Echte Vielfalt

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Am 11. Februar wurde Brianna Ghey, ein trans Mädchen, in einem Park in Culcheth, England, erstochen. Unter Tatverdacht stehen zwei 15-Jährige, gegen sie wird aktuell auch in Hinblick auf ein Hassverbrechen ermittelt. Im Vereinigten Königreich sowie international wird die anhaltende Gewalt gegenüber trans Personen und der Tod der jungen Frau betrauert. Britischen Medien und Politik wird zudem vorgeworfen, Transfeindlichkeit im Land zu schüren.

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Nach mehreren Messereinstichen ist die trans Teenagerin Brianna Ghey am Tatort im Culcheth Linear Park gestorben. Zunächst habe die Polizei keine Beweise für ein Hassverbrechen gesehen, wie der Guardian kurz nach der Tat berichtet. Nun wird jedoch die Möglichkeit bei den Ermittlungen einbezogen, dass Brianna aus transfeindlichen Motiven getötet wurde. Anfeindungen hat die Jugendliche bereits vorher erfahren. Die britische Zeitung The Sun veröffentlicht Äußerungen von Briannas Freunden, die beklagen, dass obwohl die Teenagerin bereits seit Jahren aufgrund ihrer Geschlechtsidentität gemobbt wurde, die Schule nicht eingegriffen habe.

Der Vorfall scheint das transfeindliche Klima im Vereinigten Königreich abzubilden. Das Online-Magazin „them“ wirft britischen Medien vor, die Diskriminierung von trans Personen in den letzten Jahren normalisiert zu haben und somit der transkritischen Politik der britischen Regierung in die Hände zu spielen. Auch Brianna Ghey wurde nach ihrem Tod in einigen medialen Berichten misgendert. Auf ihrer Todesurkunde steht das falsche Gender, eine Folge davon, dass es britischen Minderjährigen verwehrt wird, ihren offiziellen Geschlechtseintrag anzupassen.

Zum Tod Briannas wurden in vielen Städten Mahnwachen mit hunderten Trauernden abgehalten. Nach Angaben von PinkNews betonen Teilnehmer*innen, dass das Vereinigte Königreich keine Sicherheit für trans Personen biete. Der Tod von Brianna Ghey stelle einen „Krisenpunkt“ dar, so Aktivist*innen: „Wir sind es leid, unsere trans Schwestern, trans Brüder und trans Geschwister, die so gewaltvoll von uns genommen wurden, zu betrauern.“

Die als „stark, angstfrei und einzigartig“ beschriebene Teenagerin hinterlasse ein großes Loch in ihrem Umfeld, so die Angehörigen von Brianna Ghey. Solidarisch mit der hinterbliebenen Familie zeigen sich etliche Menschen bei den Mahnwachen sowie mit einer Spendenkampagne. Es bleibt, den Tod eines jungen trans Mädchens zu betrauern und zu hoffen, dass die Gewalt gegenüber der trans Community ein Ende nimmt – in England und weltweit.

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Am 15. Juli letzten Jahres reichte die Europäische Kommission in gleich zwei Fällen Klage gegen Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof ein. Die Klage war dabei der nächste Schritt im bereits 2021 eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren.

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Wie es dazu auf der Webseite der deutschen Vertretung heißt, habe Ungarn mit seinen Gesetzen von 15. Juli 2021 zum „strengeren Vorgehen gegen Pädophilie und der Änderung bestimmter Gesetze zum Schutz von Kindern“ auch auf Inhalte gezielt, die einen klaren diskriminierenden Zweck verfolgen. Laut Gesetzestext würden damit Inhalte eingeschränkt, die „von dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht abweichende Identitäten, Geschlechtsumwandlungen oder Homosexualität fördern oder darstellen“. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, wurde die Kommission entsprechend deutlich:

„Die Kommission hat nie infrage gestellt, dass Kinder Recht auf Schutz haben. Durch das ungarische Recht werden jedoch eindeutig Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert. Es steht den Grundwerten der Europäischen Union entgegen und verstößt gegen eine Reihe von EU-Vorschriften […]“:

Unter anderem verstoße das Gesetz dabei gegen die „Unantastbarkeit der Würde des Menschen, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie das Recht auf Nichtdiskriminierung“, der Artikel 1, 7, 11 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Weiter hieß es, aufgrund der Schwere verstoße es zudem gegen die gemeinsamen Werte nach Artikel 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU.

