Echte Vielfalt

LSBTIQ

„Deutlicher Anstieg der Verfahren wegen Hasskriminalität im Internet“ – Dies geht aus der „Jahrespresseerklärung 2023“ vom 17. Mai 2024 der Generalstaatsanwaltschaft für das Land Schleswig-Holstein hervor.

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Demnach stieg die Anzahl der „Verfahren wegen Hasskriminalität im Internet“ deutlich. So wurden 59 statt zuvor 36 neue Verfahren aufgrund eines möglichen antisemitischen Hintergrunds eingeleitet, „die Anzahl der registrierten Verfahren, die eine Straftat aufgrund der sexuellen Orientierung des Opfers (z. B. LGBTIQ*) zum Gegenstand hatten, [stieg auf] 36.“ Leider wurde dabei nicht angegeben, von welchem Niveau dieser Anstieg ausging.

Dies klingt zunächst nicht sehr positiv. Schaut man allerdings auf den Wortlaut, so sagen die Zahlen etwas über den Anstieg der „Verfahren“ – also der Taten, die als mögliche Straftaten wahrgenommen und verfolgt wurden – und nichts über die Fälle selbst. Dies kann natürlich daran liegen, dass es mehr potenzielle Fälle gibt, es könnte aber auch daran liegen, dass die Polizei in Schleswig-Holstein genauer hinsieht.

Für Letzteres spräche eine Stellungnahme der Polizeigewerkschaft in Schleswig-Holstein vom 15. Februar 2024. Darin heißt es: „Landespolizei und auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind Mitglieder im ‚Bündnis für Vielfalt‘ und stehen damit zu den Inhalten der ‚Lübecker Erklärung für Akzeptanz und Respekt‘. Damit bekennen sich die Landespolizei und die GdP ausdrücklich zu Vielfalt und Toleranz und positionieren sich gleichzeitig gegen jegliche Form der Ausgrenzung und Diskriminierung. [Damit] verpflichteten sich die Landespolizei und die GdP mit der Unterzeichnung, jeglicher Form von Diskriminierung entgegenzutreten und sich für die Anerkennung und den Respekt von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter* und pansexuellen Mitmenschen zu engagieren. Gesellschaftliches und politisches Engagement gegen Rassismus und für unsere Demokratie sowie Bildungs-, Aus- und Fortbildungsangebote und -informationen unterstützen wir ausdrücklich.“

Diese Haltung ist nur zu befürworten und lässt hoffen, vor allem, da sie ihren Wert nur entfalten kann, wenn sie durch eben jene „Aus- und Fortbildungsangebote“ auch in die einzelnen Ebenen der Institutionen wie der Polizei, aber auch anderer Behörden, Einzug hält. Sollte die Zunahme der Verfahren gegen Hasskriminalität im Internet, die sich gegen LGBTIQ* Personen richten, also tatsächlich ein Indikator für ein genaueres Hinschauen sein, wäre das eine gute Nachricht. Aber auch wenn es nicht so sein sollte und die Hasskriminalität tatsächlich zugenommen hat, ist das öffentliche Bekenntnis durch die Stellungnahme umso begrüßenswerter, die Aus- und Fortbildungen umso notwendiger und die explizite Haltung der Polizei in SH umso bedeutsamer.

Bild von Gordon Johnson auf Pixabay

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Mit der Wiederwahl von Donald Trump am 6. November 2024 zeichnen sich erhebliche Rückschläge für die Rechte der LGBTIQ*-Gemeinschaft ab. In seiner ersten Amtszeit setzte Trump bereits Maßnahmen um, die den Schutz und die Anerkennung von LGBTIQ*-Rechten einschränkten. Nun könnte er diese Politik weiter verschärfen, was zu einer ernsthaften Gefährdung der Rechte und Freiheiten führen könnte, die LGBTIQ*-Personen in den letzten Jahren erkämpft haben.

