Echte Vielfalt

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Anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar, an dem das Konzentrationslager Auschwitz im Jahr 1945 durch die Rote Armee befreit wurde, erinnern LGBTI-Aktivist*innen daran, dass auch queere Minderheiten in Deutschland heute noch gefährdet seien: "Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus führt uns vor Augen, was geschehen kann, wenn Hass und Hetze eine Gesellschaft vergiften, wenn eine Mehrheit gleichgültig wird gegenüber dem Leben Anderer, wenn sie Ausgrenzung und Entrechtung zulässt und unterstützt", erklärte LSVD-Bundesvorstandsmitglied Henny Engels.

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Menschenfeindliche Ideologien wie Nationalismus, Rassismus, Sexismus, Homofeindlichkeit und Transfeindlichkeit seien stark miteinander verwoben, so Engels weiter (queer.de berichtete). Denn all diese Ideologien leugnen, dass alle Menschen mit gleicher Würde und gleichen Rechten ausgestattet seien. Doch queere Opfer des Nationalsozialismus seien "über Jahrzehnte aus der Gedenkkultur ausgeschlossen" worden. Deswegen setzt sich der LSVD dafür ein, dass eine der jährlichen Gedenkstunden des Bundestages an die Opfer des Nationalsozialismus auch den Menschen gewidmet wird, die während der NS-Herrschaft wegen ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität verfolgt, inhaftiert und ermordet worden waren.

Jahrelang hatte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) die Erinnerung an queere Opfer der Nazi-Barbarei im deutschen Parlament verhindert, doch nun hat die neue Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) für das kommende Jahr einen entsprechenden Schwerpunkt in der Holocaustgedenkstunde des Bundestags in Aussicht gestellt – das Gleiche hatte Schäuble jedoch bereits 2019 versprochen.

Landesparlamente hingegen erinnern schon seit längerem an die Gräueltaten der Nazis gegenüber sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten. So wurde am Mittwoch eine Gedenkstelle für diese Gruppe im ehemaligen KZ Flossenbürg eingeweiht, um „homosexuellen Opfern eine Stimme zu geben“, so die bayrische Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU). Homosexuelle Männer seien auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der Bundesrepublik weiterhin staatlich verfolgt worden, so der Bildhauer und CSD-Vorstand Bastian Breuwer. „Es ist nun an der Zeit, dieser Opfergruppe ein würdiges Gedenken zu schaffen“.

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Mit der Initiative „#OutInChurch: Für eine Kirche ohne Angst“ haben sich vergangene Woche rund 125 derzeitige oder ehemalige Mitarbeitende der römisch-katholischen Kirche im deutschen Sprachraum als queer geoutet. Dass diese aufgrund dessen entlassen werden könnten, illustriert vor dem Hintergrund unzähliger Kindesmissbrauchsskandale in der katholischen Kirche eine gefährliche Doppelmoral.

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Von katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird unter der Überschrift „Loyalitätsobliegenheiten“ erwartet, „dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten“, wobei augenscheinlich nur Cis-Geschlechtlichkeit und Heterosexualität als "sittlich" gelten, und jegliche andere Identitäten und Orientierungen Grund für eine Entlassung aus dem Beruf darstellen können. Dabei steht das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen diskriminierend zu handeln, entgegen der Antidiskriminierungsregeln Deutschlands und der EU, welche Benachteiligung aufgrund von Geschlecht und sexueller Orientierung verbieten. Sollte es bei der aktuellen Rechtsauffassung des EuGH bleiben, schafft dies noch immer keine vollständige Rechtssicherheit für Bedienstete der katholischen Kirche, die wiederverheiratet sind oder in einer gleichgeschlechtlichen Ehe leben. Viele schildern noch immer, dass sie Angst hätten sich zu outen und aufgrund ihrer vermeintlich „Unsittlichkeit“ ausgeschlossen zu werden – und wenn nicht beruflich, dann zwischenmenschlich.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die katholische Kirche bis hin zum ehemaligen Papst Benedikt wissentlich Pädo-Kriminelle geschützt und nach ihren Vergehen lediglich versetzt und so weiteren Kindern ausgesetzt haben soll, offenbart sich also eine skurrile Doppelmoral: Während Kinderschänder nach ihren Vergehen in der Kirche und ihren Posten gehalten worden sind, obwohl sie bereits mehrfach eines Verhaltens angeklagt worden waren, das nicht nur „unsittlich“, sondern durchweg kriminell ist, muss sich eine trans Krankenschwester in einem katholischen Krankenhaus fragen, ob ihre Geschlechtsidentität den „Loyalitätsobliegenheiten“ ihres Arbeitsgebers widerspricht. Weil die katholische Kirche mit 1,3 Mio. Angestellten nach dem Staat der größte Arbeitgeber Deutschlands ist, stellen Situationen wie diese auch keine Einzelfälle dar, sondern Teil ein größeren Systems, das zugespitzt formuliert Kriminelle schützt, aber Queere diskriminiert. Eine Doppelmoral, die aus unerklärlichen Gründen verschiedenste Maßstäbe für den kinderschändenden Priester anlegt, als für die lesbische Lehrerin oder den genderqueeren Messner.

