Echte Vielfalt

Beratung und Recht

Deutschland hat ein Problem mit seiner Blutversorgung. Blutkonserven sind jedoch essenziell für die medizinische Versorgung. Aber nicht erst seit der Coronapandemie ist ein Rückgang von Blutspenden zu verzeichnen.

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Laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) drohe den Blutbanken ein „eklatanter Mangel“. Das RND bezieht sich hier auf eine Äußerung des Direktors des Instituts für Klinische Hämostaseologie und Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes, Hermann Eichler. Grund hierfür sei vor allem der demografische Wandel, der dazu führe, dass die Generation der Babyboomer langsam in ein Alter komme, in dem sie aus den Spendenpools ausscheide.

Damit bricht eine große Gruppe aus der Versorgung, die nicht einfach ersetzt werden kann. Umso fragwürdiger ist daher die diskriminierende Haltung der Bundesärztekammer. Wie das Magazin queer zusammenfasst, gelten seit Herbst 2022 zwar gelockerte Richtlinien für Homosexuelle, vor allem Männer, die Sex mit Männern haben, aber auch queere und weitere Personen der LSBTIQ* Gemeinschaft. Dennoch bleiben die Vorschriften deutlich diskriminierend verglichen mit heterosexuellen Männern, für die grundsätzlich lockerere Regeln gelten.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant daher eine Gesetzesänderung, die die Bundesärztekammer dazu verpflichte, ihre Blutspende-Richtlinien innerhalb von vier Monaten entsprechend anzupassen. Gegenüber dem RND sagte Lauterbach:

"Ob jemand Blutspender werden kann, ist eine Frage von Risikoverhalten, nicht von sexueller Orientierung. Versteckte Diskriminierung darf es auch bei diesem Thema nicht geben […] Die Bundesärztekammer muss endlich nachvollziehen, was im gesellschaftlichen Leben längst Konsens ist."

Dass bestimmtes Sexualverhalten ein Infektionsrisiko birgt, steht dabei nicht zur Debatte. Ob sich aber eine Person riskant verhält, kann und darf nicht aus ihrer sexuellen Orientierung oder ihrem Geschlecht geschlossen werden. Im Gegenteil muss dieser Umstand als völlig irrelevant angesehen werden, da jede Blutspende grundsätzlich auf Krankheitserreger untersucht wird.

Vor dem Hintergrund eines potenziellen Mangels an Blutkonserven ist damit die Haltung der Bundesärztekammer allerdings nicht nur als diskriminierend zu begreifen. Vielmehr zeigt sich, wie strukturelle Diskriminierung konkret zu einer Fahrlässigkeit gegenüber der gesamten Gesellschaft führt. Blutspenden ist in Deutschland freiwillig. Diskriminieren bedeutet somit, Menschen bewusst von einer solidarischen Leistung abzuhalten, die in der Folge eine wesentliche Einschränkung für die medizinische Versorgung des gesamten Landes bedeutet.

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Diskriminierendes und ignorantes Verhalten sind grundsätzlich für Betroffene sehr belastend und haben konkrete Auswirkungen auf den beruflichen, behördlichen und sonstigen Alltag. Geht es allerdings um genderbezogene Diskriminierung in der Medizin, ist zusätzlich und ohne Umwege die Gesundheit in Gefahr.

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Wie die Deutsche Apotheker Zeitung (DAZ) schreibt, beeinflusst allein der Anteil von Estrogen und Testosteron entscheidend das Immunsystem. Während Estrogen eher verstärkend wirkt, hat Testosteron den gegenteiligen Effekt. Frauen haben somit zwar ein stärkeres Immunsystem, gleichzeitig steigt bei ihnen allerdings auch das Risiko für Autoimmunerkrankungen.

