Echte Vielfalt

Jeden Juni ist Pride Month („Stolz Monat“), ein Monat, indem weltweit LSBTQI+ Communities zusammenkommen und die Freiheit feiern, sie selbst sein zu können – oder gegen die Unfreiheit dies zu tun, protestieren. Auch während einer Pandemie geht es dabei um Sichtbarkeit und Gemeinschaft. Aber woher kommt dieser Monat eigentlich?

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Pride Versammlungen sind in den mühsamen Geschichten unterdrückter Gruppen verwurzelt, die seit Jahrhunderten darum kämpfen von der Gesellschaft akzeptiert zu werden und Vorurteile zu überwinden.

Warum im Juni?

Die ursprünglichen Organisator*innen wählten diesen Monat, um die Stonewall-Aufstände im Juni 1969 in New York City zu ehren, welche unter anderem die moderne Gay Rights („Schwule/Lesbische Rechte“) Bewegung entfacht haben. Bei den Stonewall-Aufständen veranstaltete die Polizei in den frühen Stunden des 28. Junis eine Razzia in der Schwulenbar „Stonewall Inn“, und begann Kund*innen nach draußen zu schleppen. Als diese sich der Verhaftung widersetzten und eine Gruppe von Unbeteiligten begann, die Polizei mit Flaschen und Münzen zu bewerfen eskalierten die Spannungen schnell. New Yorks schwule und lesbische Community, die seit Jahren von der Polizei schikaniert worden war, brach in Nachbarschaftsaufständen aus, die drei Tage lang anhielten. So wurden sie zu einem Katalysator für aufstrebende Gay Rights Bewegungen, indem sich Organisationen wie die Gay Liberation Front und die Gay Activists Alliance formierten, modelliert nach der Bürgerrechtsbewegung und der Frauenrechtsbewegung. Mitglieder veranstalteten Proteste, trafen sich mit Politiker*innen und unterbrachen öffentliche Veranstaltungen um dieselben Politiker*innen zum Handeln zu bringen. Ein Jahr nach den Stonewall-Aufständen fanden in den USA die ersten Gay Pride Märsche statt. 2016 wurde der Bereich um das Stonewall-Inn als nationales Monument gekürt. Daher finden bis heute noch die meisten Pride Veranstaltungen im Juni statt, wobei es natürlich Ausnahmen gibt. Im Jahr 2020 wurden viele dieser Veranstaltungen wegen der Pandemie abgesagt, aber Umzüge und andere Feierlichkeiten werden dieses Jahr in Hamburg, Berlin, und vielen anderen Städten höchstwahrscheinlich wieder stattfinden.

Woher kommt der Name und die Flagge?

Der Name „Pride“ wird Brenda Howard, einer bisexuellen New Yorker Aktivistin zugeschrieben, deren Spitzname die „Mutter von Pride“ ist. Sie organisierte den ersten Pride Umzug, um dem Jahrestag des Stonewall-Aufstandes zu gedenken. Die Pride-Flagge wurde 1978 von dem Künstler und Designer Gilbert Baker entworfen, der von Harvey Milk – einem der ersten offen schwulen Politikern in den USA – beauftragt wurde eine Flagge für die Pride-Feiern zu entwerfen. Baker, ein prominenter Gay Rights Aktivist, orientierte sich dabei an den Streifen der US-Amerikanischen Flagge, nutzte jedoch die Farben des Regenbogens, um die vielen verschiedenen Gruppen innerhalb der Community zu reflektieren.

Wer darf bei Pride mitfeiern?

Pride wird von Menschen zelebriert, deren sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität nicht automatisch von der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft gefeiert wird. Weil Cis-Geschlechtlichkeit, hetero-Liebe, und hetero-Sex in der Mehrheitsgesellschaft als richtig gelten, und diese Orientierungen und Identitäten ständig in den Mainstream-Medien gezeigt werden, braucht es deshalb auch keinen „Straight Pride Month“ (Hetero-Stolz Monat). Das bedeutet jedoch nicht, dass Cis-hetero Menschen nicht auch als Verbündete an den Veranstaltungen teilnehmen können – indem sie Freund*innen begleiten und sie feiern, zuhören und lernen, oder sich bei einer Gruppe freiwillig engagieren.