Von #OutInChurch wünscht sich der Gleichstellungsbeauftrage Sven Lehman daher, „dass sie einen konstruktiven Dialog innerhalb der katholischen Kirche auslöst mit dem Ziel, Gleichstellung und Akzeptanz aller Beschäftigten zu verwirklichen“. Dafür liegt, wie es aussieht, ein weiter Weg vor der katholischen Kirche, der nicht nur von Betroffenen in Deutschland gegangen werden kann und muss, sondern von der gesamten Institution – auch einem Vatikan, der die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare noch immer verbietet und für ungültig erklärt. Ob und wie schnell dies gelingt wird sich zeigen. Dass Erzbischof Koch das Zölibat nun in Frage stellte, und Kardinal Marx einen Queer-Gottesdienst geleitet hat, lässt sich als potentiellen Anfang diesen weiten Weges verstehen.

Lesen Sie hier mehr über die #OutInChurch-Initiative.

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Mit der Initiative „#OutInChurch. Für eine Kirche ohne Angst“ haben sich vergangene Woche rund 125 Personen, die in der römisch-katholischen Kirche im deutschen Sprachraum als Priester, Lehrer*innen oder Kirchenverwaltungsangestellte haupt- oder ehrenamtlich tätig sind oder waren, als schwul, lesbisch, trans und queer geoutet. Sie forderten die Kirche auf "veraltete Aussagen der kirchlichen Lehre" in Bezug auf Sexualität und Geschlecht abzuschaffen.

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So sieht sich die römisch-katholische Kirche in Deutschland nun erneut mit Forderungen nach einem besseren Schutz von queeren Rechten und einem Ende der institutionellen Diskriminierung von queeren Menschen konfrontiert. Diese fordern ohne Angst leben zu können und ohne Diskriminierung Zugang zu allen Arten von Aktivitäten und Berufen in der Kirche zu haben. Ihre sexuelle Orientierung dürfe dabei nicht als Verstoß oder Grund für eine Entlassung aus dem Beruf angesehen werden, wie es momentan auf Basis von „Loyalitätsobliegenheiten“ geschehen kann: So wird von katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwartet, „dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten“ – eine „Sittenlehre“, die augenscheinlich nur Cis-Geschlechtlichkeit und Heterosexualität für richtig hält. „Ich muss befürchten meine Stelle zu verlieren, weil ich als ‚krank‘ gelte – nur, weil ich das Gefühl habe eine Frau zu sein“, erzählt eine trans Frau in der ARD-Doku "Wie Gott uns schuf". „Es gibt für Menschen wie mich, Schwule, Lesben, Queere, keine Rechtssicherheit“, erzählt ein schwuler Theologe.