„Auch die Wahrnehmung von Schmerz und Nebenwirkungen bei Arzneimitteln, etwa solchen, die das Immunsystem beeinflussen, kann sich zwischen Frauen und Männern stark unterscheiden.“

Dass es Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, ist auch außerhalb von Fachkreisen nicht unbekannt. Weniger bekannt ist allerdings, dass auch das soziale Geschlecht nicht nur einen Einfluss hat, sondern dass dieser Einfluss auch noch größer ist als beim biologischen Geschlecht. Wie Prof‘in Gertraud Stadler (Professorin für geschlechtersensible Präventionsforschung an der Charité Universitätsmedizin Berlin) gegenüber der DAZ erklärte, werden, obwohl die biologischen und sozialen Unterschiede zwischen Frauen und Männern belegt sind, Nebenwirkungen allerdings immer noch nicht geschlechterspezifisch erfasst.

„Zugelassenen Dosierungen liegen in der Regel größtenteils Daten von Männern zugrunde. Selbst neue Wirkstoffe werden in der Regel zunächst an männlichen Versuchstieren untersucht, und in frühen Phasen klinischer Studien nur an jungen und gesunden Männern getestet.“

Aber nicht nur auf der Ebene von Wirkstoffen und Therapien spielt gendersensible Medizin eine wichtige Rolle. Wie der Wissenschaftspodcast der Zeitung Welt feststellt, ist ebenso der Umgang einer Person mit Krankheiten und Krankheitsrisiken sowie der Medikamenteneinnahme abhängig von den genderspezifisch erlernten Verhaltensmustern.

Gendergerechte Medizin bedeutet also nicht nur eine differenziertere Forschung und darauf aufbauend adäquate Therapie und Medikationen, sondern beginnt bereits bei einer gendergerechten Kommunikation, um den unterschiedlichen Bedarfen und Verhaltensweisen seitens der Ärzt*innen, Apotheker*innen und anderen Fachpersonals professionell begegnen zu können.

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Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman will einen besseren Schutz vor Diskriminierung durch Behörden und öffentliche Ämter erreichen. Des Weiteren beabsichtigt sie, mehr Menschen unter den Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu stellen.

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Wie die ZEIT mit einem Verweis auf den Berliner Tagesspiegel zitiert, bezeichnete Ataman das Gesetz als „leider zahnlos“. Die ZEIT berichtet weiter, dass das Problem nach Ataman vor allem in dem Umstand liege, dass staatliches Handeln vom Anwendungsbereich des AGG ausgenommen sei.

„Das bedeute, dass sich all jene, die zum Beispiel im Jobcenter oder am Bahnhof von der Bundespolizei diskriminiert würden, nicht darauf berufen könnten.“

Zwar ist nach Art. 3 GG auch dem Staat und seinen Organen jegliche Diskriminierung untersagt, allerdings wird dies nicht konkret durch das AGG geregelt.

Im aktuellen Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle wurden für 2021 insgesamt 5.617 Fälle gemeldet, die mit einem der im AGG genannten Diskriminierungsgründe zusammenhingen, zwanzig Prozent davon im Zusammenhang mit dem Geschlecht und immer noch vier Prozent (225 Fälle) mit sexueller Identität. Hier ist darauf hinzuweisen, dass es sich explizit um eine Meldestatistik handelt und somit keine Rückschlüsse auf Dunkelziffern und oder Unterkategorien zu ziehen sind.

Wie sowohl ZEIT als auch queer berichten, betonte Ataman im Besonderen das Nichtvorhandensein eines Diskriminierungsschutzes aufgrund des sozialen Status. Ein geringer Sozialstatus bedeutet letztendlich nichts weniger als geringe monetäre und andere Ressourcen wie bspw. auch Bildung. Während sich Menschen mit guter Bildung und genügend Geld bei Diskriminierung zumindest einen Rechtsbeistand leisten können oder um ihre Rechte wissen, stehen Menschen, die von Armut bedroht sind und eine geringe Bildung haben, häufig vor einer doppelten Diskriminierung. Auch die LGBTQ* Gemeinschaft ist nicht davor gefeit, dass es Menschen in ihrer Mitte gibt, die unter solchen Schwierigkeiten leiden.

