Echte Vielfalt

Tausende von Menschen haben in dieser Woche versucht, aus Afghanistan zu fliehen, als die Taliban die Kontrolle über das Land erlangten, was am 15. August in der Hauptstadt Kabul seinen Höhepunkt fand. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden in diesem Jahr mindestens 400.000 Afghanen gewaltsam vertrieben - 250.000 allein seit Ende Mai. Das Schicksal gefährdeter Gruppen wie etwa führender Frauen, verfolgter religiöser Minderheiten und LGBTQI*-Personen bleibt unter dem neuen Regime unklar.

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Wie in vielen Konflikten sind LGBTQI*-Personen in Afghanistan in besonderer Weise gefährdet. Gleichgeschlechtliche Intimität wurde bereits unter der früheren afghanischen Regierung mit Gefängnishaft oder sogar mit dem Tod bestraft, und Aktivist*innen befürchten, dass LGBTQI*-Personen unter den Taliban noch stärker von Gewalt bedroht sein werden, und verweisen auf die strenge Auslegung der Scharia, mit der die Gruppe während ihrer Regierungszeit von 1996 bis 2001 regierte. Obwohl sich die heutigen Taliban als gemäßigter darstellen, sind viele Menschenrechtsgruppen weiterhin besorgt. Erst letzten Monat erklärte ein Taliban-Richter gegenüber der deutschen Boulevardzeitung Bild, dass homosexuelle Männer zu Tode geprügelt werden sollen.

Rainbow Railroad, eine weltweit tätige gemeinnützige Organisation, die LGBTQI*-Personen, die verfolgt werden, helfen will, bereitet sich darauf vor, LGBTQI*-Afghanen bei ihrem Fluchtversuch zu unterstützen. Die 2006 in Kanada gegründete Organisation hilft LGBTQI*-Personen, aus Ländern zu fliehen, in denen sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität unmittelbar bedroht sind. Die Gruppe beantwortet jedes Jahr über 3 000 Anfragen und hilft jährlich etwa 200 Menschen, die Grenzen zu überschreiten.

Rainbow Railroad hat in diesem Jahr bereits 50 Hilfegesuche von Menschen aus Afghanistan erhalten und rechnet in naher Zukunft mit einem weiteren Anstieg. Das US-Amerikanische TIME Magazin sprach mit Kimahli Powell, der Geschäftsführerin von Rainbow Railroad, über die aktuelle Situation von LGBTQI* in Afghanistan.

Auf die Frage, ob Rainbow Railroad daran arbeite, allen zu helfen, die derzeit versuchen, Afghanistan zu verlassen, erklärte Powell, dass LGBTQI*-Organisationen in Afghanistan aus verschiedenen Gründen sehr eingeschränkt seien, unter anderem, weil sich das Land in einem ständigen Kriegszustand befindet und einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen kriminalisiert werden. Es gäbe nur wenige Menschenrechtsverteidiger, an die man sich wenden könne, und es gäbe nur wenige Organisationen, die Unterstützung anbieten. Das ist der Kontext, in dem Rainbow Railroad in der Region tätig ist. Wichtige Partnerschaften seien jedoch für Rainbow Railroad von großer Bedeutung, um gefährdete Menschen zu identifizieren, denn es sei wirklich schwierig, Afghan*innen zu finden, die bereit seien, überhaupt das Risiko einzugehen, sich im Internet als Mitglieder der LGBTQ-Gemeinschaft zu outen. Trotzdem erhalte Powells Organisation immer wieder Hilfesuchen aus Afghanistan, allein in diesem Jahr seien es mindestens 50 gewesen, meisten Anfragen von Einzelpersonen. Man gehe jedoch davon aus, dass es in den kommenden Wochen und Monaten noch viele weitere geben wird. Um zu versuchen, mehr Menschen zu erreichen, stütze man sich derzeit auf das weitreichende internationale Netzwerk und Kontakte im Land.

Doch die Situation sei sehr instabil, so Powell: „Wenn ich sage, dass wir mit einem sprunghaften Anstieg der Anfragen rechnen, dann meine ich damit, dass in den kommenden Tagen und Wochen die Menschen versuchen werden, sich auf jede erdenkliche Weise an uns zu wenden, und dass wir auf der Suche nach Lösungen sein werden“.