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Laut Angaben von The Pink News hatte Trump bereits im Vorfeld angekündigt, dass er im Falle einer Wiederwahl entschlossen sei, alle Programme der Bundesregierung zu beenden, die Geschlechtsumwandlungen fördern, und das Recht von Trans-Personen auf geschlechtskonforme medizinische Versorgung zu untergraben. Einen Einstieg in das Thema bietet unser Artikel: „Medizinische Versorgung von LGBTQ* in den USA: Dunkle Aussichten…

Weiter heißt es: Arbeitgeber*innen könnten wieder das Recht erhalten, LGBTIQ*-Mitarbeitende aufgrund „religiöser Überzeugungen“ zu diskriminieren. Daran anschließend könnte die Regierung verhindern, dass staatliche und lokale Behörden Antidiskriminierungsgesetze durchsetzen, wenn die Diskriminierung auf religiösen Überzeugungen basiert. Damit würden die Republikaner einen Bruch mit der Säkularisierung zwischen Religion und (Arbeits-)Politik herbeiführen – etwas, das aus westlicher Sicht ansonsten islamischen Staaten vorgeworfen wurde. Auch das Thema, ob Trans-Personen vom Militärdienst ausgeschlossen werden, steht erneut zur Debatte, ebenso wie  die Pläne, Trans-Personen die Nutzung von Toiletten und Umkleideräumen zu verweigern, die mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmen, sowie LGBTIQ*-inklusive Bildungsprogramme in Schulen und Bibliotheken zu unterbinden. Die beiden letzten Bereiche waren bereits in der Vergangenheit stark durch ihr Potenzial, emotional aufgeladen zu werden, aufgefallen.

Darüber hinaus wird die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Ehen durch einige konservative Richter*innen im Supreme Court weiterhin als angreifbar angesehen. Insbesondere Samuel Alito und Clarence Thomas haben – wie The Pink News bemerkt – bereits Andeutungen gemacht, diese Entscheidungen zu überprüfen und möglicherweise rückgängig zu machen. Mit sechs republikanischen Richter*innen, von denen bereits drei durch Trump bestimmt wurden, und nur drei demokratischen Richter*innen ist diese Befürchtung alles andere als unwahrscheinlich. Bereits 2022 hatte der Supreme Court das bundesweite Abtreibungsgesetz aufgehoben. Solche Schritte könnten eine Welle von Diskriminierung und rechtlicher Unsicherheit auslösen, mahnt The Guardian.

Die angedachten politischen Veränderungen sind nicht nur eine Herausforderung für die LGBTIQ*-Community, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes. Um dem entgegenzuwirken, braucht es Protest und Widerstand. Gleichzeitig hat Trump diesmal nicht nur die „Wahlmänner und -frauen“ hinter sich, sondern auch die Mehrheit der Stimmen. Es stellt sich damit die Frage: Wie können wir den Schutz und die Rechte der LGBTIQ*-Gemeinschaft in einer politischen Landschaft verteidigen, die sich zunehmend polarisiert – nicht nur in den USA als Weltbühne, sondern auch in Europa, wo rechtsextreme Kräfte immer deutlicher an Einfluss gewinnen?

Dabei sollten wir dem Populismus allerdings nicht auf den Leim gehen. Das Ziel muss es sein, eine Antwort zu finden, wie all jene Mitmenschen abgeholt werden können, die sich gegen ein menschliches Miteinander entschieden haben. Es bleibt zu befürchten, dass die USA in den kommenden Jahren viele Beispiele liefern werden, was geschieht, wenn dies misslingt.

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Am 1. November ist das Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland in Kraft getreten. Nun kann der Geschlechtseintrag beim Standesamt geändert oder gestrichen werden. Die queere Community feiert diesen Erfolg, auch in Schleswig-Holstein haben bereits zahlreiche Personen beim Standesamt einen Termin vereinbart.

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Das Selbstbestimmungsgesetz löst das sogenannte Transsexuellengesetz (TSG) ab, in dem die rechtliche Änderung von Geschlecht und Vornamen an ein sehr aufwendiges, kostspieliges und in der Umsetzung für die Betroffenen oft entwürdigendes Verfahren gekoppelt war. Der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, äußerte gegenüber dem Tagesspiegel: „Mit dem Selbstbestimmungsgesetz wird diese staatliche Bevormundung und Fremdbestimmung endlich beendet.“

Nun reichen eine Selbstauskunft und ein Termin beim Standesamt aus, damit trans*, inter* und nicht-binäre Personen ihre Identität rechtlich anerkennen lassen können. Bereits seit August konnten Termine dafür vereinbart werden. In Schleswig-Holstein sind laut einem Bericht des NDR (Stand Anfang Oktober) über 370 Anmeldungen zu verzeichnen. In Hamburg haben Ende Oktober bereits mehr als 540 Personen einen Termin zur Änderung des Geschlechtseintrags vereinbart (Der Nordschleswiger).