Ob es Ferda Ataman allerdings gelingt, ihre hohen Ziele auch tatsächlich umzusetzen oder ob am Ende nur ein weiterer „zahnloser Tiger“ zwischen den Paragrafen steht, bleibt abzuwarten.

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Künftig soll Hasskriminalität gegen LSBTIQ* Personen besser verfolgt werden können. Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung am 21. Dezember 2022 einen neuen Gesetzesentwurf beschlossen, der Hasskriminalität gegen diese Gruppe von Menschen explizit als Tatbestand in das Strafgesetzbuch aufnimmt.

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Das „Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt“, so der vollständige Name, verweist unter Punkt III. im Besonderen auf § 46 Absatz 2 StGB. Dieser benennt die Umstände, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Dabei sind menschenverachtende Beweggründe bzw. Ziele besonders in Augenschein zu nehmen. Bis jetzt waren hier Punkte wie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufgeführt. Der neue Entwurf erweitert diese Liste um die Tatmotive „geschlechtsspezifisch“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtet“.

„Der Begriff „geschlechtsspezifisch“ soll dabei nicht nur die unmittelbar auf Hass gegen Menschen eines bestimmten Geschlechts beruhenden Beweggründe erfassen, sondern auch die Fälle einbeziehen, in denen die Tat handlungsleitend von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit geprägt ist.“

Der Text führt hierzu das Beispiel eines „patriarchalen Besitzanspruches“ eines „Täter[s] gegenüber seiner Partnerin oder Ex-Partnerin“ an. Hier muss – um Missbrauch für rechte Zwecke zu vermeiden - darauf aufmerksam gemacht werden, dass patriarchales Denken und Handeln in allen Schichten und kulturellen Hintergründen existiert.

Während sich der erste Begriff vor allem auf Hass gegen Frauen bezieht, richtet sich der zweite Tatbestand deutlicher an Verbrechen gegen LSBTIQ* Personen:

„Die ausdrückliche Nennung der „gegen die sexuelle Orientierung gerichteten“ Tatmotive betont die Notwendigkeit einer angemessenen Strafzumessung für alle Taten, die sich gegen LSBTI-Personen richten.“

Auf der offiziellen Seite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMSFSJ) bemerkt Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt: „[…] Was Schwarz auf Weiß im Gesetzestext steht, findet in der Rechtspraxis mehr Beachtung. Die ausdrückliche Erwähnung dieser Beweggründe unterstreicht zudem, dass die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen schon frühzeitig solche Motive aufzuklären und zu berücksichtigen hat.“

Für Menschen, die Opfer solcher Taten geworden sind, bedeutet das zumindest in der Theorie, dass ihnen schneller Gehör geschenkt werden sollte, um somit mögliche blinde Flecken eher zu vermeiden. Es gilt allerdings zu bedenken, dass wir uns mit diesem Gesetz am äußersten Ende der Eskalation bewegen. Es bedeutet nämlich, dass ein Hassverbrechen bereits im Raum steht. Gerade der Begriff des „Patriarchalen“ macht deutlich, dass es sich bei solchen Taten immer auch um „Phänomene“ einer Sozialisation handelt, die nicht in einem luftleeren Raum entstehen, sondern Ergebnis von Strukturen und Erziehung sind. Der neue Entwurf betrifft daher nur eine Seite der Medaille, die ohne eine parallele zivilgesellschaftliche Veränderung nur Symptombekämpfung bleibt.

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In ihrer Pressemitteilung vom 07. Dezember 2022 teilte die Europäische Kommission mit, dass sie einen neuen Vorschlag für das sogenannte Gleichstellungspaket angenommen habe. In der neuen Verordnung gehe es darum, die Vorschriften des internationalen Privatrechts in Bezug auf die Elternschaft auf EU-Ebene zu harmonisieren.