Im Moment sei die Situation für queere Menschen in Afghanistan unklar, da die Taliban die Macht übernommen haben. Doch schon im Gesetz der vorherigen Regierung wurde einvernehmliches gleichgeschlechtliches Handeln kriminalisiert. Dies habe, so Powell, zu einer Kultur der Belästigung und Gewalt durch die Polizei sowie zu einer Kultur der Diskriminierung geführt. Die Menschen hätten keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten und würden ihre Arbeitsstellen verlieren, wenn sie sich outen. LGBTQ-Personen könnten nicht melden, wenn sie diskriminiert, angegriffen, vergewaltigt oder verhaftet werden. So seien LGBTQI* schon vor der Machtergreifung der Taliban dieser Art von Diskriminierung ausgesetzt gewesen. Nun sorgt Powell sich, angesichts der Trends im Nahen Osten und in Nordafrika, dass Queerfeindlichkeit unter diesem Regime noch zunehmen würden.

Doch für die Afghan*innen, die flüchten und sich im Ausland neu ansiedeln werden können, gilt, dass sie die Unterstützung von Gemeinschaften brauchen, insbesondere von LGBTQ-Gemeinschaften. „Sie brauchen Zugang zu Wohnraum, sie brauchen Zugang zu emotionaler und psychischer Unterstützung, sie brauchen Zugang zu Ressourcen. Ich denke, das ist die Chance, die Einzelpersonen, Zivilgesellschaften und Regierungen bieten können“.

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Zurzeit lädt in Hamburg ein Plakat der GRÜNEN Hamburg-Nord mit dem Titel „Nach der Ehe für alle: Brauchen wir den CSD noch?“ zu einem Online-Diskussionsabend ein. Wie die Partei selbst beschreibt, ist die „zugespitzte Frage“ eine, „die wahrscheinlich jeder Mensch mit LGBTIQ*-Hintergrund schon gehört hat“. In diesem Artikel geht es darum, warum wir auch nach der Ehe für alle noch ganz klar Pride beziehungsweise einen CSD in Deutschland brauchen.

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In einer aktuellen Studie, die Europäische Länder nach ihrer LSBTIQ*-Freundlichkeit einstuft, ist Deutschland auf Platz 16 von 49 gelandet – und damit nicht einmal unter dem besten Viertel vertreten. Eine höhere Einstufung wurde dabei vor Allem wegen Fällen von Diskriminierung und Hass-Rede verhindert.

Wie eine trans Frau in einem Video der Deutschen Welle schildert, gäbe es noch viele Gebiete in Deutschland (vor Allem im ländlichen Raum) wo es „unglaublich schwer“ sei offen queer zu leben ohne Diskriminierung zu erfahren. In diesen Gegenden bestünden noch „sehr, sehr starke Normen, gerade in Hinblick auf Geschlecht“. Ein schwuler Mann erklärt in demselben Video: „So lange ein 14-jähriger Junge auf dem Land noch Angst haben muss sich zu outen, brauchen wir Pride“.

Doch nicht nur auf dem Land, sondern auch in (Groß-)Städten, welche oft als offener gelten, besteht noch Luft nach oben was die Akzeptanz, Rechte und Repräsentation queerer Menschen angeht. So erzählt ein Demonstrant in einem Queer.de-Vlog über die Marzahn-Pride 2021: „In Marzahn zu leben als Homosexueller ist manchmal echt 'ne Tortur, da der Großteil der Bevölkerung in Marzahn-Hellersdorf leider sehr homophob und rechts angehaucht ist“ – er meide den Stadtteil deswegen. Auch in anderen Berliner Stadtteilen (unter anderem Kreuzberg) ereigneten sich erst letzte Woche, wie echte-vielfalt.de berichtete, homofeindliche Angriffe auf einen Mann und auf ein lesbisches Paar.

Die Frage danach, ob es in Deutschland noch Pride brauche, lässt sich folglich unschwer bejahen. Auf der einen Seite, weil es, wie die obigen Schilderungen und Ereignisse zeigen, noch eine deutliche Verbesserung im Bereich der gesellschaftlichen Akzeptanz und Wertschätzung queerer Menschen braucht. Darüber hinaus ist die Ehe für Alle nur eine Errungenschaft unter einer Reihe von Rechten, die es noch zu reformieren gilt: So gibt es in Deutschland noch immer ein Blutspende-Verbot für schwule Männer, und das veraltete sogenannte „Transsexuellen-Gesetz“ wurde auch in dieser Legislatur-Periode nicht wie versprochen reformiert. Es zwingt trans Personen für die rechtliche Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität immer noch Gutachten vorzuweisen, die bestätigen, dass sie wirklich trans* sind. Es lassen sich also viele politische Gründe finden, für die es sich absolut lohnt, an Pride noch auf die Straße zu gehen und für eine queer-freundlichere Welt zu demonstrieren. Wichtig ist jedoch auch, dass queere Menschen durch Pride auch weiterhin einen Raum haben, indem ihre Existenz explizit anerkannt und gefeiert wird. Solange das für sie nicht wie für heteronormative Mehrheitsgesellschaft zum Alltag gehört, braucht es, selbst nach allen möglichen politischen und rechtlichen Errungenschaften, Pride in Deutschland – und auf der ganzen Welt.