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Der 21-jährige Mann, der im Oktober 2020 aus homofeindlichen Motiven ein schwules Paar in Dresden erstach, ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er war zuvor gerade aus der Jugendhaft entlassen worden, wo er gehalten worden war, weil er einen Angriff geplant und den Islamischen Staat unterstützt hatte.

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Sieben Monate nach seiner Attacke, die für einen der zwei angegriffenen Männer tödlich endete, wurde er vom Dresdner Landgericht für Mord schuldig gesprochen – und zu einem Leben in Haft verurteilt. Er war davor von Ermittler*innen als islamistische Bedrohung klassifiziert worden, weswegen die Staatsanwält*innen von dem Motiv einer religiös-motivierten Homofeindlichkeit sprachen.

Nachdem der Täter aus der Jugendhaft entlassen worden war, hatte er sich zwei neue Küchenmesser im Supermarkt gekauft, mit denen er sich auf die Mission machte, „Ungläubige zu töten“ – eine halbe Stunde später hatte er seine Opfer gefunden. Er stach beide Männer in den Rücken, einer von ihnen überlebte. Der Täter offenbarte, dass er aufgrund der schwulen Sexualität der Männer gehandelt habe – diese habe er als „schwere Sünde“ empfunden und wollte sie deswegen mit dem Tod bestrafen.

Bevor er aus der Jugendhaft entlassen worden war, war er als Hochrisiko Täter klassifiziert worden, was bei den Familien der Opfer Fragen danach, ob die Tat hätte verhindert werden können, auslöste. Seine Verteidigungs-Anwält*innen räumten ein, dass die Gefängnis-Autoritäten ihm erlaubt hätten sich zu radikalisieren, indem sie ihm keine religiöse Beratung anboten und ihn isolierten.

So wirft das schreckliche Ereignis eine allgemeinere Frage danach auf, wie mit radikal-islamischen Einstellungen Zugewanderter im besten Fall umgegangen wird. Deutlich scheint jedoch, dass ein einfaches Wegsperren keine Lösung für religiös-motivierte Homofeindlichkeit ist.

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Am vergangenen Montag, den 10. Mai, kündigten katholische Seelsorger und Priester an, in ganz Deutschland erstmals queere Paare zu segnen. Schon vor sieben Uhr morgens begann ein Priester in München damit – doch zu dieser frühen Stunde hatte es auch schon Einspruch gegeben. In Würzburg wurde am Sonntagnachmittag ein großes Regenbogen-Banner heruntergerissen, worauf stand: „Wir können doch gar nicht anders als segnen“. In Wuppertal stellten sich Demonstrierende mit einem Plakat mit der Aufschrift „Kein Segen für die Sünde“ vor der Kirche auf. Doch queere paare wehren sich: „Wir wollen unsere Liebe nicht als Sünde bezeichnen lassen“.

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Und endlich wollen dies auch einige Seelsorger und Priester nicht mehr: So berichtet die Süddeutsche Zeitung von einer „Rebellion gegen Rom“, nämlich einer Unterschriftensammlung gegen das Segnungspapier der römischen Glaubenskongregation, welches die Segnung homosexueller Paare verbietet. Hierbei kamen, unter anderem mit Hilfe der katholischen Frauenbewegung Maria 2.0, in kürzester Zeit 2600 Unterschriften von Klerikern und Mitgliedern aller pastoralen Berufe zusammen.