Im vergangenen Jahr hatte der Vatikan, Sitz des Papstes und der römisch-katholischen Kirche, entschieden, dass Priester gleichgeschlechtliche Ehen nicht segnen können und dass solche Segnungen nicht gültig seien. Das Urteil löste eine neue Debatte zu diesem Thema aus, und in einigen Teilen Deutschlands gab es erheblichen Widerstand dagegen. Letztes Jahr sprachen sich mindestens zwei deutsche Bischöfe, darunter Kardinal Reinhard Marx aus München, einer der wichtigsten Berater des Papstes, für eine Art "pastoralen" Segen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften aus. Als Antwort auf formelle Anfragen einer Reihe von Diözesen, ob diese Praxis erlaubt sei, stellte die Glaubenskongregation des Vatikans jedoch klar, dass dies nicht erlaubt sei. Papst Franziskus billigte diesen Entschluss und fügte hinzu, dass sie "nicht als eine Form der ungerechten Diskriminierung gedacht ist, sondern als eine Erinnerung an die Wahrheit des liturgischen Ritus" des Ehesakramentes.

Dass eine Entlassung aus dem Beruf aufgrund einer queeren Identität nicht ungerecht diskriminierend ist, lässt sich wohl jedoch noch schlechter argumentieren, da es Artikel drei des Grundgesetzes widerspricht, in dem steht, dass niemand wegen „seines Geschlechtes“ oder „seiner sexuellen Identität“ benachteiligt werden darf.

Lesen Sie hier eine Kontextualisierung der Thematik vor dem Hintergrund anderer Ereignisse in der katholischen Kirche.

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Am Dienstag teilte der israelische Gesundheitsminister mit, dass gleichgeschlechtliche israelische Paare schon ab nächster Woche durch Leihmutterschaft Eltern werden können. Seit Jahren hatte Israels LGBTQ-Gemeinschaft gefordert, Leihmutterschaft in Anspruch nehmen zu dürfen. Nun hat das Land, sechs Monate nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, die Leihmutterschaft für alle Bürger*innen geöffnet - auch für gleichgeschlechtliche Paare, alleinstehende Männer und trans Personen.

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Mit dieser Entscheidung wird ein Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem vergangenen Jahr bestätigt, das ein Ende des Verbots forderte. „Dies ist ein historischer Tag für den Kampf der LGBTQ in Israel“, sagte Gesundheitsminister Nitzan Horowitz, der selbst offen schwul ist. „Damit wird der Traum vieler Menschen, eine Familie zu gründen, wahr. Volle Gleichberechtigung. Das ist die einfache Forderung und das Ziel des Kampfes der LGBTQ, des langen Kampfes meiner Community“, sagte er. „Gleichheit vor dem Gesetz und Gleichheit der Elternschaft.“

Das Ministerium habe einen Runderlass herausgegeben, der allen den gleichen Zugang zur Leihmutterschaft gewähre, auch alleinstehenden Männern und trans Personen, sagte Horowitz. Bis zu dieser Ankündigung war die Leihmutterschaft in Israel nur für heterosexuelle Paare und alleinstehende Frauen zugänglich gewesen. So waren gleichgeschlechtliche Paare gezwungen die kostspieligere Alternative eine Leihmutter im Ausland zu finden, zu wählen.

Im Juli hob der Oberste Gerichtshof des Landes Teile eines Leihmutterschaftsgesetzes auf, das homosexuelle Paare daran hinderte, im Staat Kinder durch eine Leihmutter zu bekommen. Der Staat hatte zuvor argumentiert, das Gesetz diene dem Schutz von Leihmüttern. Das Gericht entschied nun jedoch, dass ein Gleichgewicht hergestellt werden könne, ohne gleichgeschlechtliche Paare zu diskriminieren. Es fügte hinzu, dass die Gesetzesänderung jedoch erst nach sechs Monaten in Kraft treten werde, um Zeit für die Ausarbeitung professioneller Richtlinien, unter denen der Schutz von Leihmüttern weiterhin gewährleistet wird, zu haben.

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Nachdem der Bundesjustizminister Marco Buschmann die „vermutlich größte familienrechtliche Reform der letzten Jahrzehnte“ verkündete, mutmaßte der CDU-Politiker Günter Krings, der bereits eingetragene Partnerschaften, das Adoptionsrecht für Lesben und Schwule und die Ehe-Öffnung bekämpfte, dass dies angeblich „verfassungswidrige Pläne“ seien.

