Weiterlesen Weil sich dies in eine größere Debatte der Europäischen Union um Rechtsstaatlichkeit in Polen (wie auch Ungarn) einordnen lässt, die unter anderem durch die Einführung „LGBT-freier Zonen“ in Polen angestoßen wurde, scheint die Bewertung Romanowskis „freiheitsfeindliche Tendenzen im deutschen Rechtsschutzsystem“ zu erkennen, fast ironisch. Dennoch hat Oko, der Homosexuelle als „Kolonie von Parasiten“ und „Krebsgeschwür“ bezeichnete, nach Angaben einer Gerichtssprecherin Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Damit kommt es wohl zu einem Prozess. Im genauen wird sich dabei klären müssen, ob die „Verhängung von Strafen für wissenschaftliche Tätigkeiten“, wie Romanowski den Beitrag des Theologieprofessors bezeichnet, tatsächlich „eine Bedrohung der Grundfreiheiten und europäischen Standards“ darstellt. Oko hatte darin schwule Männer wegen ihrer sexuellen Orientierung zu einer Gefahr für die Kirche erklärt, zudem warf er Schwulen vor, Kinder eher sexuell zu missbrauchen als Heterosexuelle. Im zweiten Teil des Artikels, der offenbar noch nicht Teil des Strafbefehls ist, sprach er außerdem von „homosexuellen Raubtieren“ und behauptete, die homosexuelle Orientierung sei eine „Krankheit“. So lässt sich in Bezug auf die Attacke Romanowskis auf die Bundesrepublik nur wiederholen, dass seine „Sorge“ um die Meinungsfreiheit in Deutschland mehr als zynisch scheint, vor Allem zwei Wochen nach der Veröffentlichung eines neuen Prüfberichts der Europäischen Kommission. Darin wurden beiden Staaten Defizite bei der Unabhängigkeit der Justiz attestiert, außerdem seien lokale Autoritäten daran gescheitert, auf die Anfragen der EU zu ihren Resolutionen für „LGBT-Ideologie-freie Zonen“, welche in mehr als 100 polnischen Dörfern und Städten verabschiedet wurden, zu reagieren. Von EU-Beamt*innen wird vermutet, dass die polnischen „LGBT-Ideologie-freie Zonen“ EU-Gesetze über Nicht-Diskriminierung brechen, weswegen die Kommission nun rechtliche Schritte gegen Polen (und Ungarn) ergriffen hat. Die beiden Länder haben nun zwei Monate Zeit, um der Kommission zu antworten. Dies ist das erste Stadium in einem EU-Sanktions-Prozess, welcher vor dem Europäischen Gerichtshof, mit der Kürzung von EU-Finanzhilfen, und sogar mit einer Strafe von täglichem Bußgeld enden könnte. Wie der Prozess in Köln um Okos Beitrag weitergehen wird, ist noch unklar. Doch eigentlich hat das Amtsgericht Köln die Frage, ob ein katholischer Priester die Meinungsfreiheit auf seiner Seite hat, wenn er queere Menschen übel beleidigte, klar beantwortet: Nein, hat er nicht.