Doch wie läuft das Verfahren jetzt eigentlich genau ab und wo gibt es Informationen dazu? Einen allgemeinen Leitfaden für Erklärungsberechtigte in ganz Deutschland gibt es auf der Webseite zum Selbstbestimmungsgesetz sbgg.info.

Grundsätzlich gilt, dass frühestens drei Monate nach Anmeldung beim Standesamt - per Post oder persönlich - die Änderung beurkundet werden kann. Die Erklärung muss dann persönlich abgegeben werden. Darin werden der neue Geschlechtseintrag („weiblich“, „männlich“, „divers“ oder keiner) und Vorname festgelegt.

Die Anlaufstelle für LSBTIQ* HAKI e.V. weist darauf hin, dass der Bund nur wenige konkrete Informationen zur Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes in den Standesämtern bereitgestellt hat. Deshalb könnte es sowohl bei der alltäglichen Arbeit in den Ämtern als auch bei den Antragstellenden noch offene Fragen geben. HAKI sowie der queere Jugendverband lambda::nord haben mit den Standesämtern in Schleswig-Holstein Kontakt aufgenommen, um diese in dem Prozess zu begleiten.

Für Kiel hat HAKI bereits hilfreiche Hinweise zur Anmeldung beim Standesamt Kiel zusammengestellt. Die Stadt Itzehoe veröffentlichte ebenfalls ein Infoblatt zum Selbstbestimmungsgesetz, in dem die Schritte und wichtige Hinweise zusammengefasst werden.

Darin wird betont, dass mit einer Änderung des Geschlechtseintrages auch die Änderung des Vornamens vorgenommen werden muss, um die Geschlechtsangabe widerzuspiegeln. Jedoch können auch geschlechtsneutrale Namen beibehalten oder bei Änderung des Eintrags zu „divers“ gewählt werden. Die Angaben zum gewünschten Geschlechtseintrag und Vornamen, die bereits mit der Anmeldung gemacht werden, sind nicht bindend und werden erst bei dem persönlichen Termin endgültig festgelegt.

Falls es weitere Fragen gibt oder es bei einem Termin zu Queerfeindlichkeit kommen sollte, kann sich an HAKI e.V. gewendet werden.

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Regelmäßige Bewegung fördert die Gesundheit, besonders im Alter, und hält den Körper fit und beschwerdefrei. Diese banale Erkenntnis gilt für alle Menschen, doch viele in der LSBTIQ*-Community stehen vor besonderen Herausforderungen, insbesondere im Alter.

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Vor diesem Hintergrund bemängelt die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS e.V.), dass viele reguläre Sportangebote immer noch stark von Homo-, Inter- und Transfeindlichkeit geprägt sind, was viele LSBTIQ*-Menschen dazu bringt, sich zurückzuziehen. Aus diesem Grund bietet die BISS unter dem Motto „Fit im Alter“ interessierten älteren schwulen Männern einen „Such-Service“ an.

Bereits seit den 1980er Jahren haben sich in großen Städten schwule und queere Sportvereine gebildet, die einen Safe Space anbieten. Auch bezeichnen sich mittlerweile immer mehr reguläre Sportvereine als queerfreundlich, was grundsätzlich zu befürworten ist. Die BISS empfiehlt jedoch, bei Letzteren stets nachzufragen, wie sich diese Vereine in Bezug auf Homo-, Inter- und Transfeindlichkeit positionieren.

Gerade wenn Sport unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsförderung betrieben wird, ist ein Safe Space umso bedeutsamer. Wer also nach einem Verein in seiner Region sucht, findet über den Such-Service der BISS eine erste mögliche Quelle. Doch auch für diejenigen, die nicht sportlich aktiv sind, bietet die BISS interessante Adressen zu Themen wie Freizeit, Kultur, Beratungsstellen, Wohnen im Alter und HIV.