Damit stellt die Widerstands-Aktion gegen Rom eine der deutlichsten Zeichen seit langem dar, weswegen vor den Gottesdiensten auch Einspruch und sogar Drohungen eingingen: Eine Mail einem Absender namens „Zorn Gottes“, eine, die ankündigt, im Gottesdienst laut einen "Kampfrosenkranz" beten zu werden. Die als Gegenbewegung gegründete Gruppe „Maria 1.0“, appellierte an die Bischöfe, „durchzugreifen“ und rief „alle Katholiken und Menschen guten Willens“ dazu auf, an diesem 10. Mai den Rosenkranz zu beten. Und letztlich kursieren auf erzkonservativen katholischen Internetportalen bereits Muster-Formbriefe, in die nur noch der Name des betreffenden Priesters eingesetzt werden muss, um ihn an den Bischof oder direkt an den Vatikan zu melden.

Die Hoffnung ist jedoch, dass die Vielzahl der Gottesdienste die einzelnen Priester schützen werde, so Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose. Er hoffe, dass sich die Bischöfe trotz der „Verstöße“ gegen das römische Segnungspapier zurückhalten, denn wer auf eine Segnung queerer Paare mit disziplinarischen Maßnahmen reagiere, enttarne sich – als was, sagt Hose nicht, doch es lässt sich vermuten – als homofeindlich.

Und das, obwohl vor der Kirche steht „Mein Gott liebt alle Menschen“ und im Johannesevangelium: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe.“ Als Priester Wolfgang Rothe daraus vorlas und an den Altar einlud, war es „sehr berührend“, so eine der Frauen, die an diesem Tag gesegnet wurde: „Wir wollen unsere Liebe nicht als Sünde bezeichnen lassen, wir wollen uns nicht mehr ausgrenzen lassen.“

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Die Sichtbarkeit von queeren Menschen in Medien wie Film und Fernsehen ist ein wiederkehrendes Thema in der LSBTIQ-Community. Schließlich prägen Medien auch das Bild von queeren Personen in der Öffentlichkeit.

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Mediale Darstellungen können Stereotype reproduzieren, oder für mehr Akzeptanz sorgen. Doch in vielen Fernsehformaten zum Beispiel spielen queere Menschen sprichwörtlich kaum eine Rolle. Der LSVD teilte 2019 zur Darstellung Nicht-heterosexueller Menschen im Fernsehen mit: „Die Lebensrealität von Lesben, Schwulen und Trans kommt so gut wie gar nicht vor“. Dabei gehe es neben der Frage der Sichtbarkeit auch darum, wann und wie queere Themen und Personen, etwas zum Beispiel erst spät abends, gesendet würden.

Sofern queere Figuren auftreten, ist auch von Bedeutung, wie diese dargestellt werden. „Homosexualität wird fast ausschließlich als Problem erzählt, gesellschaftliche Diskriminierung, Inakzeptanz und so weiter. Protagonisten, die schwul sind, in Geschichten, in denen es nicht thematisch um Homosexualität geht, dazu fällt mir im deutschen Fernsehen nichts ein“ kritisiert in diesem Zusammenhang der Drehbuchautor Christoph Darnstädt.

Den Repräsentation queerer Figuren in Hollywood Filmen untersucht die LSBTIQ-Organisation GLAAD mit ihrem "Studio Responsibility Index". So sei der Anteil von Filmen mit queeren Rollen von 2018 auf 2019 leicht gestiegen. 18,6 Prozent der Filme der großen Filmstudios seien mit queeren Charakteren besetzt gewesen. Trotz des Anstiegs kritisiert GLAAD, dass es innerhalb der queeren Figuren an Vielfalt fehle. Bei 68 Prozent der Filme mit queeren Figuren seien schwule Männer aufgetreten, Lesben waren nur mit 36 Prozent Anteil vertreten. „Film hat die Macht, das Publikum auf der ganzen Welt zu erziehen, aufzuklären und zu unterhalten. In dem heutigen politischen und kulturellen Umfeld müssen wir vorrangig LGBTQ-Geschichten und die Geschichten aller marginalisierten Menschen erzählen“ sagt Sarah Kate Ellis, so die Präsidentin der Organisation GLAAD zu den Ergebnissen.