Lebensbereiche
Weiterlesen Ein Positiv-Beispiel dafür lieferte Formel-1 Star Sebastian Vettel am vergangenen Sonntag bei einem Rennen in Budapest, Ungarn: Während der ungarischen Nationalhymne legte er sein Regenbogen-Shirt mit der Aufschrift „Same Love“ (und Schuhe, Shirts, Helm und Masken in Regenbogenfarben) nicht ab, obwohl die Hymne des Gastgeberlandes respektiert werden solle, indem die Fahrer ihre Rennanzüge tragen würden, sagte der Rennleiter Michael Masi. So erhielt Vettel eine allgemein formulierte erste Verwarnung, welche allerdings ohne direkten Rennbezug keine weiteren Konsequenzen für den Fahrer haben wird. Doch bevor seine Strafe entschieden wurde, sagte er in einem Interview: „Ich kann damit leben, wenn sie mich disqualifizieren. Sie können mit mir machen, was sie wollen, das kümmert mich nicht. Ich würde es wieder machen.“ Er betonte, dass das Shirt vor dem Hintergrund der queer-feindlichen Politik Ungarns „ein kleines Zeichen der Unterstützung“ für queere Menschen gewesen sei: „Ich finde es peinlich für ein Land, das in der EU ist, solche Gesetze zu haben“, so Vettel konkret zum ungarischen Gesetz gegen Homo- und Trans-„Propaganda“. Er könne nicht verstehen, warum die Regierung so damit kämpfe, dass die Menschen einfach frei leben könnten, wie sie wollten. Hintergrund der Äußerungen ist ein Mitte Juni vom ungarischen Parlament beschlossenes Gesetz, das jegliche Darstellungen von Homo- oder Transsexualität in Büchern, Filmen, anderen Medien, und an Schulen verbietet. Zwar hat die EU hierzu bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, doch hält die rechtsnationale Regierung trotz internationaler Kritik an dem Gesetz fest – und will sich durch ein Referendum den Rückhalt der ungarischen Gesellschaft holen. Wie die Ungar*innen abstimmen werden ist noch unklar, doch auch sie haben Vettels Regenbogen-Aufzug gesehen und sind dadurch vielleicht beeinflusst worden. Dass jedoch nicht alle Promis ihre Plattform für Allyship nutzen, sondern sich sogar öffentlich gegen queere Menschen äußern, hat sich Ende Juli gezeigt, als der US-Rapper DaBaby bei dem Rolling Loud Festival in Miami behauptete, Aids sei eine „schwule Krankheit“. So rief er seine Fans auf, ihre leuchtenden Smartphones in die Höhe zu halten, „wenn ihr heute nicht mit HIV, Aids oder einer anderen sexuell übertragbaren Krankheit hergekommen seid, an der ihr in zwei, drei Wochen sterben werdet“. Zwar wurden diesen Falschaussagen schnell widersprochen, indem zum Beispiel der Musiker Elton John DaBaby vorwarf , Fehlinformationen zu verbreiten und eine Reihe von Fakten über HIV teilte; so tragen homofeindliche Tiraden bewunderter Stars zur unter anderem zur Stigmatisierung der Immunschwäche-Krankheit bei. „HIV-Fehlinformationen und Homophobie haben keinen Platz in der Musikindustrie“, teilte Elton Johns Aids Stiftung deswegen mit, eine Botschaft, die auch die Veranstalter*innen des US-Musikfestivals Lollapalooza unterstützten, indem sie DaBabys Auftritte absagten „Lollapalooza wurde auf der Basis von Vielfalt, Inklusivität, Respekt und Liebe gegründet. In diesem Sinne wird DaBaby nicht mehr im Grant Park auftreten“. Die Reaktion Elton Johns, des Lollapalooza, und unter anderen auch der Sängerin Dua Lipa, die sich von DaBaby distanzierte, sind Beispiele dafür, wie wichtig es ist entschieden gegen Fehlinformationen und homofeindliches, menschenverachtendes Verhalten vorzugehen – und Promis, die ihre Reichweite so nutzen, im wahrsten Sinne des Wortes keine Bühne zu bieten. Denn mit Prominenz kommt nicht nur Reichweite, sondern damit verbunden eine Verantwortung, und die wertvolle Möglichkeit, sich für marginalisierte Menschen und Themen einzusetzen – statt sie weiter zu stigmatisieren.
