aussichten auf eine Karriere im Spitzensport ein Thema ist. Auf der anderen Seite bleibt Spitzensport allgemein selektierend, was in der Natur von hohem Leistungsdruck plus viel Geld liegt. Auch wenn es derzeit keine Athletinnen im Frauen-Spitzensport gibt, die in die vom WA ausgeschlossene Kategorie fallen, so kündigte dieser dennoch eine Arbeitsgruppe zum Thema an. In den nächsten zwölf Monaten soll die Arbeitsgruppe speziell Transgender-Athletinnen nach ihren Ansichten über die Teilnahme an Leichtathletikwettbewerben befragen sowie zusätzliche Informationen überprüfen oder ggf. in Auftrag geben. Wie die Sportschau berichtet, äußerte Sebastian Coe, Präsident von World Athletics, dass der Verband die Teilnahme von trans Leichtathletinnen nicht für immer ausschließe. Es brauche jedoch belastbare Daten, um darüber letztendlich entscheiden zu können.

Aber nicht nur trans Sportlerinnen sind von der Weltrangliste ausgeschlossen. Auch Athletinnen mit einer Variante in der Geschlechtsentwicklung (DSD) sind vorläufig betroffen. Bei DSD handelt es sich nach Angaben der Deutschen Welle „[…] um eine seltene Kondition, bei denen die Hormone, die Gene und/oder die Fortpflanzungsorgane eines Menschen eine Mischung aus männlichen und weiblichen Merkmalen aufweisen können. Einige der Betroffenen bevorzugen den Begriff ‚intersexuell‘“. Allerdings, so die DW weiter, sehen die verschärften Richtlinien bei Sportlerinnen dieser Gruppe eine Reduzierung des Testosterongehalts im Blut von fünf auf 2,5 Nanomol pro Liter über zwei Jahre statt wie bisher nur einem Jahr vor. Damit ist dieser Ausschluss lediglich temporär, solange der Richtwert eingehalten wird. An den Olympischen Spielen 2024 könnten die 13 betroffenen Athletinnen laut WA wieder teilnehmen.

Im Endeffekt schließt die neue Richtlinie damit an die Stelle an, an der sich der Gesamtdiskurs scheidet: Welche Unterscheidungen zwischen Menschen sind wann und warum zulässig und wann überschreiten diese Differenzierungen die Grenze zur Diskriminierung. Eine Frage, die sich vermutlich auch durch eine Arbeitsgruppe des WA nicht klären lassen wird, aber vielleicht neue Gedanken aufwirft.

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