Allerdings ist die Suchfunktion der BISS etwas unübersichtlich, da sie nur nach Kategorie oder Bundesland sortiert ist. In Schleswig-Holstein werden zum Beispiel die Gruppen „Reife Früchte Kiel“, „BISS Lübeck“ und „Schwuler Seniorenkreis Kreis Storman“ angezeigt. Diese Vereine bieten auf den ersten Blick allerdings keine Sportangebote an, werden jedoch bei der Suche nach Sportvereinen gelistet. Es lohnt sich dennoch nachzufragen; lokale Vereine kennen häufig die Angebote ihrer Region am besten.

Das gilt selbstverständlich auch für alle anderen Bundesländer: Fragen kostet nichts! Außerdem sind Personen, die Mitglied in einem schwulen und/oder queeren Sportverein sind oder eine nicht sportartspezifische Gruppe organisieren, herzlich eingeladen, sich mit der BISS in Verbindung zu setzen:

Telefon: 0221 - 29 49 24 17
E-Mail: biss@schwuleundalter.de
Bürozeiten: Montag bis Freitag 9 - 15 Uhr

Nutzen Sie die Gelegenheit, ein Sportangebot zu finden, selbst zu organisieren oder Ihren Verein weiterzuempfehlen.

Bild: www.freepik.com

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Der Bundesverband Trans* (BVT*) und der Verband Queere Vielfalt (LSVD+) laden am 11.11.2024 von 17 bis 20 Uhr zur Online-Veranstaltung „Das Selbstbestimmungsgesetz tritt in Kraft – was bedeutet dieser Moment für die Communities?“ ein.

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Hintergrund ist das am 1. November in Kraft tretende Selbstbestimmungsgesetz (SBGG), mit dem die Änderung des Geschlechtseintrages einfacher werden soll. Das Gesetz legt fest, dass Vornamen und Geschlechtseintrag durch eigenständige Erklärung geändert werden können. Das heißt, dass trans* und nicht-binäre Personen ihre Geschlechtseinträge ändern oder streichen lassen können, ohne wie bisher ein gerichtliches Verfahren durchlaufen und ein psychologisches Gutachten einholen zu müssen.

Ausführliche Informationen zum neuen Selbstbestimmungsgesetz wurden auf der Webseite sbgg.info von verschiedenen queeren Verbänden zusammengestellt, auch Kritik und weitere Schritte zur Selbstbestimmung finden sich dort wieder.

Vor Inkrafttreten bleiben offene Fragen zu der Umsetzung des neuen Verfahrens. Die Veranstaltung des LSVD+ und BVT* bietet hierzu einen Raum, um diese zu besprechen. Dabei richtet sich die Veranstaltung sowohl an Einzelpersonen, die eine Erklärung nach dem SBGG abgeben wollen, als auch an Berater*innen und Multiplikator*innen, die trans* und nicht-binäre Personen dabei begleiten.

Die Veranstaltung bietet einen Überblick über Informationsbeschaffung zum SBGG sowie rechtlichen Input zur Frage „Was tun, wenn das Standesamt eine Anmeldung oder Erklärung nach dem SBGG ablehnt?“. Außerdem wird in einem Panel-Gespräch diskutiert, was das Inkrafttreten des SBGG für die Communities bedeutet. Zuletzt ist ein Austausch in Kleingruppen geplant.

Die Veranstaltung findet über Zoom statt. Weitere Informationen und Anmeldung auf der Webseite des Bundesverband Trans*.

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Robert Sapolsky ist Forscher im Bereich Neuroendokrinologie. Er ist Professor für Biologie, Neurologie, neurologische Wissenschaften und Neurochirurgie an der Stanford University. Im Interview mit der South Carolina Education Association (SCEA) eröffnet er den Blick auf die wissenschaftlichen Forschungen zur Neurobiologie von transgender Personen.

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Ziel des Interviews laut SCEA ist es, die Rechte von transgender Menschen durch die Schaffung informierter Politiken zu schützen. Sapolsky gibt hierfür einen Einblick in das Kontinuum von Geschlechtlichkeit und Sexualität - von der genetischen bis zur neurobiologischen Ebene - und zeigt dabei deutlich, dass sich der Mensch biologisch seit jeher in diesem Kontinuum bewegt, anstatt in abgesteckten Kategorien. Ein "Kontinuum" bezeichnet einen zusammenhängenden und ununterbrochenen Bereich oder Zustand, in dem es keine klaren Grenzen oder Unterbrechungen gibt.