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„Einer der wichtigsten Aspekte des Vorschlags besteht darin, dass die in einem EU-Mitgliedstaat begründete Elternschaft ohne spezielles Verfahren in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden sollte,“ so die Kommission.

Bis jetzt sieht das Unionsrecht nach Auslegung des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) vor, dass EU-Staaten aufgrund des Rechtes zur Freizügigkeit eine Elternschaft aus einem anderen Mitgliedsstaat anzuerkennen haben – allerdings ist eine gleichgeschlechtliche Partner*innenschaft nicht überall anerkannt was für Familien zu Problemen führen kann.

Im entsprechenden Fall hatte ein in Spanien lebendes lesbisches Ehepaar mit britischer und bulgarischer Staatsangehörigkeit geklagt. Bei der Geburt ihrer Tochter hatte die spanische Behörde eine Geburtsurkunde mit doppelter Mutterschaft ausgestellt. Nach einer Zusammenfassung der Tagesschau weigerte sich daraufhin die Stadt Sofia (Bulgarien), dem Mädchen einen Reisepass auszustellen. Zur Begründung hieß es: Die „öffentliche Ordnung“ lasse ausschließlich Geburtsurkunden von Mutter und Vater zu. Zudem sei nicht erkennbar, welches die leibliche Mutter sei. Laut EUGH sei dies jedoch nicht relevant. Spanien habe bestätigt, dass es sich bei beiden Frauen um die Mütter handele. Dies müsse auch Bulgarien anerkennen. Unabhängig von der leiblichen Elternschaft ergebe sich bereits aus der rechtlichen Elternschaft ein Anspruch auf die entsprechende Staatsangehörigkeit. Bulgarien sei zur Ausstellung eines Reisepasses verpflichtet.

Wie die Kommission in ihrer Pressemitteilung jedoch einschränkend anmerkt, gelte dieses Urteil nicht für die Ansprüche, die sich aus einer Elternschaft im nationalen Recht ergeben. Diese würden weiterhin beim jeweiligen Staat verbleiben und müssten in jedem Fall einzeln und zumeist mit hohem zeitlichen und finanziellen Aufwand eingeklagt werden. Damit findet zusätzlich eine Diskriminierung statt. Der neue Vorschlag soll diese Lücke füllen, indem er Rechtssicherheit für Familien und Entlastung bei den Prozesskosten sowohl für die Familien selbst als auch für die Verwaltungs- und Justizsysteme der Mitgliedstaaten vorsieht.

So positiv dieser neue Vorschlag auch klingt, so harsch ist die an ihm geübte Kritik. Nach einer Stellungnahme der europäischen LGBTI*-Bürgerrechtsorganisation Forbidden Colours ändere dieser Vorschlag nichts an dem eigentlichen Problem, dass der Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und/oder sexueller Ausrichtung weiterhin bei den Mitgliedstaaten verbleibe. Es fehle nicht am Recht, so die NGO, sondern an dessen Umsetzung.

„Mitgliedstaaten wie Bulgarien und Rumänien ignorieren Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshofs zur gegenseitigen Anerkennung der Elternschaft. Die Europäische Kommission ist nicht bereit, diese Urteile gegenüber ihren Mitgliedstaaten durchzusetzen. Das nennen wir in der Rechtswissenschaft: Pflichtvergessenheit“, so der konkrete Vorwurf von Forbidden Colours.

Wie das Magazin schwullissimo in Bezug auf die Stellungnahme von Forbidden Colours ergänzt, seien seit 14 Jahren bereits vier Kommissare an einer wirkmächtigen Rechtsumsetzung gescheiter.

Einmal mehr wird damit deutlich, dass Rechte immer Teil ihrer jeweiligen Gesellschaft und ihrer Akteure bleiben, die damit die mühevolle, aber notwendige Aufgabe haben, diese für sich selbst, aber auch für Dritte zu hinterfragen und ständig aufs Neue einzufordern.