Mehr queere und diverse Charaktere als im deutschen Fernsehen oder Hollywood-Produktionen gibt es bei Streaming-Angeboten wie etwa Netflix. Die erfolgreiche Frauengefängnisserie „Orange is the new black“ hat gleich mehrere Figuren, die auf Frauen stehen sowie eine trans Person in ihrer Handlung. In der Serie Sex Education ist der schwule und schwarze Mensch Eric in einer der Hauptrollen zu sehen. Die Doku-Serie "Visible: Out on Television" bei Apple TV+ zeichnet die Geschichte queerer Serien und Serienfiguren nach.

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Die Coronapandemie durchzieht alle gesellschaftlichen Bereiche und verstärkt hier oftmals soziale Probleme und sozialökonomische Ungleichheiten. Benachteiligte Gruppen sind besonders von der Pandemie betroffen, da sie weniger Ressourcen haben, um mit den Auswirkungen umzugehen.

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Wie eine Studie der Charité vor Kurzem ermittelte, sind LSBTIQ stärker von den Veränderungen und Einschränkungen durch Corona betroffen. Die gerade erschienene Broschüre der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, des Bundesverband Trans*, des Vereins Intergeschlechtliche Menschen e.V. und des Lesben- und Schwulenverbandes mit dem Titel „Auswirkungen der Coronapandemie auf lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche, queere und asexuelle Personen in Deutschland“  widmet sich ebenfalls diesem Thema.

Die vom Bundesfamilienministerium mitfinanzierte 40-seitige Broschüre enthält Informationen, die auf  Fachgesprächen mit Expert*innen sowie einer Befragung von LSBTIQ-Organisationen und Initiativen basieren. Dabei wurden vier Themenbereiche identifiziert: Communitystrukturen, Gesundheit, Lockdown und Kontaktbeschränkungen sowie gesellschaftliche Debatten und Agenda Setting.

Mit der Broschüre sollen unter anderem Entscheidungsträger*innen in Politik und motiviert werden, die Auswirkungen der Pandemie auf unterschiedliche Gruppen in den Blick zu nehmen. Es gelte, so die Herausgeber*innen, mit LSBTIQ-Communityvertreter*innen ins Gespräch zu kommen und mit ihnen kurz- und langfristige Lösungsansätze zu erarbeiten.

Im Folgenden sollen zentrale Ergebnisse der Broschüre kurz dargestellt werden:

Wie die Broschüre im Abschnitt „Communitystrukturen“ herausstellt, sind durch die Coronapandemie Schutzräume und Anlaufstellen für LSBTIQ geschlossen. Beratungs- und Selbsthilfeangebote sind nur eingeschränkt verfügbar, und viele Organisationen fürchteten, dass ihre finanzielle Förderung gekürzt werde.

Die Gesundheitssituation queerer Menschen hat sich durch die Pandemie verschärft. Insbesondere trans und intergeschlechtliche Menschen werden in der Gesundheitsversorgung nach wie vor stigmatisiert.

Lockdown und Kontaktbeschränkungen: LSBTIQ-Personen mussten den Lockdown mitunter mit Familienmitgliedern verbringen, von denen sie abgelehnt oder diskriminiert werden. Durch das Verbot von Sexarbeit waren insbesondere auch queere Sexarbeiter*innen betroffen, die durch das staatliche Hilfesystem fielen. In Einrichtungen für geflüchtete und wohnungslose Personen ist ein Rückzug ins Private kaum möglich. Gerade in solchen Räumen erfahren queere Menschen häufig Gewalt und Diskriminierung.

Ausnahmen für die strengen Kontaktbeschränkungen werden hauptsächlich für Familien und Paarbeziehungen gemacht, wird in der Broschüre im Abschnitt Debatten und Agenda Setting festgestellt wird. Menschen in anderen Lebens- und Familienformen jenseits der heterosexuellen Kleinfamilie werden benachteiligt und geraten aus dem Blick. Zudem verfestigen sich traditionelle Geschlechterverhältnisse. Die gesellschaftliche Verunsicherung werde zudem von rechten Bewegungen genutzt, um gegen Diversität Stimmung zu machen und Verschwörungsideologien zu verbreiten.