Neben einem Einblick in die verschiedenen Ebenen thematisiert das Interview auch die Setzung von „Normalität“ und „Erkrankung“ in der wissenschaftlichen und medizinischen Debatte und eröffnet damit die Schnittstelle zum soziokulturellen Kontext und zur Normensetzung durch diskursführende Personen oder Instanzen, und dass sich solche durchaus verändern können.

Sapolsky gelingt es herauszuarbeiten, dass genetische Eigenheiten von Gehirn und restlichem Körper nicht immer übereinstimmen müssen. So machen neurologische Studien deutlich, dass bestimmte Hirnregionen eher einer geschlechtlichen Kategorie entsprechen, obwohl der Rest des Körpers augenscheinlich und nach „Lehrbuch“ dem Gegenteil zugeordnet würde. Für ihn als Neurobiologe ist dabei die Ausrichtung des Gehirns entscheidend. Damit erweitert Sapolsky den Diskurs über das „Sich falsch im eigenen Körper Fühlen“, der immer noch stark aus einer psychologischen Perspektive geführt wird, um eine neurobiologische Perspektive. Gleichzeitig liefert er damit der LGBTIQ*-Gemeinschaft Argumente gegen all jene, die auf politischer und medizinischer Ebene darauf hinweisen, dass sich biologisch nur zwei „Arten“ zurechnen lassen.

Nicht nur soziopsychologisch, sondern auch neurobiologisch und empirisch nachweisbar, entwickeln sich Menschen in verschiedensten Kombinationen. Was aber nicht bedeutet, dass dies – wie andere Marginalisierungen wie Rassismus oder Sexismus – im jeweiligen Kontext nicht dennoch zu psychischen Belastungen führen kann. Für Sapolsky ist es evident, dass Menschen nie außerhalb ihres Kontextes existieren und damit nie unabhängig von ihrem soziokulturellen Umfeld stehen.

Ob eine seltene Kombination zu einer „problematisierten Normabweichung“ führt oder lediglich zu einem kurzen Aufmerken, wie bei einer besonders seltenen Augenfarbe, bleibt damit auch weiterhin eine Frage der gesellschaftlichen Diskurse.

Dieser Überblick ist lediglich ein Einstieg in das Thema und gibt den Inhalt nur verkürzt wieder; für diejenigen, die sich differenziertet damit beschäftigen möchten, steht hier das gesamte Interview zur Verfügung.

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Ein weiterer Rückschlag für Regenbogenfamilien: In Italien wurde ein Gesetz verabschiedet, welches das Engagieren von Leihmüttern im Ausland kriminalisiert. Das Gesetz reiht sich ein in die Anti-LGBTIQ*-Politik der rechtsextremen Regierung Georgia Melonis.

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Bereits im Sommer vergangenen Jahres wurde der Gesetzesentwurf verabschiedet. In der Zeit wurde auch bekannt, dass in Regenbogenfamilien die Elternschaft nicht mehr offiziell anerkannt werden sollte. Einige homosexuelle Elternteile wurden bereits aus der Geburtsurkunde ihrer Kinder gestrichen.

Leihmutterschaft innerhalb Italiens war bereits, wie auch in Deutschland, verboten. Jedoch konnten Paare mit Kinderwunsch in anderen Ländern, in denen die Praxis erlaubt ist, eine Person engagieren, ihr Kind auszutragen. Dazu gehören z. B. die Ukraine, Kanada und einige Bundesstaaten der USA. Eine solche internationale Leihmutterschaft ist aus verschiedenen Gründen umstritten, auch in Deutschland ist die Rechtslage für die angehenden Eltern nach einer Leihmutterschaft im Ausland kompliziert. Für LGBTIQ* sowie unfruchtbare Paare kann eine Leihmutterschaft eine Möglichkeit sein, ein biologisch verwandtes Kind zu bekommen. Homosexuelle Paare haben in Italien jedoch auch kein Adoptionsrecht. Auch die Ehe für queere Paare ist nicht erlaubt.