Homofeindliche Angriffe in München und Berlin
4. August 2021Weiterlesen Laut Polizeibericht vom Sonntag ereignete sich der Vorfall in München gegen 17.30 Uhr, als sich die betroffene Schülerin zusammen mit Freund*innen im Hirschgarten aufhielt. Dort wurde sie von zwei jungen Männern aus München zunächst angepöbelt und im weiteren Verlauf körperlich attackiert. Anlass des Angriffs war nach ersten Erkenntnissen die Pride-Flagge, die die 13-Jährige um die Schultern trug. Als ihr ein 14-jähriger Schüler zur Hilfe kam, wurde auch dieser attackiert, wobei er zu Boden fiel und weiter körperlich malträtiert wurde. Im Anschluss flüchteten die beiden Täter. Während Rettungskräfte die beiden verletzten Jugendlichen versorgten, konnte jedoch noch einer von ihnen festgenommen werden. Der 18-jährige Münchner wurde allerdings nach Aufnahme der Personalien wieder auf freien Fuß gesetzt, nach dem zweiten Angreifer wird weitergesucht. Die Polizei sucht Zeug*innen der Tat, daher werden Personen, die sachdienliche Hinweise geben können, insbesondere zur Ergreifung des zweiten Tatverdächtigen, gebeten, sich mit dem Münchener Kriminalfachdezernat 4 in Verbindung zu setzen (unter der Telefonnummer (089) 63007-0 oder auch jeder anderen Polizeidienststelle). Der Vorfall in Berlin geschah, wie die Polizei der Hauptstadt am frühen Samstagnachmittag nach aktuellem Ermittlungsstand meldete, als der 39-Jährige gerade auf dem Hof des Mehrfamilienhauses an der Straße der Pariser Kommune saß, und drei unbekannte Männer zu ihm kamen und ihn homofeindlich beleidigt haben sollen. Einer der Männer soll ihm anschließend gegen den Brustkorb getreten haben, sodass der Angegriffene nach hinten fiel. Um dem Angriff zu entkommen, flüchtete der 39-Jährige in seine Wohnung und schloss die Wohnungstür. Die Männer folgten ihm bis zur Tür, gegen diese sie mehrmals traten, bis sie aufsprang. Während dessen alarmierte der 39-Jährige die Polizei und die Angreifer flüchteten in unbekannte Richtung. Die Täter wurden im Polizeibericht nicht näher beschrieben. Die Berliner Polizei macht mögliche Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gezielt in ihren Berichten publik und meldet diese daher vergleichsweise häufig der Öffentlichkeit. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt haben eigene Ansprechpartner für LGBTI.
Fünf queere Feelgood Serien-Empfehlungen
3. August 2021Weiterlesen Mae ist ein aufstrebender Star in der Stand-Up-Szene. Doch ihre Trockenheit und ihr Suchtverhalten machen ihr das Leben schwer. Als sie die pragmatische George kennenlernt, die bisher nur mit Männern zusammen war, gerät ihr Gefühlsleben aus den Bahn. Die beiden beginnen eine berauschende Liebesbeziehung. George scheint für Mae wie eine Sucht zu sein. Aber wird sie ihre Sucht nach Liebe mit echter Liebe ersetzen können? Otis Milburn hat es nicht leicht. Denn er ist nicht nur unerfahren und ein Außenseiter an seiner Highschool, sondern auch noch der Sohn der erfolgreichen Sex-Therapeutin Jean. Umgeben von Anleitungen, Videos und unangenehm offenen Gesprächen mit seiner Mutter ist Otis – selbst noch Jungfrau – quasi ein Experte wenn es ums Thema Sex geht. Als sein Privatleben an der Schule öffentlich gemacht wird, beschließt Otis sein ganzes Wissen zu nutzen, um von seinen Mitschüler*innen anerkannt zu werden. Gemeinsam mit einer Freundin, Maeve, richtet Otis eine geheime Sprechstunde ein, in der er seine Mitschüler*innen berät. In „The L Word: Generation Q“, der Fortsetzung der Showtime-Serie „The L Word - Wenn Frauen Frauen lieben“, sind drei Charaktere aus der Originalserie wieder mit dabei: Bette, Alice und Shane. Die Handlung der Fortsetzung setzt 10 Jahre nach dem Ende von The L Word ein – und erzählt nicht mehr nur davon, wie Frauen Frauen lieben, sondern von