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Die Debatte um sogenannte Unisex-Toiletten handelt nicht ausschließlich von der Anerkennung von Menschen mit nicht-binären Identitäten. Stattdessen geht es hier auch um das Bedürfnis nach Schutz. Aber auch das greift zu kurz.

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Hinter der Schaffung von „neuen“ Räumen stehen Fragen nach den ungeschriebenen „Benimmregeln“, unterschiedlichen sozialräumlichen und gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten, mit denen sich die Menschen dort begegnen. Einen Raum zu schaffen ist das eine, zu lernen sich in diesem zu bewegen etwas ganz anderes.

Dabei sind Unisex-Toiletten nichts absolut Neues. Wie die Tageszeitung taz in ihrem Artikel zu dem Thema schreibt, gibt es sie schon seit langem in Flugzeugen und Bahnen. Der Unterschied zum „nicht mobilen“ öffentlichen Raum besteht jedoch darin, dass es sich hierbei um einzelne und vollständig abschließbare Kabinen handelt. Dazu ist eine direkte „Kontrolle“ der Gänge vor den Toiletten durch die Öffentlichkeit möglich. In öffentlichen Toiletten, z. B. in Schulen, liegen diese häufig abseits und sind z. T. innerhalb verwinkelt. Auch wenn diese Räume theoretisch für jede Person zugänglich sind, so besteht doch ein gesellschaftliches Selbstverständnis, diese Grenze nicht zu überschreiten.

Damit sind keinesfalls die Diskriminierungserfahrungen von trans Personen auf nach Geschlecht getrennten Toiletten zu marginalisieren. Dennoch bedeutet die Begegnung in Unisex-Toiletten ohne geschlossene Einzelkabinen nicht, dass automatisch weniger diskriminierende Erfahrungen gemacht werden. Öffentliche Toiletten dienen auch als Schutzräume für Mädchen und Frauen vor sexualisierter Gewalt und z. B. bei der Menstruation. Nach Johannes Rück, Sprecher der German Toilet Organization, „sei es [zwar] gut, wenn ‚Klos für alle‘ Diskriminierung verhinderten, aber in vielen Kulturen würden gemischte Klos die Sitten oder religiöse Regeln verletzen.“ (zdf.de)

Es geht also nicht bloß um ein Umdeklarieren vorhandener Toiletten, sondern um eine komplette Neugestaltung des Konzeptes. Dabei stehen zwei große Themen im Kern der Debatte: Zum einen sind es die baulichen Möglichkeiten und ihre Kosten, die in öffentlichen Räumen immer mitbedacht werden müssen. Nach einem Zitat der niedersächsischen Kultusministerien Julia Willie Hamburg auf queer.de sollten zugleich Barrierefreiheit und Bauvorschriften berücksichtigt werden. Zum anderen werden bestimmte Verhaltensmuster nicht einfach abgelegt, nur weil es neue Räume gibt. Besonders in den schulischen, aber auch in anderen Kontexten kann dabei eine unbegleitete Umstrukturierung eine Fahrlässigkeit der Verantwortungstragenden darstellen.

Das Problem besteht also darin, wie man Privatsphäre und einen sicheren Raum für alle schaffen kann. Auf den ersten Blick könnte die Schaffung einer dritten Toilettenkategorie eine Lösung darstellen, wie u. a. die taz schreibt. Auf den zweiten Blick unterliegen auch diese den baulichen Zwängen und dem Fakt, dass sie potenziell für „alle“ zugänglich wären. Solange die offenen Fragen nicht geklärt sind, kommt den Verwaltenden öffentlicher Gebäude für das Einrichten ebenso wie für das Nichteinrichten von Unisex-Toiletten eine besondere Verantwortung zu.