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Auf die Familienrechtsreform-Pläne von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), welche unter anderem die Rechte queerer Paare stärken würde, hat die Union ablehnend bis skeptisch reagiert. Vor allem die Idee der neuen Verantwortungsgemeinschaft, einer rechtlich anerkannten Lebensgemeinschaft jenseits der Ehe, berge „verfassungsrechtliche Risiken“, so Krings. „Wenn hier eine 'Ehe light' erfunden werden soll, riskiert man nicht nur einen handfesten Konflikt mit Artikel 6 des Grundgesetzes, der die Ehe besonders schützt, sondern muss vor allem ein hochkomplexes neues Regelungssystem schaffen“, warnte er. Mit Verweisen auf das Grundgesetz (sowie auf das „Kindeswohl“) hatte Krings bereits erfolgslos versucht eingetragene Partnerschaften, das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare und die Ehe für alle zu bekämpfen.

Mutmaßlich bezog sich SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese auf Positionen und Argumenten dieser Art, als er bei der Deutsches Presse Agentur kritisierte, „bei wie vielen gesellschaftspolitischen Themen die Union in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten konsequent auf der Bremse stand“. Nun gäbe es jedoch die Chance, ein fortschrittliches Familienrecht zu schaffen, das die vielfältigen Lebensrealitäten im 21. Jahrhundert anerkenne – auch die queeren. Es handele sich daher bei der Reform um ein Vorhaben von einer „historischen Dimension“, so Wiese.

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Bundesjustizminister Marco Buschmann verspricht die Einführung von "Verantwortungsgemeinschaften", ein Ende der Diskriminierung lesbischer Mütter sowie die Möglichkeit der Mehrelternschaft bis zum Herbst 2023. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Pläne sollen unter anderem unverheirateten Paaren, homosexuellen Eheleuten mit Kindern sowie Gemeinschaften, die nicht auf einer Liebesbeziehung fußen, neue rechtliche Möglichkeiten geben. „Was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, ist vermutlich die größte familienrechtliche Reform der letzten Jahrzehnte“, mutmaßte der FDP-Politiker.

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Ein wichtiger Bestandteil dieser Reformen sei die geplante „Verantwortungsgemeinschaft“. Dieses neue Rechtskonstrukt werde viel Flexibilität bei der individuellen Ausgestaltung bieten, wobei ein mehrstufiges Modell, das zu verschiedenen Lebenssituationen passt, unterschiedliche Intensitäten der Verantwortungsübernahme füreinander ermögliche, so der Minister. Es sei also ein Modell für Menschen, „mit einem über eine reine Geschäftsbeziehung hinausgehenden tatsächlichen und persönlichen Näheverhältnis“, wie etwa Senior*innen-Wohngemeinschaften oder Alleinerziehende, die von Menschen außerhalb der eigenen Familie dauerhaft Unterstützung bei der Kinderbetreuung erhielten.

Vorgesehen ist bei der geplanten Reform jedoch auch mehr Unterstützung für ungewollt kinderlose Paare, um unter anderem die Diskriminierung lesbischer Mütter zu beenden. So sollen zwei miteinander verheiratete Frauen in Bezug auf Kinder rechtlich künftig genauso behandelt werden, wie wenn ein Mann und eine Frau miteinander verheiratet sind. Das heißt auch, dass das von einer der beiden Frauen geborene Kind von Anfang an die Ehefrau als zweiten Elternteil haben soll. Bisher kann die Partnerin der Mutter nur über eine Stiefkindadoption rechtlicher Elternteil des Kindes werden, wie es im Falle der Klage „Paula hat zwei Mamas“ angeprangert wurde (echte-vielfalt berichtete). Als das Oberlandesgericht Celle dazu entschied, dass bestehende Abstammungsrecht verfassungswidrig sei, war zu vermuten, dass dies wohlmöglich eine Gesetzesänderung und eine Reform des Abstammungsrechts zur Folge haben würde. Diese soll es nun also geben, und auch für unverheiratete hetero Paare soll es neue Möglichkeiten geben, Vereinbarungen über die Elternschaft zu treffen.

Dabei gelte bei dem gesamten Reformvorhaben grundsätzlich: „Das Kindeswohl muss immer im Vordergrund stehen“, so Buschmann.