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Vor Kurzem verabschiedete das Bundeskabinett ein „LSBTI-Inklusionskonzept für Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit“. Darin verpflichtet sich Deutschland, den Schutz der Menschenrechte von queeren Menschen zu einem wichtigen Bestandteil der Außenpolitik und der Entwicklungszusammenarbeit zu machen. So können zum Beispiel in Ländern, die finanzielle Hilfen erhalten aber wo Homosexualität verboten ist, gezielt LSBTI-Organisationen unterstützt werden. Auch greift das Konzept zentrale Forderungen von LSBTI-Organisationen auf, wie etwa LSBTI-Themen in den Kontext der Menschenrechte einzubetten oder auf die besondere Schutzwürdigkeit von Minderjährigen einzugehen.

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Außenamts-Staatsminister Michael Roth (SPD) äußerte sich in einem TAZ-Interview über die Hintergründe des Beschlusses: „Weltweit, aber auch in Europa, gehören LGBTI nach wie vor mit zu den verwundbarsten Gruppen, die Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt ausgesetzt sind. In mehr als 70 Staaten weltweit werden LGBTI vom Staat verfolgt und bestraft. In einigen Staaten steht auf Homosexualität sogar noch die Todesstrafe.“  Es solle Grundsatz der Politik der Bundesregierung in der internationalen Politik werden, dass LGBTI-Rechte Menschenrechte seien. Vorreiter*innen mit ähnlichen Strategien seien unter anderem die skandinavischen Länder.

Die queerpolitischen Sprecher*innen der grünen Bundestagsfraktion begrüßten das Konzept kritisierten jedoch, dass dieses „längt überfällig“ gewesen sei. Nun müsse der Beschluss schnellstmöglich in die Arbeit des Auswärtigen Amtes und des Entwicklungsministeriums Einzug erhalten: „Deutschland als eines der größten Geberländer darf angesichts der verheerenden Situation für LSBTI in manchen Regionen der Welt keine weitere Zeit zu verlieren.“ Der Beschluss der Bundesregierung müsse auch Selbstverpflichtung sein, viel stärker als bisher auf die Einhaltung von Menschenrechten zu drängen. Außerdem dürfe die Bundesregierung nicht mehr Staaten zu „sicheren Herkunftsländern“ erklären und Abschiebungen in diese durchführen, in denen Homosexualität strafrechtlich verfolgt werde.

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Ein breites Bündnis von 60 LSBTI*-Organisationen startet die Kampagne um die Erweiterung des Artikels 3 im Grundgesetz um sexuelle und geschlechtliche Identität und erhält dabei Unterstützung von hoher Prominenz.

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Ein Gastbeitrag von Frank Thies.


Noch vor der Bundestagswahl am 26.9.2021 soll der Artikel 3 des Grundgesetzes geändert werden. Bislang heißt es:

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

[caption id="attachment_10966" align="aligncenter" width="240"] (c) @AllOut[/caption]

Doch nun sollen drei Themen im Grundgesetz angegangen werden: 1. Der Rassebegriff soll ersetzt werden. 2. Die Kinderrechte sollen verankert werden. 3. Die geschlechtliche und sexuelle Identität soll geschützt werden.

Doch während die Presse bislang oft über die Änderung des Rassebegriffs berichtet hat, fallen die anderen beiden Themen eher unter den Tisch. Außerdem wünscht sich so manch LSBTI*-feindliche Person, dass der Schutz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter*, Queers, Pansexuellen, Nicht-Binären und Asexuellen keinen Einzug erhält.

Seit langer Zeit gibt es den Runden Tisch „Ergänzung Artikel 3 GG“ mit vielen Videokonferenzen, an der u.a. All Out, der LSVD, das Aktionsbündnis gegen Homophobie e. V., BiNe – Bisexuelles Netzwerk e. V., Bundesverband Trans*, CSD Deutschland e. V., Intersexuelle Menschen e. V., Projekt 100% Mensch gUG und alle queeren Untergruppen der großen demokratischen Parteien beteiligt sind.