viel, viel mehr: Eben einer queeren Generation. New York, 1986: Die Metropole pulsiert und ist so vielfältig wie nie zuvor. Wo auf der einen Seite der Kapitalismus der Trump-Ära regiert, zelebrieren queere Menschen die Ballroom-Subkultur mit pompösen und fabulösen „Voguing“-Wettbewerben. Dort können die Teilnehmenden ihre Träume ausleben und „posieren“ als wer sie wollen. Doch außerhalb der glanzvollen Clubatmosphäre kostet die AIDS-Epidemie viele Menschen das Leben. Claire macht mit Josh Schluss, weil er offensichtlich schwul ist, aber bleibt ihm weiterhin eine gute Freundin. Seinen Mitbewohner Tom scheint das nicht zu kümmern, aber Toms schwuler Arbeitskollege Geoffrey scheint nur auf diese Gelegenheit gewartet zu haben. Zu allem Überfluss ist die Mutter von Josh schwer depressiv und macht das Chaos perfekt, das jetzt sein Leben ist. Weitere Echte-Vielfalt-Empfehlungen finden Sie hier: Drei queere Feelgood-Filmempfehlungen Fünf queere Buchempfehlungen für Kinder Fünf queere Buchempfehlungen von Autor*innen of Color
Budapest Pride: Regenbogen gegen Orbán
28. Juli 2021Weiterlesen Doch während die Solidarität unter und mit queeren Menschen im In- und Ausland größer, und die Kritik an dem Gesetz lauter wird, hat das Gesetz auch zu einer Zunahme queer-feindlicher Rhetorik durch rechte Parteien in ganz Europa geführt. AfD-Chef Jörg Meuthen erklärte so etwa, dass „wenn die Ungarn die Einflüsse der LGBT-Ideologie als schädlich erachten und ihre Bürger, Werte und Traditionen vor diesen schützen möchten, dann ist das deren gutes Recht“, auch die AfD-Bundestagskandidatin Christina Baum betonte „Homo-Propaganda“ abzulehnen. Die EU-Kommission hingegen hatte vergleichsweise schnell auf das Gesetz reagiert und vor rund zehn Tagen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn gestartet, worauf Orbán in dieser Woche mit der Ankündigung eines Referendums reagierte. Damit soll die Bevölkerung über die vermeintlichen „Kinderschutz“-Pläne der Regierung und indirekt über das Gesetz abstimmen. Außerdem kündigte Orbán an, dass Ungarn keine Mittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds der EU annehmen wolle, falls Brüssel dies von einer Abschaffung des Gesetzes abhängig macht. In diesem Jahr fand also der CSD vor dem Hintergrund dieser queer-feindlichen Politik statt, eine Politik, die sich auch in der Gesellschaft spiegelt: Als LGBTQI*s und ihre Allys zu hochsommerlichen Temperaturen mit Regenbogenflaggen und Plakaten durch die Innenstadt zogen, gab es am Rande (unter anderem von Rechtsradikalen) auch kleinere Gegenproteste, die homofeindliche Sprechchöre skandierten und Plakate wie „Stop LGBT“ hielten. Sie seien jedoch von der Hauptstadt-Polizei auf sicheren Abstand zu den queeren Demonstrierenden gehalten worden. Doch viele queere Menschen können sich auch im Alltag nicht mehr in ihrer Heimat sicher und wohl fühlen: So plant Boldizsar Nagy, welcher das queer- und Roma-inklusive Kinderbuch „Wonderland Belongs to Everyone“ mitveröffentlichte, das Land zu verlassen. Der schwule ungarische Publizist erhält noch immer täglich Morddrohungen auf Sozialen Medien und fühlt sich nicht mehr sicher – außerdem verwehrt die ungarische Regierung ihm und seinem Partner ihren Wunsch ein Kind zu adoptieren – auf Basis eines Gesetzes, welches voraussetzt: „Die Mutter ist eine Frau, der Vater ist ein Mann“. Mit dem neuesten Gesetz könne nun alles passieren, so Nagy: „Wir haben Angst alles zu verlieren“. Doch Nagy sagte der Deutschen Welle zwei Tage vor der Pride-Parade in Budapest auch, dass das Gesetz viele Menschen, die dagegen sind, vereinen würde. „Jetzt sind wir endlich sichtbar“, erklärte er, und sprach die Hoffnung aus, dass deswegen am Samstag viele erscheinen würden – eine Hoffnung die sich, wie oben beschrieben, erfüllte.