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Am vergangenen Montag musste der erste Pride-Umzug in der georgischen Hauptstadt Tbilisi wegen homofeindlicher Angriffe von den Organisator*innen abgesagt werden. Samstagnacht ist in der spanischen Stadt A Coruña der 24-Jährige schwule Samuel Luiz von mehreren Menschen tödlich attackiert worden. In derselben Nacht wurde ein lesbisches Paar in Kreuzberg von einem Mann angespuckt, und ein 26-Jähriger meldete in Biesdorf von fünf ihm unbekannten Personen zu Boden gestoßen und getreten worden zu sein, während sie ihn homophob beleidigten. Wird über diese Ungerechtigkeiten genug berichtet?

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Als Freund*innen des an seinen Verletzungen verstorbenen Samuel Luiz Alarm schlugen, dass Luiz Tod durch Homofeindlichkeit ausgelöst worden war, entfachte dies Proteste in Madrid und Barcelona, in denen die Demonstrierenden Gerechtigkeit für Luiz forderten und dabei Schilder hielten wie: „Wie sie dich nennen, während sie dich umbringen, hat Bedeutung“. Dabei bezogen sie sich darauf, dass Luiz während des Angriffs auf ihn homofeindlich beleidigt worden war. Denn obwohl die spanische Polizei bereits sechs Tatverdächtige (darunter zwei Minderjährige) verhaftet hat, hat sie den Angriff noch nicht als homofeindlich benannt. Die Berliner Polizei hingegen macht mögliche Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gezielt in ihren Berichten publik und meldet diese daher vergleichsweise häufig der Öffentlichkeit. In Georgien wiederum konnten Organisator*innen des Pride-Umzuges nicht hinreichend auf Schutz durch die Polizei vertrauen, um eine Veranstaltung, die das Existenzrecht von LGBTQ+ eigentlich explizit feiert, durchführen zu können.

So unterschiedlich der Umgang damit, gemein haben solche Angriffe jedoch, neben ihrer Unmenschlichkeit, dass oft nicht hinreichend über sie berichtet wird. Zwar hat der Tod von Samuel Luiz sogar über Spanien hinaus zurecht eine große Medienwelle ausgelöst, so könne jedoch der zynische Eindruck entstehen, es „müsse“ zu einem Tod in einem EU-Mitgliedsstaat kommen, bis über homofeindliche Angriffe so berichtet wird, wie sie es verdient hätten. Denn so schrecklich der Tod von Samuel Luiz ist, so reiht seine Ursache sich in eine Vielzahl homofeindlicher Hassverbrechen ein, über die je nach Härtegrad und Ereignisort mal mehr und mal weniger gesprochen wird. Entscheidend wäre jedoch ein breiterer und stetigerer Blick der Politik, Presse, und Gesellschaft darauf, dass LGBTQ+ regelmäßig verschiedenen Graden homofeindlicher Diskriminierung und Angriffe ausgesetzt sind, die, wie sich in Spanien zeigte, tödlich enden können. Denn würde man den Blick auf jede Form dieser Angriffe, ihrer Ursachen und Konsequenzen, und vor Allem auf mögliche Präventionsmaßnahmen – wie queere Bildungsarbeit – richten, entstünde womöglich das Potential für eine Gesellschaft, in der queere Menschen nicht nur über ihre tödliche Diskriminierung hinweg repräsentiert wären, sondern diese Diskriminierung im besten Fall langfristig auch weniger zu befürchten hätten.

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Nachdem Menschen bei einem Pride-Marsch in Istanbul verhaftet wurden und die Polizei Tränengas einsetzte, und nun die Türkei offiziell aus der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen ausgetreten ist, sind in der Stadt erneut Proteste entbrannt. Das Regime von Recep Tayyip Erdogan hatte den Austritt aus der zehn Jahre alten Übereinkunft mit der homofeindlichen Ablehnung von Homosexuellenrechten begründet.