Aber damit nicht genug: Auch im zweiten Verfahren hatte Ungarn durch eine „intransparente Beendigung von Frequenznutzungsrechten von Klubrádió“, einem regimekritischen Radiosender, nicht nur unverhältnismäßig gehandelt und damit gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstoßen, sondern mit dieser Beendigung ebenfalls diskriminiert.

Bis es allerdings so weit kam, bedurfte es einiger Anstrengung auf Seiten der LGBTI* Organisationen. Wie das Magazin schwulissiom berichtet, war vom Beginn des Vertragsverletzungsverfahrens bis zur letztendlichen Verweisung an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eine monatelange Diskussion notwendig gewesen.

„Erst auf Druck von LGBTI*-Verbänden wie Forbidden Colours wurde der Fall schließlich von der EU-Kommission offiziell Ende letzten Jahres eingereicht und heute im Amtsblatt der EU veröffentlicht.“

Damit haben die Mitgliedstaaten seit dem 13. Februar 2023 sechs Wochen Zeit, schriftlich Stellung zu beziehen.

Auch wenn es hierbei um Europa geht, reicht der Fall in seiner Relevanz weit über Ungarn und die EU hinaus. Wie Rémy Bonny, Direktor von Forbidden Colours im Interviewe mit schwulissimo erklärt, gehe es darum, deutlich zu machen, dass Ungarn die LGBTI*-Community als Sündenbock missbraucht. Dabei stellte er fest, dass Ungarn nur die Spitze des Eisbergs sei und dass sich in der gesamten Europäischen Union Rückschläge in Bezug auf LGBTI*-Rechte feststellen ließen. Die Zunahme von Anti-LGBTI*-Vorfällen seien weniger die Folge von mehr konservativen Menschen, sondern vielmehr von den stark aus dem Ausland finanzierten politischen Führungen in Ungarn, aber auch Polen. Laut Bonny fließen die Gelder dabei sowohl aus Richtung Kreml als auch „von amerikanischen evangelikalen multinationalen Konzernen“.

Die Behauptung Bonnys, die LGBTI*-Bewegung verteidige die Demokratie an vorderster Front, ist demnach nicht bloße rhetorische Mobilisierung. Im Gegenteil bestätigen das Vertragsverletzungsverfahren sowie der nun erfolgte Verweis an den EuGH, dass die Bedrohung ernst zu nehmen ist.

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Am 05. Februar dieses Jahres wurde in Los Angeles bei den 65. Grammy Awards der wichtigste US-amerikanische Musikpreis verliehen. Dabei ging der Grammy in der Kategorie ‚Beste Popdarbietung eines Duos/einer Gruppe‘ in diesem Jahr an Kim Petras und Sam Smith. Sie gewannen die Auszeichnung für ihren Song „Unholy“.

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Der Song handelt von einem Familienvater, der sich in einem „Body Shop“ (Stripclub) vergnügt, während seine Frau zu Hause ist. Das Thema ist für Musik und Film keine Neuheit und dennoch entfaltet der Song seine Wirkung gerade durch den Kontrast zwischen dem vorschnell assoziierten „Mann – Frau“ Konflikt durch den Text und dem klaren Bruch des Videos mit binären Vorstellungen.

Die in Köln geborene Sängerin Kim Petras ist damit die erste trans Person, die mit einem Grammy ausgezeichnet wurde, so der Stern. Zwar hatte bereits die Komponistin Wendy Carlos in den Siebzigerjahren drei Grammys gewonnen (rnd), sich allerdings erst später als trans Person geoutet. Sam Smith hingegen ist zugleich der*die erste Künstler*in mit einem Grammy, der*die sich als nicht binär versteht.