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Vor mehr als einem Jahr erklärte die 29-jährige Rapperin Haiyti in einem Podcast-Interview, dass sie das Wort „schwul“ in ihren Songs als Schimpfwort verwendet. Lange blieb diese Podcast-Folge mit Tim Mälzer, die im September 2020 auf Spotify veröffentlicht wurde, unbeachtet. Doch in den letzten Tagen haben ihre Aussagen und Rechtfertigungen zu scharfer Kritik von Fans, Nutzer*innen sozialer Medien und Kolleg*innen geführt. Wörtlich hatte die Rapperin erklärt: „Ich sage ja auch im Text: 'Ich find euer Geld schwul, bis es meins ist.' Da meine ich auch nicht die Schwulen. Da meine ich: 'Ich find's scheiße.'“

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Auf den Vorschlag Mälzers „dann sag doch ‚scheiße‘“ anstatt schwul, entgegnete Haiyti, dass sie „politische Menschen“ provozieren wolle, aber auch: „Ich weiß auch nicht, warum ich es sage. Ich find‘s provokanter, weil sich alle drüber aufregen: 'Scheiße, sie sagt schwul.'“

Daraufhin erklärte ihr Mälzer, dass er in der Vergangenheit auch homofeindliche Sprache verwendet habe, er aber gelernt habe dass es ihm, weil er nicht schwul ist und daher überhaupt nicht von Homofeindlichkeit betroffen, nicht obliege, „solche Sachen zu sagen“ – und dann dafür nicht beurteilt werden zu wollen. Weiter versuchte er die in der Beleidigung enthaltene Macht-Dynamik zu erklären, indem er fragte: „Darf ich Schlampe sagen? Nein, ich glaube nicht“. Er schildert Haiyti zudem, dass er selbst von Schwulen gehört hätte, dass sie sich durch die Texte der Rapperin beleidigt fühlten. Dazu sagte diese lachend: „Das tut mir aber leid. Und ich kann's ja auch nicht wissen, dass manche Schwule so sensibel sind“. Sie spreche schließlich Schwule nicht damit an, sondern mache Kunst. Zudem entgegnete sie, dass sie selbst sich schon beleidigt fühle, wenn sie als Sängerin, statt als Rapperin bezeichnet wird – ein weiteres Indiz für die Tatsache, dass Haiyti nicht zu verstehen scheint, dass es ein Machtgefälle zwischen queeren und nicht-queeren Menschen gibt, das sich unter anderem in der Sprache abbildet und reproduziert.

Zu diesem mangelnden Verständnis sagte Rap-Kollegin Nura „weil du dumm bist!“, während sich auch die Sängerin Katja Krasavice empört über die Äußerungen zeigte. Haiyti sollte eigentlich auf einem Track Krasavices neuen Albums auftauchen, doch sie erklärte nun auf Instagram: „Wenn das der Wahrheit entspricht, fliegt die Person[, die etwas homofeindliches gesagt hat,] natürlich von meinem Album. Sowas hat in meiner Welt nichts verloren!“. Haiyti selbst äußerte sich bislang nur kurz zu der Kontroverse auf Twitter: „‘ich werd mich bessern an die Kritiker!‘“

Wie queer.de berichtete, kritisieren LGBTI-Aktivist*innen in Deutschland und anderen Ländern seit Jahren, dass Worte wie „schwul“ als Schimpfworte verwendet werden. Dadurch könne eine aggressive homofeindliche Atmosphäre geschaffen werden, die es gerade jungen Schwulen, Lesben und Queers erschwere, sich überhaupt zu outen. Laut Umfragen ist insbesondere in Schulen die homofeindliche Wortwahl weit verbreitet. Eine Berliner Umfrage aus dem Jahr 2012 kam etwa zum Ergebnis, dass fast zwei Drittel der Grundschüler*innen „schwul“ oder „Schwuchtel“ als Schimpfwort verwenden – selbst wenn sich dieses Ergebnis mittlerweile halbiert haben sollte, wären dies immer noch zu viele Kinder, die schwul sein als etwas negatives verstehen. Und durch gerade von Jugendlichen bewunderte Rapperinnen wie Haiyti können solche negativen Stereotype entweder gestärkt oder geschwächt werden. Dies liegt nun in der Hand der Künstlerin.