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2011 wurde die Konvention vom Europarat in gerade der Stadt, die nun nicht mehr von ihr geschützt ist, entworfen. Sie zielt durch Legislatur, Bildung, und die Steigerung von Bewusstsein darauf ab, ein Rahmenwerk für den Schutz von Frauen und den Fortschritt von Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen. Sie wurde von 45 Europäischen Ländern und der EU als Institution unterschrieben. Nun wird die Konvention von vielen Konservativen in der Türkei für eine Bedrohung von Familienstrukturen gehalten, da sie das Prinzip der Nicht-Diskriminierung auf Basis sexueller Orientierung enthält. Wörtlich übersetzt hatte Ankara im März mitgeteilt: „Die Istanbul-Konvention sollte ursprünglich Frauenrechte stärken, wurde aber von einer Gruppe von Leuten gekapert, die Homosexualität normalisieren wollen – diese ist inkompatibel mit den gesellschaftlichen und Familienwerten der Türkei“.

Erdogan selbst verteidigte den Austritt mit der Begründung, dass türkische Legislatur ohnehin schon Gesetze gegen Gewalt enthalte und es dabei keine Religionsfeindliche, Geschlechtsspezifische, oder rassistische Unterscheidungen gäbe – sexuelle Orientierung erwähnte er hierbei jedoch nicht. Außerdem, so Erdogan: „Unser Kampf gegen Gewalt an Frauen hat nicht mit der Istanbul Konvention begonnen und wird auch nicht mit dem Austritt enden“.

Kritiker*innen befürchten jedoch doch, dass die ohnehin schon prävalente Gewalt an Frauen in der Türkei nun weiter ansteigen wird. Wie die Deutsche Welle berichtete gingen also am Donnerstag tausende Menschen in der Türkei auf die Straßen, um gegen den Austritt zu protestieren und hielten dabei Schilder wie: „Wir geben die Istanbul-Konvention nicht auf. Für uns ist es noch nicht vorbei”. Manche der Demonstrierenden riefen “Wir sind nicht stumm, wir haben keine Angst, wir gehorchen nicht!“. Später am Abend setzte die Polizei jedoch Tränengas ein, um die Menge aufzulösen.

Früher in der Woche hatte ein türkisches Gericht einen Einspruch gegen den Austritt aus der Konvention abgelehnt. Drei Oppositionsparteien hatten sich am Donnerstag aus einer parlamentarischen Kommission zurückgezogen, um gegen den Austritt zu protestieren. Der Rückzug aus der Konvention wurde auch von mehreren Menschenrechtsgruppen verurteilt. So warnte Agnes Callamard, Amnesty Internationals Generalsekretärin, dass der Austritt eine „leichtsinnige und gefährliche Nachricht“ sende, da Täter (selten auch Täterinnen) Bestrafung und Verurteilung vermeiden könnten. „Die Türkei hat die Uhr für Frauenrechte zehn Jahre zurückgedreht“, twitterte Callamard. Canan Gullu, Präsidentin der Föderation türkischer Frauen Vereinigungen, sagte, dass sich die Türkei „mit der Entscheidung selbst in den Fuß schießt“. Vom Sprecher des US-Außenministeriums wurde der Rückzug als “zutiefst enttäuschend” und als Rückschritt für die Internationalen Bemühungen gegen Gewalt an Frauen bezeichnet. Laut der Frauenrechtsgruppe “Wir werden Femizide stoppen” (Kadin Cinayetlerini Durduracağiz) wurden letztes Jahr in der Türkei mehr als 300 Frauen von Partnern, Familienmitgliedern, oder anderen ihnen nahestehenden Personen ermordet.

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Trotz des Backlashs gegen LSBTIQ*-Rechte in Polen und Ungarn sind am Samstag in Warschau zur Feier von Pride tausende von Menschen auf die Straße gegangen und haben ein Ende von Diskriminierung gefordert. Die Veranstalter*innen sagten, dass dies zeige: „Wir werden nicht aufgeben“.