Wie Petras nun gegenüber dem Magazin Variety berichtete, sahen die Plattenfirmen ihre Musik bis dato eher als Nischenmusik für Trans-Klubs. Die Plattenfirmen wussten nicht recht, wie sie ihre Musik vermarkten sollten. Im Oktober letzten Jahres stieg Unholy dann auf Platz drei in den „Billboard Hot 100“ und kletterte einen Monat später auf Platz eins.

Damit haben Smith und Petras, wie sie selbst sagen, gegenüber den Plattenfirmen bewiesen, dass Tanzkünstler*innen und Nichtbinäre keine Nische, sondern genauso Mainstream sein können. In ihrer Dankesrede betonte Petras allerdings, dass sie mit diesem Sieg auf den Schultern von Legenden stehe: „Ich will nur all den unglaublichen Transgender-Legenden vor mir danken, die diese Türen für mich eingetreten haben, damit ich heute Abend hier sein kann“, zitiert schwulissimo. Dabei spielt sie vor allem SOPHIE an, die ein Vorbild für Petras sei und damals als erste führende trans Künstlerin für einen Grammy in der Kategorie Danke/Electric nominiert wurde.

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Die seit Februar 2023 in Hamburg aktive Volksinitiative "Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung" ist mit queerfeindlichen Äußerungen aufgefallen. Die evolutionstheoretischen Argumente der Anti-Gender Initiative werden nun von vielen Seiten zurückgewiesen.

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Gegen gendergerechte Sprache mithilfe des Gender-Sternchens „*“ oder dem Zusatz „innen“ werden in Hamburg aktuell Unterschriften gesammelt. Es wird eine Rückkehr zum generischen Maskulinum in Verwaltungs- und Bildungseinrichtungen gefordert. Alles andere würde Ungleichheiten eher befördern als auflösen, begründet die Initiative, welche vom Verein Deutsche Sprache ins Leben gerufen wurde. Dabei wendet die Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft Jennifer Jasberg im Hamburg Journal ein, dass es gar keine verbindlichen Gebote zum Gendern in Hamburg gebe. Dennoch haben die Forderungen in der Hansestadt Anklang gefunden – beispielsweise bei der Hamburger CDU unter Christoph Ploß, der sich schon lange gegen gendergerechte Sprache positioniert hat. Auch die AfD bekundet ihre Unterstützung für das Vorhaben.

Der teils reaktionäre und populistische Charakter der Initiative verwundert nicht, die Debatte um das Gendern ist vielerorts erhitzt. In einem vor kurzem veröffentlichten Artikel kann nachgelesen werden, wie es derzeit um geschlechtergerechte Sprache in Schulen steht. Auf eine neue Ebene bringt die Sprecherin der Initiative Sabine Mertens die Auseinandersetzung in Hamburg jedoch mit dem homo- und transfeindlichen Kommentar: „Wenn wir jetzt alle schwul, lesbisch und trans werden sollen, dann ist die Evolution zu Ende“. Klar wird mit dieser Äußerung, dass es der Bewegung nicht rein um das Sprachliche geht. So stellt sich die Frage, ob Queerfeindlichkeit die eigentliche Basis für die Bestrebungen der Initiator*innen schafft.

Der Verein Hamburg Pride kritisiert die Äußerung Mertens scharf und merkt an, dass die Anti-Gender-Initiative Vorurteile gegenüber LSBTIQ-Personen schüre. Von der Aussage distanziert sich auch CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Politiker*innen von SPD, Grüne und Linke beklagen, dass die Hamburger Initiative gegen das Gendern und die Diskriminierung von LSBTIQ Hand in Hand gingen. Dahingegen würde eine inklusive und gendergerechte Sprache „Menschen – unabhängig ihrer geschlechtlichen Identität – Teilhabe in der Gesellschaft ermöglichen“, so Hamburg Pride in einem Instagram-Post. Auch echte-vielfalt spricht sich dafür aus, dass Sprache die geschlechtliche Vielfalt abbilden sollte, denn Sichtbarkeit ist notwendig für Akzeptanz.