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Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes hat Deutschland einen Beauftragten für die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ernannt: Sven Lehmann, Abgeordneter der Grünen. In der Funktion wird er für die Zusammenarbeit mit den Ministerien bei politischen Projekten zuständig sein, die die LGBTQ+-Community betreffen. Er wird auch den Nationalen Aktionsplan der Regierung für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt leiten. Die Reaktionen auf das neu geschaffene Amt eines Queer-Beauftragten sind gemischt.

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So bezeichnete der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) die Ernennung Lehmanns als „ein weiteres wichtiges Signal für den von der Regierungskoalition versprochenen queerpolitischen Aufbruch“. Lehmann müsse „die treibende Kraft in der Regierung werden, um die im Koalitionsvertrag versprochenen queerpolitischen Projekte umzusetzen“, sagte Henny Engels vom LSVD-Vorstand der Deutschen Welle. Lob für Lehmann kam auch von Ampel-Kolleg*innen wie dem Forschungsstaatssekretär Jens Brandenburg, der FDP-Sprecher für Queerpolitik in der vergangenen Legislaturperiode war: „Eine gute Wahl, viel Erfolg im neuen Amt!“, erklärte er. Zudem gratulierten ihm auf Twitter SPDqueer und QueerGrün Berlin, wobei betont wurde, wie wichtig die Erschaffung des Amtes selbst sei. Die Regierung von Olaf Scholz zeige damit, wie wichtig ihr die LGBTIQ*-Rechte und die Akzeptanz und Vielfalt in unserer Gesellschaft sei.

Doch gleichzeitig titulierte queer.de einen aktuellen Beitrag zu dem Thema: „Nach Berufung von Sven Lehmann - Queer-Beauftragter verursacht Schnappatmung bei AfD“. So kritisierte Co-Vizeparteichefin Beatrix von Storch, dass „die Absurdität grünen Gender-Wahns mit der Ernennung eines sogenannten Queer-Beauftragten einen neuen traurigen Höhepunkt“ erreiche. „Während die Bürger zu Zigtausenden auf die Straße gehen, um ihre Freiheit zu verteidigen, droht der neue super-queere Beauftragte Lehmann ganz unverhohlen mit einer neuen, 'progressiven' Familienpolitik.“. Den von Lehmann angekündigten Nationalen Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit werde ihre Partei daher „mit aller Entschiedenheit bekämpfen“. Auch die Scheinargumentation á la „Dieses Land hat offenbar keine anderen Probleme!“ war mehrfach zu lesen, ob in diesen Worten von dem ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Christian Natterer, oder sarkastisch aus der AfD: „Die #Ampelkoalition kümmert sich um die wahren Probleme im Land“, tweetete Vize-Fraktionschef Norbert Kleinwächter. Auch der in rechten Kreisen beliebte Blogger Boris Reitschuster machte sich über die Berufung lustig: „Endlich ist das passiert, worauf der fortschrittliche Teil der (deutschen) Menschheit sicher schon sehr lange gewartet hat“.

Lehmanns Partei-Kollegin Ulle Schauws allerdings kritisiert ganz unironisch, dass Deutschland faktisch bei den LGBTQ+-Rechten immer noch hinter vielen Ländern hinterherhinke. Die neue Koalition habe deswegen die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass „Menschen mit queeren Biografien endlich ernst genommen werden und sich die Realitäten vielfältiger Familien in unseren Gesetzen widerspiegeln, damit sie frei von Diskriminierung leben können“.

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Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Sven Lehmann, ist der erste Beauftragte der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer-Beauftragter). Das hat das Bundeskabinett in seiner heutigen Sitzung beschlossen.