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Die „Equality Parade“ in Warschau gilt als eine der größten Pride-Paraden in Zentral- und Ost-Europa und kam zu einer Zeit, in der die Sorge um die Zukunft von LSBTIQ*-Rechten in Polen und Ungarn steigt. Während die Parade wegen der Corona-Restriktionen kleiner ausfiel als sonst, so konnte sie in diesem Jahr zumindest wieder stattfinden – und wurde von Warschaus Bürgermeister Rafal Trzaskowski angeführt, wodurch der liberale Politiker seine Unterstützung für die LSBTIQ*-Community zeigte.

Doch während die Akzeptanz von LSBTIQ*s in Großstädten wie Warschau tendenziell höher ist, ist Homofeindlichkeit in Polen ein großes Problem, gerade in ruralen Regionen erfahren queere Menschen viel Hass und Diskriminierung. Dazu sind homo-Partnerschaften und -Ehen in Polen nicht erlaubt, und sowohl der regierenden PiS-Partei als auch der Katholischen Kirche können homofeindliche Hetze vorgeworfen werden. Kritisiert wurde auch der amtierende Präsident Andrzej Duda für seine Aussage, dass „LGBT“ keine Menschen seien, sondern eine Ideologie, die noch destruktiver als der Kommunismus sei (ein Kommunismus, der in Zentral- und Ost-Europa zu unzähligen Toten führte). Darüber hinaus erklärten sich 2020 mehrere Städte zu “LGBT-Ideologie-freien Zonen“ – was von der EU zwar verurteilt wurde, aber an der Situation im Land nichts änderte.

So folgt die positive Nachricht der großen Demonstration dicht auf das Gesetz, welches am Dienstag in Ungarn erlassen wurde und LSBTIQ*-„bewerbende“-Inhalte für Minderjährige verbietet – und unterstreicht die Wichtigkeit dieses Protests, aber auch die Notwendigkeit der EU einzugreifen, wenn sie ihren eigenen Werten noch entsprechen können will.

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Jeden Juni ist Pride Month („Stolz Monat“), ein Monat, indem weltweit LSBTQI+ Communities zusammenkommen und die Freiheit feiern, sie selbst sein zu können – oder gegen die Unfreiheit dies zu tun, protestieren. Auch während einer Pandemie geht es dabei um Sichtbarkeit und Gemeinschaft. Aber woher kommt dieser Monat eigentlich?

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Pride Versammlungen sind in den mühsamen Geschichten unterdrückter Gruppen verwurzelt, die seit Jahrhunderten darum kämpfen von der Gesellschaft akzeptiert zu werden und Vorurteile zu überwinden.

Warum im Juni?

Die ursprünglichen Organisator*innen wählten diesen Monat, um die Stonewall-Aufstände im Juni 1969 in New York City zu ehren, welche unter anderem die moderne Gay Rights („Schwule/Lesbische Rechte“) Bewegung entfacht haben. Bei den Stonewall-Aufständen veranstaltete die Polizei in den frühen Stunden des 28. Junis eine Razzia in der Schwulenbar „Stonewall Inn“, und begann Kund*innen nach draußen zu schleppen. Als diese sich der Verhaftung widersetzten und eine Gruppe von Unbeteiligten begann, die Polizei mit Flaschen und Münzen zu bewerfen eskalierten die Spannungen schnell. New Yorks schwule und lesbische Community, die seit Jahren von der Polizei schikaniert worden war, brach in Nachbarschaftsaufständen aus, die drei Tage lang anhielten. So wurden sie zu einem Katalysator für aufstrebende Gay Rights Bewegungen, indem sich Organisationen wie die Gay Liberation Front und die Gay Activists Alliance formierten, modelliert nach der Bürgerrechtsbewegung und der Frauenrechtsbewegung. Mitglieder veranstalteten Proteste, trafen sich mit Politiker*innen und unterbrachen öffentliche Veranstaltungen um dieselben Politiker*innen zum Handeln zu bringen. Ein Jahr nach den Stonewall-Aufständen fanden in den USA die ersten Gay Pride Märsche statt. 2016 wurde der Bereich um das Stonewall-Inn als nationales Monument gekürt. Daher finden bis heute noch die meisten Pride Veranstaltungen im Juni statt, wobei es natürlich Ausnahmen gibt. Im Jahr 2020 wurden viele dieser Veranstaltungen wegen der Pandemie abgesagt, aber Umzüge und andere Feierlichkeiten werden dieses Jahr in Hamburg, Berlin, und vielen anderen Städten höchstwahrscheinlich wieder stattfinden.

Woher kommt der Name und die Flagge?