Wie erfolgreich die Initiative ist, wird sich in sechs Monaten zeigen. Bis dahin müssen 10.000 gültige Unterschriften gesammelt werden, damit sie als Volksbegehren weitermachen kann. Eine kürzlich veröffentlichte repräsentative Umfrage des WDR zeigt auf, dass es eine breite Masse an Unterstützer*innen geben könnte: Fast 60 Prozent der Befragten lehnen Gendern mithilfe des Sternchens oder Doppelpunkts ab und ähnlich viele empfinden gendergerechte Sprache als weniger oder gar nicht wichtig.

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Nachdem es das Selbstbestimmungsgesetz 2022 nicht mehr geschafft hat in die Verabschiedung zu gehen, lässt ein Interview des Tagesspiegels mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vergangenen Samstag nun eine baldige Umsetzung erwarten.

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Aktuell gilt immer noch das „Transsexuellengesetz“ aus den 1980ern. Bereits im Oktober letzten Jahres wurde bei echte vielfalt dazu ein Artikel veröffentlicht, als deutlich wurde, dass die Regierung ihr eigenes Ziel nicht mehr einhalten könne. Nun scheint es in Reichweite gerückt, denn gegenüber dem Tagesspiegel sagte Buschmann:

„Die Arbeiten sind weitgehend abgeschlossen. Wir klären einige Detailfragen. So gibt es etwa die Sorge, dass das Selbstbestimmungsgesetz die Vertragsfreiheit und das Hausrecht einschränken könnte. Das wollen wir nicht, darin sind wir uns in der Koalition einig.“

Staatssekretär und Queer-Beauftragter Sven Lehmann (Grüne) begrüßte nach Angaben des Magazins queer die Aussage Buschmanns: „Der Entwurf liegt jetzt im Justizministerium zur Freigabe". Lehmann betonte, sobald das Justizministerium den Entwurf freigebe, könne mit der Gesetzgebung begonnen werden.

Aber Vorsicht mit den Erwartungen, denn das Thema bleibt weiterhin kontrovers. Was Buschmann hier nebenbei als „Detailfrage“ bezeichnet, ist tatsächlich einer der härtesten Streitpunkte, an dem sich die Fronten auch innerhalb der LSBTIQ * Gemeinschaft scheiden. Dabei scheinen der formale behördliche Vorgang zur Geschlechtsanpassung in den Dokumenten und die Anerkennung durch die Behörden weniger das Problem darzustellen. Wichtiger scheint für Buschmann hingegen im Voraus zu klären, ob bspw. Fitnessstudios oder Saunen, die ein Angebot ausschließlich für Frauen bereithalten, weiterhin eben jene „Vertragsfreiheit“ besitzen würden. Es geht hierbei um die Entscheidung, ob sie alle Personen aufnehmen müssen, die den Geschlechtseintrag „weiblich“ haben, oder ob sie an anderen Merkmalen differenzieren wollen und dies nach Gesetz auch dürfen. Allerdings ließ Buschmann bereits eine Richtung erkennen: „Wo es dafür ein nachvollziehbares Bedürfnis (zum Differenzieren) gibt, etwa in Saunen, wird das weiterhin möglich sein, wie es heute auch der Fall ist“, so Buschmann. Auch nach der Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes sei sichergestellt, dass aus rechtlicher Sicht „inakzeptables Verhalten“ verhindert werde.

Bereits heute regelt § 20 des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes ausdrücklich, dass eine unterschiedliche Behandlung nicht das Benachteiligungsverbot verletzt, wenn bspw. dadurch Gefahren verhindert oder die Intimsphäre geschützt werden. Was allerdings Gefahren oder eine Verletzung der Intimsphäre ausmacht, ist im Streitfall Auslegungssache der Gerichte.

Nicht nur die Gesetzgeber*innen, auch die Jurist*innen stehen also vor der Aufgabe, zwischen den Schutzrechten verschiedener Bürger*innen und gesellschaftlicher Gruppen abzuwägen. Weder darf dabei die Angst vor Rechtslücken abgetan noch darf ignoriert werden, dass die Debatte stigmatisierend gegenüber trans Personen wirken kann. An welchen Stellen allerdings Differenzierung zu Diskriminierung wird und wo auf der anderen Seite Zugang zu Räumen zum Sicherheitsrisiko führt, bleibt von allen Beteiligten weiterhin zu beobachten.