Die Regierung begründet das Verbot von Leihmutterschaft mit dem Schutz der traditionellen Familie. Der Senat stimmte mit 84 dafür, 58 waren dagegen. Zum Verbot des sogenannten Leihmutterschafts-Tourismus argumentiert Meloni, dass es gesunder Menschenverstand sei, gegen die Kommodifizierung des weiblichen Körpers und von Kindern zu sein (CNN). Eine ähnliche Position vertritt der Papst, der bereits Anfang des Jahres ein Verbot forderte. Mehrere Medien betonen den stärker werdenden Einfluss der katholischen Kirche auf das Land, der sich seit Melonis Amtszeit abzeichnet, insbesondere auch bei reproduktiven Angelegenheiten.

Das Gesetz sieht bei Verstößen Strafen von bis zu einer Millionen Euro vor und Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren. Die Familienministerin Eugenia Roccella sagte außerdem in einem Fernsehinterview, dass Ärzt*innen vermutete Verstöße gegen das Gesetz melden müssten. Der Ärzteverband kritisiert diese Forderung scharf, denn dies sei nicht mit dem medizinischen Ehrenkodex vereinbar (Zeit Online).

Der Großteil von den etwa 250 Paaren, die jährlich eine Leihmutter im Ausland engagierten, war heterosexuell, so Zeit Online. Jedoch hätten LGBTIQ*-Aktivist*innen, die vor dem Senat protestierten, nach Angaben von CNN geäußert, dass heterosexuelle Paare einfacher Kinder als ihre eigenen ausgeben und somit weiterhin heimlich Leihmütter beauftragen könnten. Deshalb würde das Verbot insbesondere gleichgeschlechtliche Paare mit Kinderwunsch treffen.

Während das Gesetz in der Praxis also nur wenige Paare betrifft, die tatsächlich eine Leihmutter im Ausland engagieren können – auch finanzielle Mittel spielen hier eine Rolle – ist vor allem auch die Symbolik dahinter bedeutsam: Italiens rechte Regierung versucht auf verschiedenste Arten, queere Lebens- und Familienmodelle zu verhindern. Der LGBTIQ*-Aktivist Franco Grillini kritisiert das Gesetz gegenüber Reuters: „Wenn jemand ein Kind bekommt, sollte er eine Medaille bekommen. Stattdessen kommt man hier ins Gefängnis ... wenn man nicht auf traditionelle Weise Kinder bekommt“.

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Der „Coming Out Day“ stammt aus den USA und wird seit 1988 jedes Jahr am 11. Oktober begangen. An diesem Tag geht es darum, den Prozess des Coming Outs in den Mittelpunkt zu stellen. Damit ist der Tag ein wichtiger Feiertag für die Sichtbarkeit einer selbstbewussten LGBTIQ*-Gemeinschaft.

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Seinen Ursprung hat der Tag im zweiten nationalen "March on Washington for Lesbian and Gay Rights", der 1987 in Washington D.C. stattfand. Da gesellschaftliche Veränderungen nicht von heute auf morgen geschehen, entstand aus diesem Kontext der Coming Out Day, initiiert von Rob Eichberg und Jean O’Leary. Ein Jahr später, am 11. Oktober 1988, veröffentlichten tausende Homosexuelle ihre Namen in US-amerikanischen Zeitungen, um den ersten offiziellen Coming Out Day zu feiern.

Blickt man über den eigenen Tellerrand hinaus, so bedeutet ein Coming Out ganz allgemein den Mut, einer Welt, die dem eigenen „Selbstbild“ – ob in Bezug auf Sexualität oder irgendeine andere Facette – skeptisch bis diskriminierend gegenüberstehen kann, entgegenzutreten. Auch politische, religiöse und andere Haltungen, die man je nach Region gegenüber dem Mainstream der umgebenden Familie, Peergroup oder Gesellschaft vertreten muss, sind es wert, dass man ihnen gedenkt. Gleichzeitig bedeutet ein Coming Out auch, sich in den Diskurs zu begeben.

Dass dies für einige nicht möglich ist, gehört genauso zum Coming Out wie der Wunsch, sich nicht ständig rechtfertigen zu müssen. Für all jene, die sich dem nicht stellen können oder wollen, ist es daher besonders wichtig, dass andere sich für ihre Rechte und Würde einsetzen, wo sie es nicht können.