Der Name „Pride“ wird Brenda Howard, einer bisexuellen New Yorker Aktivistin zugeschrieben, deren Spitzname die „Mutter von Pride“ ist. Sie organisierte den ersten Pride Umzug, um dem Jahrestag des Stonewall-Aufstandes zu gedenken. Die Pride-Flagge wurde 1978 von dem Künstler und Designer Gilbert Baker entworfen, der von Harvey Milk – einem der ersten offen schwulen Politikern in den USA – beauftragt wurde eine Flagge für die Pride-Feiern zu entwerfen. Baker, ein prominenter Gay Rights Aktivist, orientierte sich dabei an den Streifen der US-Amerikanischen Flagge, nutzte jedoch die Farben des Regenbogens, um die vielen verschiedenen Gruppen innerhalb der Community zu reflektieren.

Wer darf bei Pride mitfeiern?

Pride wird von Menschen zelebriert, deren sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität nicht automatisch von der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft gefeiert wird. Weil Cis-Geschlechtlichkeit, hetero-Liebe, und hetero-Sex in der Mehrheitsgesellschaft als richtig gelten, und diese Orientierungen und Identitäten ständig in den Mainstream-Medien gezeigt werden, braucht es deshalb auch keinen „Straight Pride Month“ (Hetero-Stolz Monat). Das bedeutet jedoch nicht, dass Cis-hetero Menschen nicht auch als Verbündete an den Veranstaltungen teilnehmen können – indem sie Freund*innen begleiten und sie feiern, zuhören und lernen, oder sich bei einer Gruppe freiwillig engagieren.

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Der 21-jährige Mann, der im Oktober 2020 aus homofeindlichen Motiven ein schwules Paar in Dresden erstach, ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er war zuvor gerade aus der Jugendhaft entlassen worden, wo er gehalten worden war, weil er einen Angriff geplant und den Islamischen Staat unterstützt hatte.

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Sieben Monate nach seiner Attacke, die für einen der zwei angegriffenen Männer tödlich endete, wurde er vom Dresdner Landgericht für Mord schuldig gesprochen – und zu einem Leben in Haft verurteilt. Er war davor von Ermittler*innen als islamistische Bedrohung klassifiziert worden, weswegen die Staatsanwält*innen von dem Motiv einer religiös-motivierten Homofeindlichkeit sprachen.

Nachdem der Täter aus der Jugendhaft entlassen worden war, hatte er sich zwei neue Küchenmesser im Supermarkt gekauft, mit denen er sich auf die Mission machte, „Ungläubige zu töten“ – eine halbe Stunde später hatte er seine Opfer gefunden. Er stach beide Männer in den Rücken, einer von ihnen überlebte. Der Täter offenbarte, dass er aufgrund der schwulen Sexualität der Männer gehandelt habe – diese habe er als „schwere Sünde“ empfunden und wollte sie deswegen mit dem Tod bestrafen.

Bevor er aus der Jugendhaft entlassen worden war, war er als Hochrisiko Täter klassifiziert worden, was bei den Familien der Opfer Fragen danach, ob die Tat hätte verhindert werden können, auslöste. Seine Verteidigungs-Anwält*innen räumten ein, dass die Gefängnis-Autoritäten ihm erlaubt hätten sich zu radikalisieren, indem sie ihm keine religiöse Beratung anboten und ihn isolierten.

So wirft das schreckliche Ereignis eine allgemeinere Frage danach auf, wie mit radikal-islamischen Einstellungen Zugewanderter im besten Fall umgegangen wird. Deutlich scheint jedoch, dass ein einfaches Wegsperren keine Lösung für religiös-motivierte Homofeindlichkeit ist.

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Am vergangenen Montag, den 10. Mai, kündigten katholische Seelsorger und Priester an, in ganz Deutschland erstmals queere Paare zu segnen. Schon vor sieben Uhr morgens begann ein Priester in München damit – doch zu dieser frühen Stunde hatte es auch schon Einspruch gegeben. In Würzburg wurde am Sonntagnachmittag ein großes Regenbogen-Banner heruntergerissen, worauf stand: „Wir können doch gar nicht anders als segnen“. In Wuppertal stellten sich Demonstrierende mit einem Plakat mit der Aufschrift „Kein Segen für die Sünde“ vor der Kirche auf. Doch queere paare wehren sich: „Wir wollen unsere Liebe nicht als Sünde bezeichnen lassen“.