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Als einziger Staat in der G7-Gruppe hat Japan bis heute die gleichgeschlechtliche Ehe nicht anerkannt. Erst im November 2022 war eine Klage vor dem Bezirksgericht in Tokyo abgewiesen worden.

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Nach einem Bricht der Tagesschau hatten acht Personen auf Schmerzensgeld geklagt, weil ihnen mit der Verweigerung einer Ehe seelischer Schaden zugefügt worden sein. Das wies das Gericht zurück und bestätigte nochmals, „[…] dass die Weigerung des Staates, gleichgeschlechtliche Ehen rechtlich anzuerkennen, nicht gegen die Verfassung verstößt“. In Gegensatz dazu hatte allerdings 2021 ein Bezirksgericht in der nördlichen Stadt Sapporo die staatliche Weigerung zur Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe durchaus als Verletzung des in der Verfassung garantierten Rechts auf Gleichbehandlung angesehen. Damit stellt das Urteil aus Tokyo einen Rückschritt dar. Hinzu kommt, dass viele Menschen immer noch ihre sexuelle Orientierung oder ihre Geschlechtsidentität aus Angst diskriminiert zu werden verstecken. Um dieser Angst zu begegnen, gibt es in einigen Gemeinden inzwischen die Möglichkeit einer eingetragenen Partnerschaft. Diese sei zwar rechtlich nicht bindend, soll aber gerade bei der Wohnungssuche oder einem Krankenhausbesuch der Diskriminierung entgegenwirken, so das Argument. Hiermit ist zwar immer noch nichts gewonnen, es zeigt aber, dass das Thema vor den japanischen Gerichten und in der Öffentlichkeit angekommen ist.

Dass dieser Diskurs auch in der obersten politischen Ebene verfängt, machen aktuelle Berichte von Tagesschau und Deutschlandfunk vom 4. und 5. Februar deutlich. Masayoshi Arai, Mitarbeiter des Büros des Ministerpräsidenten Fumio Kishida, hatte sich vergangene Woche gegenüber dem Sender NHK abfällig über gleichgeschlechtliche Paare geäußert. Aria sagte „[…] er wolle gleichgeschlechtliche ‚Paare nicht einmal ansehen‘ und sie auch nicht zu Nachbarn haben“. Zudem glaube er, dass Menschen das Land verlassen würden, wenn es die Ehe für alle gebe. Zwar entschuldigte sich Aria später für seine Aussage, dennoch musste er seinen Posten räumen. Der Vorfall nötigte letztendlich auch Ministerpräsidenten Kishida zu einer Reaktion, der zuvor eher durch sein Zögern bei diesem Thema aufgefallen war.

Laut Kishida stehe die Bemerkung im Widerspruch zur Regierungshaltung, die eine vielfältige und inklusive Gesellschaft anstrebe und Diversität anerkenne. Gleichzeitig, so die Tagesschau mit Berufung auf die Nachrichtenagentur AFP, äußert Kishida gegenüber dem Parlament Bedenken, dass gleichgeschlechtliche Ehen „die Gesellschaft beeinträchtigen" könnten und mahnte die Abgeordneten zur vorsichtigen Prüfung des Vorhabens.

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‚The Last of Us‘ ist eine Adaption des gleichnamigen Videospiels und seit dem 16. Januar auf HBO zu sehen. Die Geschichte spielt in einer postapokalyptischen Welt, die von einem Pilz befallen wurde, der Menschen mutieren lässt. Die Überlebenden haben sich daraufhin in Quarantänezonen zurückgezogen, die von einer Militärdiktatur kontrolliert werden. Der Schmuggler Joel Miller (Pedro Pascal) wird von der Untergrundorganisation Fireflies beauftragt, die 14-jährige Ellie Williams (Bella Ramsey) in ein Geheimversteck zu bringen. In der dritten Episode ‚Long Long Time‘ geht es dabei um die romantische Beziehung zwischen zwei Männern Bill (Nick Offerman) und Frank (Murray Bartlett).