An dem Appell auf der Website grundgesetz-fuer-alle.de wurde lange gefeilt, damit alle ihn tragen können. Da es in der Politik auch oft um Befindlichkeiten geht, musste einiges berücksichtigt werden. Die Zeit drängt, denn Bundesregierung und Bundestag verhandeln gerade über die Änderung des Grundgesetzes.

[caption id="attachment_10967" align="aligncenter" width="240"] (c) @AllOut[/caption]

Zu den prominenten Erstunterzeichnenden gehören u. a.

  • Moderatorin Anne Will,
  • ehemaliger Olympionike Balian Buschbaum,
  • Comedienne Carolin Kebekus,
  • Komikerin Hella von Sinnen,
  • Autor und Blogger Johannes Kram,
  • Schauspieler Ralf Nierhoff,
  • Dragqueen Olivia Jones,
  • Comiczeichner Ralf König,
  • Aktivist Raul Krauthausen,
  • LSBTI*-Sonderbotschafter des EU-Parlament Riccardo Simonetti,
  • Showmacher Thomas Hermanns.

Anne Will sagt: „Es ist höchste Zeit, sowohl den Rassebegriff aus dem Artikel 3 GG zu streichen, als auch queere Menschen endlich durch das Grundgesetz vor Diskriminierung zu schützen.“

Mit-Organisator Frank Thies vom Bisexuellen Netzwerk meint dazu: „Als Lehrer und Bi-Aktivist liegt mir der Schutz vor Diskriminierung am Herzen. Bisexuelle werden oft unsichtbar gemacht – bitte nicht auch noch im Grundgesetz!“

[caption id="attachment_11003" align="aligncenter" width="190"] (c) Frank Thies[/caption]

Schließlich wurden gleichgeschlechtlich liebende Männer noch bis 1994 mit dem im Dritten Reich verschärften Paragraf 175 verfolgt.

Der Appell fordert alle Mitglieder und Fraktionen des Deutschen Bundestags auf, alle Menschen der queeren Community durch die Ergänzung des Artikel 3 (3) GG zu schützen. Abwiegelungen, dass die jetzige Form ausreiche, wird u. a. aus obigem Grund nicht geteilt. Ferner wird der Gesetzesänderungsentwurf der Fraktionen FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen begrüßt. Nach dem Eklat der SPD in dem Onlinetalk mit der LSBTI*-feindlichen FAZ-Feuilletonchefin Sandra Kegel hat die Partei nun eine Chance zu zeigen, ob sie auf der Seite der queeren Menschen steht. Denn für eine Änderung des Grundgesetzes bedarf es einer Zweidrittel-Mehrheit. Und so zählt jede Stimme.

Das Logo von „Grundgesetz für alle“ soll an das für die „Ehe für alle“ erinnern. Das Start-Kampagnenbild ist nur eins von vielen, mehr Vielfalt versprechen die Designer*innen für die Zukunft.

Der Hashtag lautet #GrundgesetzFürAlle, gerne ergänzt durch #Artikel3.

Wer die Idee unterstützen will, kann das durch Teilen der Kampagnenseite, Teilen der Petition und Machen einer Instastory oder Facebook Story tun.

Die Petition kann hier unterschrieben werden.

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Im aktuellen „SZ Magazin“ outen sich 185 Schauspieler*innen öffentlich als schwul, lesbisch, bisexuell, trans*, non-binär oder queer. Mit der Initiative unter dem Hashtag #actout wollen sie mehr Sichtbarkeit und Anerkennung für vielfältige Lebensweisen in der Theater-, Film- und Fernsehbranche schaffen. „Bisher konnten wir in unserem Beruf mit unserem Privatleben nicht offen umgehen, ohne dabei berufliche Konsequenzen zu fürchten“ heißt es in dem dazugehörigen Manifest, welches in über 16 Sprachen übersetzt wurde.

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Viele der Mitglieder der Initiative hätten die Erfahrung gemacht, dass ihnen zum Beispiel von Caster*innen oder Regisseur*innen geraten worden sei, ihre sexuelle Orientierung oder ihr Gender geheimzuhalten, um die eigene Karriere nicht zu gefährden.