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Und endlich wollen dies auch einige Seelsorger und Priester nicht mehr: So berichtet die Süddeutsche Zeitung von einer „Rebellion gegen Rom“, nämlich einer Unterschriftensammlung gegen das Segnungspapier der römischen Glaubenskongregation, welches die Segnung homosexueller Paare verbietet. Hierbei kamen, unter anderem mit Hilfe der katholischen Frauenbewegung Maria 2.0, in kürzester Zeit 2600 Unterschriften von Klerikern und Mitgliedern aller pastoralen Berufe zusammen.

Damit stellt die Widerstands-Aktion gegen Rom eine der deutlichsten Zeichen seit langem dar, weswegen vor den Gottesdiensten auch Einspruch und sogar Drohungen eingingen: Eine Mail einem Absender namens „Zorn Gottes“, eine, die ankündigt, im Gottesdienst laut einen "Kampfrosenkranz" beten zu werden. Die als Gegenbewegung gegründete Gruppe „Maria 1.0“, appellierte an die Bischöfe, „durchzugreifen“ und rief „alle Katholiken und Menschen guten Willens“ dazu auf, an diesem 10. Mai den Rosenkranz zu beten. Und letztlich kursieren auf erzkonservativen katholischen Internetportalen bereits Muster-Formbriefe, in die nur noch der Name des betreffenden Priesters eingesetzt werden muss, um ihn an den Bischof oder direkt an den Vatikan zu melden.

Die Hoffnung ist jedoch, dass die Vielzahl der Gottesdienste die einzelnen Priester schützen werde, so Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose. Er hoffe, dass sich die Bischöfe trotz der „Verstöße“ gegen das römische Segnungspapier zurückhalten, denn wer auf eine Segnung queerer Paare mit disziplinarischen Maßnahmen reagiere, enttarne sich – als was, sagt Hose nicht, doch es lässt sich vermuten – als homofeindlich.

Und das, obwohl vor der Kirche steht „Mein Gott liebt alle Menschen“ und im Johannesevangelium: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe.“ Als Priester Wolfgang Rothe daraus vorlas und an den Altar einlud, war es „sehr berührend“, so eine der Frauen, die an diesem Tag gesegnet wurde: „Wir wollen unsere Liebe nicht als Sünde bezeichnen lassen, wir wollen uns nicht mehr ausgrenzen lassen.“

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Die Sichtbarkeit von queeren Menschen in Medien wie Film und Fernsehen ist ein wiederkehrendes Thema in der LSBTIQ-Community. Schließlich prägen Medien auch das Bild von queeren Personen in der Öffentlichkeit.

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Mediale Darstellungen können Stereotype reproduzieren, oder für mehr Akzeptanz sorgen. Doch in vielen Fernsehformaten zum Beispiel spielen queere Menschen sprichwörtlich kaum eine Rolle. Der LSVD teilte 2019 zur Darstellung Nicht-heterosexueller Menschen im Fernsehen mit: „Die Lebensrealität von Lesben, Schwulen und Trans kommt so gut wie gar nicht vor“. Dabei gehe es neben der Frage der Sichtbarkeit auch darum, wann und wie queere Themen und Personen, etwas zum Beispiel erst spät abends, gesendet würden.

Sofern queere Figuren auftreten, ist auch von Bedeutung, wie diese dargestellt werden. „Homosexualität wird fast ausschließlich als Problem erzählt, gesellschaftliche Diskriminierung, Inakzeptanz und so weiter. Protagonisten, die schwul sind, in Geschichten, in denen es nicht thematisch um Homosexualität geht, dazu fällt mir im deutschen Fernsehen nichts ein“ kritisiert in diesem Zusammenhang der Drehbuchautor Christoph Darnstädt.

Den Repräsentation queerer Figuren in Hollywood Filmen untersucht die LSBTIQ-Organisation GLAAD mit ihrem "Studio Responsibility Index". So sei der Anteil von Filmen mit queeren Rollen von 2018 auf 2019 leicht gestiegen. 18,6 Prozent der Filme der großen Filmstudios seien mit queeren Charakteren besetzt gewesen. Trotz des Anstiegs kritisiert GLAAD, dass es innerhalb der queeren Figuren an Vielfalt fehle. Bei 68 Prozent der Filme mit queeren Figuren seien schwule Männer aufgetreten, Lesben waren nur mit 36 Prozent Anteil vertreten. „Film hat die Macht, das Publikum auf der ganzen Welt zu erziehen, aufzuklären und zu unterhalten. In dem heutigen politischen und kulturellen Umfeld müssen wir vorrangig LGBTQ-Geschichten und die Geschichten aller marginalisierten Menschen erzählen“ sagt Sarah Kate Ellis, so die Präsidentin der Organisation GLAAD zu den Ergebnissen.