Was beim CSD Berlin 2021 so passiert ist
27. Juli 2021Weiterlesen Damit spielte er auf die sogenannten „LGBT-Freien-Zonen“ in Polen an, von denen queere Menschen bewusst ausgeschlossen werden sollen. Der Beifall des Berliner Publikums für eine „Freiheitszone“ macht daher deutlich, dass es bei der Parade um den Kampf für LGBTQI*-Rechte nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland geht. So rief auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) anlässlich des CSD zur Solidarität mit verfolgten LGBTQI* auf, die bei ihrem Engagement für Gleichstellung und Respekt „in Kauf nehmen müssen, ausgegrenzt, verfolgt oder inhaftiert zu werden“. Während das heutige Berlin zwar „weltoffen und liberal“ sei, gäbe es auch in der „Regenbogenhauptstadt Europas“ homofeindliches Denken und Handeln: „Dem müssen wir uns gemeinsam entgegenstellen“. Dass jedoch alles gemeinsame Stehen, Marschieren und Demonstrieren momentan noch unter Abstands- und Maskenregeln stattfinden muss, konnte weder von den Organisator*innen der Veranstaltungen, noch der Polizei vollständig durchgesetzt werden. Die meisten Feiernden trugen zwar einen Mund-Nasen-Schutz (viele in Regenbogenfarben) und bemühten sich um Abstand, doch nicht immer wurden die Corona-Regeln eingehalten, obwohl die Organisator*innen immer wieder über Lautsprecher dazu aufriefen. Auch die Polizei machte die Teilnehmenden unter anderem über Twitter auf die geltenden Bestimmungen aufmerksam und drohte mit einem Abbruch der Demonstration, wenn es weiterhin Verstöße gäbe. Teilnehmende äußerten jedoch Verständnis für die Maßnahmen und lobten den friedlichen Ablauf des Umzugs, so kam es während der Parade selbst zu keinen größeren Zwischenfällen. Doch am späten Abend, nach Ende der Parade, eskalierte die Polizei eine Situation im Regenbogenkiez, wo nach der Demonstration in und vor der Szene-Bar „Hafen“ mit Alkohol, wenig Abstand und zum Teil ohne Maske gefeiert worden sei. So ereignete sich gegen 23:30 Uhr ein Polizeieinsatz, der von Berliner Rechtsanwalt Prof. Nico Härting anhand eines Facebook-Videos einer Festnahme als „Jagdszene“ beschrieben wurde, „an die wir uns nicht gewöhnen dürfen“: „Nach dem CSD setzt die Berliner Polizei eine Maskenpflicht, die es im Freien eigentlich gar nicht mehr gibt, unerbittlich durch“. Ein vor Ort gewesener Zeuge habe den Polizeieinsatz schon „rein optisch als sehr beängstigend“ erlebt: „Das ist natürlich krass, ausgerechnet beim CSD vor einer Schwulenbar“. „Ausgerechnet beim CSD“ in der „Regenbogenhauptstadt Europas“ ereigneten sich auch mehrere queer-feindliche Angriffe in verschiedenen Berliner Stadtteilen. So meldeten in Schöneberg drei vorherige CSD-Teilnehmende angegriffen und homofeindlich beleidigt worden zu sein, wobei alle leicht verletzt wurden. Am Sonntagnachmittag meldete die Polizei der Hauptstadt, dass im Bezirk Mitte ein 21-Jähriger durch einen Unbekannten von hinten getreten und von einem weiteren Mann mit der Faust ins Gesicht geschlagen wurde, nachdem die beiden Unbekannten eine Regenbogenfahne aus dem Rucksack des jungen Mannes gerissen hatten. So wird deutlich, dass es, trotz vereinzelter Missachtungen der Abstands- und Maskenregeln, die im Freien eintraten, ein großes Glück ist, dass sich auch dieses Jahr so viele Menschen unter dem Motto „Save our Community – Save your Pride“ in Berlin versammelten. Denn wie auf der ganzen Welt liegt noch einiges vor der als besonders queer-freundlich geltenden Stadt, bis sie sich in jeder Hinsicht – über Szene Clubs und Bars hinaus – als „Regenbogenhauptstadt“ bezeichnen darf.