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Wie Peter Hoar, Direktor der Serie im Interview mit Gay Times betont, sei das Thema dabei allerdings weder eine Frage der sexuellen Orientierung noch der Selbstfindung, und auch in den Flashbacks der Folge spielen beide Aspekte keine Rolle. Vielmehr liegt der Fokus darauf, wie zwei Personen in dieser lebensfeindlichen Welt zueinanderfinden und trotz aller Gewalt um sie herum eine Beziehung führen, die auch Gefühle zulässt. Wie Gay Times bemerkt, waren homosexuelle Beziehungen bereits im Videospiel vorhanden, ohne dabei in den Mittelpunkt zu rücken:

„Bill und Frank sind genauso überlebensfähig wie ihre heterosexuellen Gegenstücke (vielleicht sogar noch mehr, daher ihr langes und illustres Leben), ihre Sexualität wird nicht definiert und keiner von ihnen begibt sich auf eine Reise der Selbstfindung. Diese Geschichten sind natürlich immer noch wichtig, aber in einer Welt der Clicker und Bloater [so heißen die Mutanten] und so weiter interessiert das niemanden mehr.“

Die Folge macht also deutlich, dass es gelingen kann, Homosexualität auch im Mainstream Selbstverständlichkeit zu verleihen. In unserem letzten Artikel zum aktuellen Winterfilm von Disney hatten wir mit Bezug auf Wolfgang M. Schmitt darauf hingewiesen, dass gerade in der Explizität, mit der der Disneykonzern die Selbstverständlichkeit von Homosexualität betont, es aber gleichzeitig an Romantik fehlen lässt, diese Selbstverständlichkeit infrage gestellt wird. ‚Long Long Time‘ gelingt hingegen genau das Gegenteil: Indem die Folge eine romantische, aber nicht kitschige Beziehung zweier Männer zeigt, die ohne moralischen Zeigefinger für sich steht, stellt sie die Bilder nicht infrage. Damit erzeugt sie eine Atmosphäre, die die Beziehung selbstverständlich macht.

Und noch etwas macht die Serie richtig: Anders als in dem Verständnis von Amazons „inclusion playbook“, worüber wir bereits kritisch berichteten, scheint bei HBO kein Missverständnis über den Beruf des Schauspielers vorzuherrschen. Nick Offerman ist im richtigen Leben mit der Schauspielerin Megan Mullally verheiratet, ohne dass dies ein Problem für seine handwerkliche Umsetzung einer Rolle darstellen würde.

Damit ist speziell die dritte Folge von ‚The Last of Us‘ ein ermutigendes Zeichen, dass auch in der Produktionsmaschinerie der großen Filmfirmen eine progressive Entwicklung möglich ist, die mehr ist als Klischee- und Quotenerfüllung. Selbstverständlichkeit bedeutet dabei, dass LSBTIQ* Charaktere einen Platz in Serien und Filmen haben, ohne dass dies extra thematisiert werden müsste.

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Dass Politik immer auch einen gewissen Opportunismus an den Tag legt, ist nichts Ungewöhnliches. Häufig ist damit die Kritik verbunden, sie ignoriere dabei die Bedarfe von Minderheiten oder auch Mehrheiten ohne eigene Lobby. Wenn es allerdings um Gratis-Kondome geht, so wäre ein Opportunismus eine Win-win-Strategie.

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Nach einer aktuellen Umfrage der DAK-Gesundheitskasse befürworten 86 % der Befragten kostenfreie Kondome für Personen unter 26 Jahren. Betrachtet man nur die Gruppe der Befragten bis 44 Jahre, so steigt die Befürwortung sogar auf 91 %. Dabei ist das kostenlose Angebot nur die eine Seite. Genauso wichtig ist die Frage, ob das Angebot auch angenommen würde. Die DAK verweist hier auf eine Umfrage des Forsa-Instituts, nach der 63 % der Antwortenden denken, dass kostenlose Kondome auch häufiger verwendet würden. Bei den Befragten unter 45 Jahren glaubten das sogar Dreiviertel. Für die politisch Verantwortlichen bietet das somit eine opportune Gelegenheit, Handlungsfähigkeit zu beweisen. Zwar steht im Koalitionsvertrag, dass Krankenkassen die Möglichkeit bekommen sollen, Verhütungsmittel als Satzungsleistung erstatten zu können, allerdings fehlten dafür bis jetzt die rechtlichen Rahmenbedingungen, so DAK-Vorstandschef Andreas Storm:

„Beim Vorhaben der Ampel-Koalition geht es um Verhütungsmittel zum Schutz vor ungewollten Schwangerschaften. Dieser Ansatz ist zu kurz gedacht. Wirksamer Infektionsschutz gegen sexuell übertragbare Krankheiten muss stärker in den Fokus rücken.“

Es geht also nicht nur um das Abwägen unterschiedlicher Meinungen zur Verhütung, sondern auch um eine ethische Verantwortung gegenüber denen, die sich der Gefahren selbst evtl. (noch) nicht bewusst sind, wie zum Beispiel Jugendliche und junge Erwachsene.

Fachkräftemangel - insbesondere der Mangel an Krankenpfleger*innen - machen deutlich, welche Folgekosten hinter dem Ignorieren einer solch „einfachen“ Forderung stehen. Denn letztendlich bedeutet ein Anstieg von Infektionskrankheiten höhere Gesundheitskosten und im Falle von Arbeitsausfall einen klaren Wohlfahrtsverlust für die Gesellschaft.

Das mag auf den ersten Blick sehr nüchtern klingen, für die verschiedenen Vereine, Gruppen und Verbände innerhalb der LGBTQ* Gemeinschaft bietet es allerdings ein zusätzliches Argument, politischen Druck zu erzeugen.

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Das Thema um Transgender Personen und ihre Rechte ist in Schottland eine heiß debattierte Angelegenheit, die auch über die Region hinaus Beachtung findet. Hauptstreitpunkt ist dabei das Selbstbestimmungsgesetz, über das echte vielfalt schon mehrfach berichtet hat. Ein zentrales Argument der Gegner*innen des Selbstbestimmungsgesetzes ist dabei, dass besonders für Frauen und Mädchen die Gefahr besteht, dass geschlechtsspezifische Schutzräume verletzt werden. Dabei wurde neben öffentlichen Toiletten oder Frauenhäusern immer wieder auch auf Gefängnisse verwiesen.

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Erst vor wenige Tagen berichtete echte vielfalt darüber, dass die britische Zentralregierung das schottische Gesetz durch ihr Veto blockiert hatte und sich dabei u.a. auf das Argument der Schutzräume bezog. Vor diesem Hintergrund entbrannte nun eine Zuspitzung des Diskurses, als zwei trans Gefangene in ein Frauengefängnis verlegt werden sollten. In einem Fall handelt es sich um eine Sexualstraftäterin, die vor ihrer Geschlechtsanpassung zwei Frauen vergewaltigt hatte. Im anderen Fall um eine trans Straftäterin, die wegen einer Gewalttat gegen eine Krankenschwester und Stalking einer 13-Jährigen verurteilt wurde. Wie die Magazine queer und schwulissimo zusammenfassend berichten, wurde die Verlegung inzwischen nach massiver öffentlicher Kritik gestoppt. Auch wenn dieser Stopp gerechtfertigt ist, so kann an solchen extremen Beispielen nicht oft genug die Gratwanderung der Identitätsdebatte gezeigt werden.

Wie die BBC mit Verweis auf den „Scottish Prison Service“ zeigt, befinden sich momentan 15 Transgender Straftäter*innen in schottischen Gefängnissen, darunter drei trans Männer und fünf trans Frauen, die in Frauengefängnissen untergebracht sind. Wie Justizminister Keith Brown gegenüber der BBC erklärte, gebe es in den Frauengefängnissen jedoch keine Transgender Gefangenen, die wegen Gewalt gegen Frauen verurteilt wurden. In Bezugnahme auf die beiden aktuellen Fälle erließ Brown nun eine Anordnung, dass keine bereits inhaftierte trans Person mit einer Vorgeschichte von Gewalt gegen Frauen von der Männer- in die Frauenabteilung verlegt werde. Gleiches gelte auch für neu verurteilte oder in Untersuchungshaft befindliche trans Gefangene mit einer Vorgeschichte von Gewalt gegen Frauen. Gleichzeitig dementierte Brown, dass im Falle von Tiffany Scott (s.o., Fall zwei) überhaupt eine Genehmigung für einen Transfer vorgelegen habe.