Mehr queere und diverse Charaktere als im deutschen Fernsehen oder Hollywood-Produktionen gibt es bei Streaming-Angeboten wie etwa Netflix. Die erfolgreiche Frauengefängnisserie „Orange is the new black“ hat gleich mehrere Figuren, die auf Frauen stehen sowie eine trans Person in ihrer Handlung. In der Serie Sex Education ist der schwule und schwarze Mensch Eric in einer der Hauptrollen zu sehen. Die Doku-Serie "Visible: Out on Television" bei Apple TV+ zeichnet die Geschichte queerer Serien und Serienfiguren nach.

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Die Coronapandemie durchzieht alle gesellschaftlichen Bereiche und verstärkt hier oftmals soziale Probleme und sozialökonomische Ungleichheiten. Benachteiligte Gruppen sind besonders von der Pandemie betroffen, da sie weniger Ressourcen haben, um mit den Auswirkungen umzugehen.

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Wie eine Studie der Charité vor Kurzem ermittelte, sind LSBTIQ stärker von den Veränderungen und Einschränkungen durch Corona betroffen. Die gerade erschienene Broschüre der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, des Bundesverband Trans*, des Vereins Intergeschlechtliche Menschen e.V. und des Lesben- und Schwulenverbandes mit dem Titel „Auswirkungen der Coronapandemie auf lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche, queere und asexuelle Personen in Deutschland“  widmet sich ebenfalls diesem Thema.

Die vom Bundesfamilienministerium mitfinanzierte 40-seitige Broschüre enthält Informationen, die auf  Fachgesprächen mit Expert*innen sowie einer Befragung von LSBTIQ-Organisationen und Initiativen basieren. Dabei wurden vier Themenbereiche identifiziert: Communitystrukturen, Gesundheit, Lockdown und Kontaktbeschränkungen sowie gesellschaftliche Debatten und Agenda Setting.

Mit der Broschüre sollen unter anderem Entscheidungsträger*innen in Politik und motiviert werden, die Auswirkungen der Pandemie auf unterschiedliche Gruppen in den Blick zu nehmen. Es gelte, so die Herausgeber*innen, mit LSBTIQ-Communityvertreter*innen ins Gespräch zu kommen und mit ihnen kurz- und langfristige Lösungsansätze zu erarbeiten.

Im Folgenden sollen zentrale Ergebnisse der Broschüre kurz dargestellt werden:

Wie die Broschüre im Abschnitt „Communitystrukturen“ herausstellt, sind durch die Coronapandemie Schutzräume und Anlaufstellen für LSBTIQ geschlossen. Beratungs- und Selbsthilfeangebote sind nur eingeschränkt verfügbar, und viele Organisationen fürchteten, dass ihre finanzielle Förderung gekürzt werde.

Die Gesundheitssituation queerer Menschen hat sich durch die Pandemie verschärft. Insbesondere trans und intergeschlechtliche Menschen werden in der Gesundheitsversorgung nach wie vor stigmatisiert.

Lockdown und Kontaktbeschränkungen: LSBTIQ-Personen mussten den Lockdown mitunter mit Familienmitgliedern verbringen, von denen sie abgelehnt oder diskriminiert werden. Durch das Verbot von Sexarbeit waren insbesondere auch queere Sexarbeiter*innen betroffen, die durch das staatliche Hilfesystem fielen. In Einrichtungen für geflüchtete und wohnungslose Personen ist ein Rückzug ins Private kaum möglich. Gerade in solchen Räumen erfahren queere Menschen häufig Gewalt und Diskriminierung.

Ausnahmen für die strengen Kontaktbeschränkungen werden hauptsächlich für Familien und Paarbeziehungen gemacht, wird in der Broschüre im Abschnitt Debatten und Agenda Setting festgestellt wird. Menschen in anderen Lebens- und Familienformen jenseits der heterosexuellen Kleinfamilie werden benachteiligt und geraten aus dem Blick. Zudem verfestigen sich traditionelle Geschlechterverhältnisse. Die gesellschaftliche Verunsicherung werde zudem von rechten Bewegungen genutzt, um gegen Diversität Stimmung zu machen und Verschwörungsideologien zu verbreiten.

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