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Zu seiner Ernennung erklärte Sven Lehmann, dass das neu geschaffene Amt des Queer-Beauftragten zeige, wie wichtig der Bundesregierung die Akzeptanz von Vielfalt sei: „Jeder Mensch soll frei, sicher und gleichberechtigt leben können.“ Die neue Bundesregierung werde ausgehend vom Leitgedanken der Selbstbestimmung eine progressive Queer-Politik betreiben und auch die Familienpolitik an der gesellschaftlichen Realität unterschiedlicher Familienformen ausrichten. Diese progressive Politik findet sich beispielsweise in den im Koalitionsvertrag vereinbarten Plänen, die mit der Einführung von „Verantwortungsgemeinschaften“ unter anderem unverheirateten Paaren, homosexuellen Eheleuten mit Kindern sowie Gemeinschaften, die nicht auf einer Liebesbeziehung fußen, neue rechtliche Möglichkeiten geben sollen.

Weiter äußerte sich Lehmann, dass der Schutz von Menschen aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität im Grundgesetz sichergestellt werden müsse und die Grundrechte von trans, inter- und nicht binären Menschen endlich vollständig durchgesetzt werden müssten: „Wir brauchen zudem eine breit angelegte Strategie zur Bekämpfung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – darunter explizit der Queerfeindlichkeit. Dazu werde ich gemeinsam mit dem Bundesfamilienministerium einen nationalen Aktionsplan für die Akzeptanz und den Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt auf den Weg bringen. Deutschland soll zum Vorreiter beim Kampf gegen Diskriminierung werden.“

Als Queer-Beauftragter der Bundesregierung soll Lehmann mit den beteiligten Bundesministerien bei Vorhaben der Queerpolitik zusammenwirken. Er werde insbesondere die Erstellung und Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt koordinieren, und die damit verbundene Informierung der Öffentlichkeit. Lehmann hat seit 2018 bereits Erfahrungen als Sprecher für Queerpolitik und Sozialpolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sammeln können. Seit 2021 ist er Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

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Das deutsche Wörterbuch kennt jetzt auch trans Menschen: Im Duden ist das indeklinable Adjektiv als "Jargon"-Begriff eingestuft geworden.

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Seit 1880 begleitet der Duden die Entwicklung der deutschen Sprache. Nun hat er eine Entwicklung aufgenommen, die bereits seit langem verwendet wird, vor Allem von queeren Menschen: Das indeklinable Adjektiv trans, welches für längere Worte wie transgeschlechtlich, transsexuell oder transgender einsteht. Vor Weihnachten wurde die Bezeichnung im Duden-Online-Wörterbuch aufgenommen und wird so auch in der neuen gedruckten Fassung stehen.

Bislang wird trans jedoch vom Duden als „Jargon“-Begriff aufgeführt. Damit seien laut Duden Worte gemeint, „die in bestimmten, etwa durch Milieu oder Beruf geprägten Kreisen verwendet werden“. Grammatikalisch wird das Wort als „indeklinables Adjektiv“ eingestuft, was bedeutet, dass es wie „gratis“ nicht gebeugt werden kann – es gibt also weder „gratis-er“ noch am „trans-esten“.

Mit neu aufgenommenen Wörtern spiegelt das größte deutsche Wörterbuch die Veränderung der Sprache und damit der Gesellschaft wider. 2020 waren „transgender“ und „genderneutral“ aufgenommen worden, bereits seit 2017 steht „queer“ im Duden.

Solche Reformen sorgten schon vor einem Jahr für den Ärger derer, die jegliche Änderungen in der Sprache ablehnen: Als der Duden das generische Maskulinum ablegte und dem Begriff Arzt das Wort Ärztin beistellte, warf ihm die AfD „Gender-Gaga“ vor. Auch in Frankreich wurde dem Online-Wörterbuch „Petit Robert“ von Rechten und Konservativen „Wokeism“ unterstellt, als es letzten November das genderinklusive Pronomen „iel“ aufnahm. Dabei handelt es sich um eine Wortschöpfung aus den französischen Wörtern für „er“ und „sie“ („il“ und „elle“). Der Bildungsminister verurteilte die Verwendung von „iel“ und sagte, dass die inklusive Schreibweise nicht die Zukunft der französischen Sprache sei.

Da Nachschlagewerke jedoch weder in Deutschland noch Frankreich Worte vorgeben, sondern lediglich Entwicklungen in der Sprache abbilden, stellt sich die Frage, ob inklusive Sprache nicht doch die Zukunft ist – ob für Französisch oder für Deutsch.

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