Unter den Personen findet sich unter anderem auch die Schauspielerin Ulrike Folkerts, auch bekannt mit ihrer Rolle als Tatortkommissarin Lena Odenthal.

Diversität sei in Deutschland schon längst gesellschaftlich gelebte Realität, schreibt die Gruppe. Dies werde aber noch nicht ausreichend in  Film und Fernsehen abgebildet. 

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Was ist der Unterschied zwischen bisexuell und queer? Und zwischen queer und pansexuell? Und zwischen pansexuell und polysexuell? Und ist das überhaupt wichtig? Und wenn ja: Warum?

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Der erste Unterschied zwischen queer sein auf der einen Seite, und bi-, pan-, oder polysexuell sein, auf der anderen, offenbart sich durch das Vorhandensein der Komponente „Sexualität“ in den Begriffen. Das heißt, dass Menschen, die sich als bi-, pan-, und polysexuell outen, damit erstmal nur Auskunft über ihre sexuelle Orientierung geben – nicht ihre geschlechtliche Identität. Während das zwar nicht bedeutet, dass bi-, pan-, und polysexuelle nicht auch queer sein können, so schließen diese Bezeichnungen nicht automatisch jede Person ein, die Geschlecht und Sexualität nicht „traditionell“ lebt – wie der Begriff queer es tut. Queer ist damit eine positive Selbstbezeichnung für Personen, die nicht heterosexuell und/oder cisgeschlechtlich sind. In diesem Zusammenhang kann „nicht heterosexuell“ entweder bedeuten nur Menschen des eigenen Geschlechts anziehend zu finden (homosexuell), oder mindestens zwei verschiedene Geschlechter zu begehren (bi-, pan-, und polysexuell). „Nicht cisgeschlechtlich sein“ als mögliches Element von Queer sein, bezieht sich wiederum auf die eigene Geschlechtsidentität und hat erstmal nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun, sondern besagt, dass sich eine Person nicht oder nur zum Teil zu dem Geschlecht zugehörig fühlt, welches ihr bei der Geburt zugewiesen wurde. Trans*, inter*, agender und nicht-binäre Personen bezeichnen sich daher oft auch als queer – jedoch nicht immer.

Und darin offenbart sich der zweite Unterschied zwischen queer sein und beispielsweise bi sein: Als eine Frage der Selbstidentifizierung und der Begriffe, die Menschen zur Verfügung stehen, wenn sie sich zur ihrer Sexualität oder Geschlechtsidentität outen wollen. In einem Gespräch zwischen zwei Journalistinnen des Online-Netzwerks Funk, von denen sich eine als queer und die andere als bisexuell bezeichnet, schildert die bisexuelle Journalistin, dass sie den Begriff queer gar nicht gekannt habe, als sie vor zehn Jahren begann sich in einem kleinen bayerischen Dorf als bi zu identifizieren. Dies bedeute für sie jedoch nicht, dass sie sich nur für Frauen und Männer interessiere - eine überholte Vorstellung und häufige Annahme der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft.

Und so geht aus diesem Gespräch der dritte Unterschied zwischen den verschiedenen Bezeichnungen hervor: Die Erfahrungen, die Menschen damit machen. So erzählt die queere Person in dem oben genannten Gespräch, dass ihr oft vorgeworfen werde, mit ihrer queeren Selbstbezeichnung nur für Aufmerksamkeit sorgen zu wollen; oder dass man ihr sage: „Du siehst ja gar nicht queer aus!“. Die bisexuelle Journalistin wiederum berichtet von sogenannter „Bi-Erasure“, auf Deutsch „Bi-Radierung“: Das Phänomen, dass bisexuellen Menschen häufig unterstellt wird, nur in der Übergangsphase zum Outing als schwul oder lesbisch sein, oder sich nicht entscheiden zu können und in einer „Phase“ zu sein.