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die anstehenden US-Wahlen im November ist die Entscheidung der National Football League (NFL), anlässlich des internationalen Coming-Out-Tags und zu Ehren Carl Paul Nassibs, 100.000 US-Dollar an das Trevor Project zu spenden, ein positives Zeichen. Wie schwulissimo berichtet, betreut der Verein junge homosexuelle und queere Jugendliche sowie junge Erwachsene. Nassib bekannte sich 2021 als erster aktiver NFL-Spieler öffentlich dazu, homosexuell zu sein. Vor knapp einem Jahr hatten wir bereits über die offene und unterstützende Haltung der NFL gegenüber der LGBTIQ* Gemeinschaft berichtet. Auch heute ist die NFL immer noch ein Multimilliarden-Dollar-Business, und auch heute gilt, dass eine kommerzialisierte Symbolik zur Sichtbarkeit beitragen kann.

Es wird auch künftig immer wieder Coming Outs geben, da immer neue Normen entstehen, die hinterfragt und herausgefordert werden müssen. Umso wichtiger ist es, an einer Gesellschaft zu arbeiten, die sich konsequent für die universelle Menschenwürde einsetzt. Zwar wird dieses Ideal wahrscheinlich nie vollständig erreicht, doch jeder Schritt in diese Richtung zählt und macht einen Unterschied.

Grafik: Vecteezy

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Vergangene Woche hat der Stadtrat in Neubrandenburg das Hissen der Regenbogenflagge am Bahnhof verboten. Kurz darauf kündigte der Oberbürgermeister Silvio Witt seinen Rücktritt an. Eine Petition fordert das Abschaffen des Verbots.

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Nach einem Antrag von Tim Großmüller (Stabile Bürger für Neubrandenburg) wurde das Verbot der Regenbogenflagge – das Symbol für LGBTIQ* schlechthin – in der mecklenburg-vorpommerischen Stadt Neubrandenburg nach Angaben des Deutschlandfunk mit den Stimmen von Mitgliedern von AfD und BSW sowie örtlichen Wählergemeinschaften beschlossen.

Der Antrag sei mit Straftaten begründet, die dazu führten, dass die Flagge bereits mehrfach gestohlen und mit Nazi-Symbolen ersetzt wurde (NDR). Nach Angaben von Katapult MV äußert sich Großmüller in den Sozialen Medien jedoch schon länger offen queerfeindlich und teilt rechtes Gedankengut.

In dem Antrag wird außerdem gefordert, dass nur Bundes- oder Landesflaggen gehisst werden sollen. Damit reiht er sich ein in die queerfeindliche Programmatik von Brandenburgs AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt. Dieser äußerte im Wahlkampf, dass er als erste Handlung als potentieller Ministerpräsident Regenbogenfahnen verbieten würde (Phoenix).

Silvio Witt, parteiloser Oberbürgermeister von Neubrandenburg kündigte kurz nach dem Verbot an, dass er zum 1. Mai 2025 zurücktreten werde. Witt äußerte sich nicht zu einem möglichen Zusammenhang seines Rücktritts mit den Ereignissen rund um die Regenbogenflagge. Nach Angaben der taz würde jedoch Druck auf ihn ausgeübt, wovon auch sein näheres Umfeld betroffen ist. Er selbst ist schwul und hat sich auf verschiedene Arten für eine vielfältige und offene Stadt eingesetzt. Unter anderem ist er Schirmherr von Christopher-Street-DayVeranstaltungen. So könne die Entscheidung auch aus Selbstschutz geschehen sein, da sich Angriffe und Drohungen auf Politiker*innen leider häufen (Deutschlandfunk).

Die Ereignisse spielten sich jedoch nicht ohne Widerstand ab. Zwischen 200 und 300 Personen protestierten vergangene Woche vor dem Bahnhof – mit Regenbogenflaggen. Außerdem wurde die Petition "Für das Wiederaufhängen der Regenbogenflagge in Neubrandenburg" ins Leben gerufen. Über 9.000 Personen haben diese bereits unterschrieben. Der Initiator Martin Kollhoff betont, dass „die Regenbogenflagge ein wichtiges Symbol für Vielfalt, Toleranz und den Einsatz gegen Diskriminierung“ sei. Ein Hissen der Flagge solle zeigen, dass Neubrandenburg für Vielfalt, Offenheit und Menschenwürde und gegen Diskriminierung einstehe.