Beide Fälle machen dabei deutlich, dass das Argument zur Bewahrung geschlechtsspezifischer Schutzräume auch von den Befürworter*innen nicht abgetan werden sollte. Allerdings läuft die Debatte dabei Gefahr, mit dem Fokus auf Transgender die eigentliche Problematik aus dem Blick zu verlieren.

Bereits in einem früheren Artikel wurde an dieser Stelle auf den Umstand hingewiesen, dass es eine schwierige, aber explizite Aufgabe der staatlichen Organe ist, zwischen den Bedürfnissen und Gefahren verschiedener Gruppen abzuwägen. Anders als bei öffentlichen Räumen müssen Gefängnisse ihre Insass*innen grundsätzlich auch vor Gewalttaten des eigenen Geschlechts schützen. Solange also keine dritte Gefängniskategorie existiert, geht also darum, Gefahren zu managen. Bei insgesamt 15 trans Straftäter*innen kann von der schottischen Justiz entsprechend erwartet werden, die Gefährdungsbeurteilungen im Einzelfall durchzuführen, auch um den Schutzbedarf von trans Gefangenen zu gewähren. Das bedeutet allerdings zu akzeptieren, dass es keine pauschale Lösung geben wird.

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Dieses Jahr legte der Bundestag am Holocaust-Gedenktag erstmals den Fokus auf die queeren Opfer des Nationalsozialismus. Im Rahmen der Debatte um die Verfolgung sexueller Minderheiten in Deutschland werden die Kontinuitäten dieser Praxis in der deutschen Geschichte betont sowie auf Wissenslücken hingewiesen.

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Auf Basis des Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches wurden während des Nationalsozialismus rund 50.000 Menschen wegen ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität verurteilt. Bis zu 15.000 von ihnen wurden in ein Konzentrationslager gebracht, viele davon für medizinische Experimente herangezogen und ermordet. Wie der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) darlegt, wurde die Verfolgung mit dem Ende der NS-Zeit jedoch noch lange nicht eingestellt. Eine umfassende Kriminalisierung von Homosexualität fand bis 1969 statt und erst im Jahr 1994 wurde der sogenannte „Schandparagraf“ gestrichen. Mit diesem bestand in Deutschland über 123 Jahre ein rechtlicher Legitimationsrahmen für die Kriminalisierung und Verfolgung homosexueller Menschen. Deshalb sei eine ausdrückliche Anerkennung dieser Gruppe im Rahmen des Holocaust-Gedenktages umso wichtiger.

Neben der bisherigen Vernachlässigung dieser Opfergruppe in der deutschen Erinnerungskultur gebe es nicht genug differenziertes Wissen zum Thema, wie der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann betont: "Die Verfolgung homo- und bisexueller Männer und Frauen, insbesondere in der NS-Zeit, aber auch ihre Kontinuität in der Bundesrepublik und der DDR, sind nicht ausreichend erforscht. Zur Geschichte von trans- und intergeschlechtlichen Menschen gibt es kaum Forschung.“ Bisher wurde sich in der Geschichtswissenschaft vorrangig auf die Verfolgung schwuler Männer konzentriert. Dass auch lesbische Frauen betroffen waren und von den Nazis als ‚Asoziale‘ inhaftiert wurden, konnte erst spät nachgewiesen werden.

Der Historiker und Initiator der Petition für das Gedenken an homosexuelle Opfer des NS-Regimes Lutz van Dijk äußert in einem Interview mit ZEIT ONLINE, dass die Erinnerung an queere Opfer der NS-Zeit am Holocaust-Gedenktag einen Anstoß für weitere Forschungsvorhaben liefern soll. Auch der LSVD erwartet ein gründliches Aufarbeiten dieser Geschichte der Bundesrepublik und der DDR, wie in einem älteren Artikel von echte-vielfalt nachgelesen werden kann. Dafür müssten Bund, Länder und Kommunen Mittel bereitstellen. Denn „Erinnerung setzt Wissen voraus“, so der Verband.

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