Magazin Mut:Macher*innen
26. Juli 2021Warum wir die Pride in Deutschland brauchen
23. Juli 2021Weiterlesen In einer aktuellen Studie, die Europäische Länder nach ihrer LSBTIQ*-Freundlichkeit einstuft, ist Deutschland auf Platz 16 von 49 gelandet – und damit nicht einmal unter dem besten Viertel vertreten. Eine höhere Einstufung wurde dabei vor Allem wegen Fällen von Diskriminierung und Hass-Rede verhindert. Wie eine trans Frau in einem Video der Deutschen Welle schildert, gäbe es noch viele Gebiete in Deutschland (vor Allem im ländlichen Raum) wo es „unglaublich schwer“ sei offen queer zu leben ohne Diskriminierung zu erfahren. In diesen Gegenden bestünden noch „sehr, sehr starke Normen, gerade in Hinblick auf Geschlecht“. Ein schwuler Mann erklärt in demselben Video: „So lange ein 14-jähriger Junge auf dem Land noch Angst haben muss sich zu outen, brauchen wir Pride“. Doch nicht nur auf dem Land, sondern auch in (Groß-)Städten, welche oft als offener gelten, besteht noch Luft nach oben was die Akzeptanz, Rechte und Repräsentation queerer Menschen angeht. So erzählt ein Demonstrant in einem Queer.de-Vlog über die Marzahn-Pride 2021: „In Marzahn zu leben als Homosexueller ist manchmal echt 'ne Tortur, da der Großteil der Bevölkerung in Marzahn-Hellersdorf leider sehr homophob und rechts angehaucht ist“ – er meide den Stadtteil deswegen. Auch in anderen Berliner Stadtteilen (unter anderem Kreuzberg) ereigneten sich erst letzte Woche, wie echte-vielfalt.de berichtete, homofeindliche Angriffe auf einen Mann und auf ein lesbisches Paar. Die Frage danach, ob es in Deutschland noch Pride brauche, lässt sich folglich unschwer bejahen. Auf der einen Seite, weil es, wie die obigen Schilderungen und Ereignisse zeigen, noch eine deutliche Verbesserung im Bereich der gesellschaftlichen Akzeptanz und Wertschätzung queerer Menschen braucht. Darüber hinaus ist die Ehe für Alle nur eine Errungenschaft unter einer Reihe von Rechten, die es noch zu reformieren gilt: So gibt es in Deutschland noch immer ein Blutspende-Verbot für schwule Männer, und das veraltete sogenannte „Transsexuellen-Gesetz“ wurde auch in dieser Legislatur-Periode nicht wie versprochen reformiert. Es zwingt trans Personen für die rechtliche Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität immer noch Gutachten vorzuweisen, die bestätigen, dass sie wirklich trans* sind. Es lassen sich also viele politische Gründe finden, für die es sich absolut lohnt, an Pride noch auf die Straße zu gehen und für eine queer-freundlichere Welt zu demonstrieren. Wichtig ist jedoch auch, dass queere Menschen durch Pride auch weiterhin einen Raum haben, indem ihre Existenz explizit anerkannt und gefeiert wird. Solange das für sie nicht wie für heteronormative Mehrheitsgesellschaft zum Alltag gehört, braucht es, selbst nach allen möglichen politischen und rechtlichen Errungenschaften, Pride in Deutschland – und auf der ganzen Welt.
Weiterlesen In der am Donnerstag gestarteten LGBTIQ*-Wahlstudie zur Bundestagswahl befragen Wissenschaftler*innen der Justus-Liebig-Universität Gießen in Kooperation mit dem LSVD die queere Community. Davon erhoffen sie sich „neue Impulse für politische Debatten und auch für die Wahlforschung“. Wie Queer.de berichtet, ist die Online-Umfrage vom 15. Juli für vier Wochen (bis zum 12. August) online. Ende August 2021 sollen die Ergebnisse bei einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die parteiunabhängige Studie „wird ohne finanzielle Unterstützung von Dritten realisiert“, heißt es in einer Presseerklärung. Die Umfrage ist anonym, und es werden keine personenbezogenen Daten erhoben oder gespeichert. Ähnliche Umfragen wurden vom selben Forschungsteam bereits seit 2015 zu verschiedenen Wahlen in Deutschland und Österreich durchgeführt.