Foto: Talpa auf Pixabay

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Der ehemalige Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, hatte am 4. Oktober in einem Interview mit dem Spiegel berichtet, dass ihm in seinem Wahlkreis „aus muslimisch gelesenen Männergruppen häufiger homophobe Sprüche“ begegnen würden. Kritik kam daraufhin u.a. von Berlins Queerbeauftragtem Alfonso Pantisano (ebenfalls SPD), der seinerseits für Aufregung sorgte, als er Kühnert Rassismus vorwarf und dazu ein Bild von sich selbst mit arabischer Kopfbedeckung postete.

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Der Zeitpunkt war von Pantisano dabei alles andere als gut gewählt; seine Reaktion fiel mit dem Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel zusammen. In einem weiteren Artikel vom 7. Oktober fasst der Spiegel selbst die Diskussionspunkte zusammen. Darin heißt es, Kühnert habe seine Aussage im Interview selbst relativiert: „Natürlich sei der Großteil der Muslime nicht homophob, »aber die, die es sind, schränken meine Freiheit ein«“, so Kühnert laut Spiegel. Pantisano betont hingegen, dass er sich über Queerfeindlichkeit im Islam bewusst sei. Worum es ihm gehe, sei die Aussage von Kühnert, dass es sich um eine "muslimisch gelesene" Gruppe handele. Kühnert wisse also gar nicht genau, ob es Muslime seien, was Pantisano als „Italiener“ mit dem Foto in arabischer Kopfbedeckung verdeutlichen wollte.

Die Debatte Rassismus vs. Homophobie ist dabei nicht neu und wird auch in diesem Fall nicht geklärt werden. Im Gegenteil, es gibt kaum eine „Front“, die so gut emotionalisiert werden kann wie diese. In allen drei Bereichen - Glaube, Sexualität und Geschlecht - geht es immer auch um das eigene Selbst. Damit wird es persönlich.

Fundamentalismus, egal ob islamisch, jüdisch, christlich oder aus einer anderen Religionszugehörigkeit, nutzt diesen persönlichen Bezug für die eigenen politischen Zwecke. Welche Tragweite z.B. christlicher Fundamentalismus aus Richtung der US-amerikanischen Evangelikalen hat, haben wir schon des Öfteren thematisiert, gerade im kommenden US-Wahlkampf, aber auch in Bezug auf die LGBTIQ*-feindlicheren Gesetze in Uganda. Diese Vermengung macht deutlich, dass Glaube, Sexualität und Geschlecht, so persönlich sie auch sein mögen, zu den politischsten Bereichen unserer Gesellschaften gehören.

Daraus folgt kein Fazit, wer von beiden jetzt die richtige Position formuliert, sondern lediglich die Feststellung, wie wichtig es ist, sich die Frage zu stellen, aus welchem Interesse jemand spricht und ob es Punkte gibt, bei denen man trotz Übereinstimmungen kritisch bleiben sollte. Aber auch: Ab wann wird eine Kritik wieder zum politischen Instrument?

Gleichzeitig verlagert sich der Diskurs darauf, dass es „immer auch kleine Gruppen“ gibt, die problematische Haltungen vertreten. Nur weil Menschen einer Minderheit angehören, verhalten sie sich nicht grundsätzlich menschenfeindlich. Dennoch, wenn „wir“ als Gesellschaft oder aus Sicht der LGBTIQ*-Gemeinschaft diskutieren, dass es solche Äußerungen bzw. Haltungen gibt, sollte nicht vergessen werden, dass Marginalisierung und Perspektivlosigkeit immer auch das Resultat politischer Versäumnisse sind. Es ist also nicht bloß das Fehlverhalten von Einzelnen oder Gruppen. Stattdessen braucht eine offene, freie und respektvolle Gesellschaft vielmehr Investitionen in Soziales und Bildung. Mit Blick auf eine erstarkte AfD gilt das ebenso, wenn wir über rechten Fundamentalismus reden würden.

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