So zeigt sich jedoch in den Unterschieden der oben genannten Bezeichnungen auch eine große Gemeinsamkeit, und zwar die Abweichung von „traditionellen“ Vorstellungen. Damit kann „queer“ eine Art Regenschirm-Begriff für alle darstellen, die sich nicht zur heteronormativen Mehrheitsgesellschaft zugehörig fühlen – sondern zu einer queeren Community.

Mehr Informationen und mehr Begriffe finden Sie in der Fibel Echte Vielfalt. 

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Noch immer werden Familien mit gleichgeschlechtlichen Elternpaaren rechtlich diskriminiert. Zwei Frauen gehen nun den rechtlichen Weg, um beide als Mütter in der Geburtsurkunde ihrer Tochter Paula eingetragen zu werden.

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Gesa Teichert-Akkermann und Verena Akkermann fordern, mit heterosexuellen Elternpaaren rechtlich gleichgestellt zu werden. Denn bei diesen wird der Vater automatisch in die Geburtsurkunde eingetragen, auch wenn eine biologische Vaterschaft nicht besteht, z.B. weil das Kind mit einer Samenspende entstanden ist. Homosexuelle Elternpaare müssen stattdessen nach der derzeitigen rechtlichen Regelung das lange dauernde Verfahren der Stiefkindadoption durchlaufen. Tochter Paula hat daher bisher rein rechtlich nur einen Elternteil.

Nach Ansicht der beiden Mütter ist Paula jedoch kein Adoptionskind, wie Verena Ackermann in einem Interview erläutert: „Wir haben uns von Anfang an gemeinsam für ein Kind entschieden. Sind jeden Schritt gemeinsam gegangen. Paula muss nicht adoptiert werden, denn sie hat mich und Gesa als ihre Mütter. Dass die Gesetze unseres Staates diese Tatsache nicht anerkennen, erleben wir als massive Diskriminierung und Ungleichbehandlung gegenüber heterosexuellen Paaren und Familien, dort fragt auch niemand nach der genetischen Elternschaft des Vaters.“

Gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für Freiheitsrechte kämpfen die beiden Frauen gegen ihre rechtliche Benachteiligung, von der vor allem auch Paula selbst betroffen ist.  Nach der Gesellschaft für Freiheitsrechte zeigen die Fälle wie dieser auf, wie Familien derzeit bei der Anerkennung ihrer Elternschaft diskriminiert würden. Doch es prägten vielfältige Familienkonstellationen die Gesellschaft – etwa 14.000 Kinder würden in Deutschland in nicht heterosexuellen Familien aufwachsen.

Das Oberlandesgericht Celle beschäftigte sich nun am 13.01. mit dem Fall in einer Anhörung, zuvor waren bereits Anträge in erster Instanz vor dem Amtsgericht abgewiesen worden. Die Anwältin der beiden Frauen, Lucy Chebout, äußerte sich nach der Anhörung  positiv: „Das war ein guter Tag! Das Oberlandesgericht Celle hat sich viel Zeit genommen, um die persönlichen und rechtlichen Dimensionen zu erörtern.“

Unter dem Hashtag #paulahatzweimamas kam es in den sozialen Medien, z.B. auf Twitter, zu zahlreichen Solidaritätsbekundungen. So schreibt zum Beispiel eine Twitter-Userin: „Wenn es in einer Familie zwei Mütter gibt, müssen sie rechtlich gleichbehandelt werden. Weil dies bisher nicht geschieht, signalisiert man gesellschaftlich, dass solche Familien "nicht richtig" sind. Das ist falsch, und das ist Diskriminierung.“

Eine umfassende Reform des Abstammungsrecht sei nach dem Bundesjustizministerium in Arbeit. So lange wollen das Paar und ihre Unterstützer*innen jedoch nicht warten:  "Es bleibt immer wieder bei Ankündigungen", kritisierte Gesa Teichert-Akkermann. "Wir vertrauen nicht darauf, dass uns der politische Prozess zu Recht verhilft. Bisher gab es nur Sonntagsreden, aber keine Anpassung der Gesetze."

Das Paar möchte den Rechtsweg weiter verfolgen – wenn notwendig mit einer Verfassungsbeschwerde.

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