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Am Dienstag, 29. November 2022, verabschiedete der US-Senat den „Respect for Marriage Act“, ein Gesetz, das gleichgeschlechtlichen Paaren auf Bundesebene die Rechte, Vorteile und Pflichten einer heterosexuellen Ehe im Bundesgesetzbuch garantiert. Damit hebt es den diskriminierenden „Defense of Marriage Act“ (DOMA) auf und bekräftigt, dass öffentliche Handlungen, Aufzeichnungen und Verfahren von allen Bundesstaaten anerkannt werden sollen. Außerdem werden die gleichen Rechte für Paare unterschiedlicher Ethnien festgeschrieben.

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The Human Rights Campaign (HRC) bezeichnete die Verabschiedung als historischen Moment und betonte, dass bei der Abstimmung von 61 zu 36 Stimmen neben der gesamten demokratischen Fraktion auch zwölf Republikaner*innen mit Ja gestimmt hatten. Dies zeige, so HRC weiter, „[…] dass selbst republikanische Gesetzgeber wissen, dass die Gleichstellung der Ehe Gesetz ist - und bleiben muss.“

Nach einer Umfrage von Gallup im Juni dieses Jahres sei die Zustimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe in der amerikanischen Bevölkerung auf über 71% gestiegen. Trotz der hohen Umfragewerte und des Zuspruchs auch aus den Reihen der Republikaner*innen wird erwartet, dass die Demokrat*innen versuchen werden, den Entwurf noch dieses Jahr durchzubringen, bevor die Republikaner*innen im nächsten Jahr das Repräsentantenhaus übernehmen.

Dies könnte nach Angaben des Guardian mit Bezug auf den Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses, Steny Hoyer, bereits am 6. Dezember geschehen. Anschließend müsste Präsident Biden das Gesetz noch unterzeichnen.

Doch selbst wenn das Gesetz durchkommen sollte, so handelt es sich nicht um einen endgültigen Schlussstrich. Die USA sind ein föderales System, in dem - ähnlich wie in Deutschland - neben der Bundesebene auch die einzelnen Bundesstaaten ihre eigenen Rechte haben. Wie das Magazin Forbes berichtet, würde das Gesetz die einzelnen Staaten nicht dazu verpflichten, die gleichgeschlechtliche Ehe formell zu legalisieren. Gleichzeitig sind bereits alle 50 Staaten nach einem Urteil des Obersten Gerichtshof, in dem die gleichgeschlechtliche Ehe als verfassungsmäßiges Recht anerkannt wurde, angehalten diese zuzulassen. Allerdings bestehe in 35 Bundesstaaten immer noch ein Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe, so Forbes weiter, das wieder in Kraft treten können, sollte der Oberste Gerichtshof sein früheres Urteil aufheben. Dass dies geschehen kann, ist dabei nicht undenkbar, hält man sich vor Augen, dass der Gerichtshof momentan von einer „rechts-konservative Mehrheit“, wie es die Tagesschau bezeichnet, bestimmt wird.

Damit kann der Entwurf zwar durchaus als historisch bezeichnet werden, ein Endpunkt für den amerikanischen Diskurs markiert er allerdings noch lange nicht.

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Mehr Vorbilder und Verbündete für queere Jugendliche! "Peer4Queer" unterstützt queere Jugendliche durch Mentoring in ihrer Identitätsfindung in Bezug auf ihre sexuelle und romantische Orientierung sowie geschlechtliche Identität. Dafür werden queere Menschen (bis zu 29 Jahren) zu Mentor*innen ausgebildet, damit sie als Vorbilder Jugendliche (bis zu 25 Jahren) ein Jahr lang begleiten und sie in ihrer Identitätsfindung unterstützen können.

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Die Mentor*innen geben im Eins-zu-eins-Mentoring ihr Wissen und ihre Erfahrungen an die Jugendlichen weiter.

Außerdem arbeitet Peer4Queer mit Hamburger Schulen zusammen: In Seminaren beschäftigen sich Schüler*innen mit dem Thema "queere Identitäten" und lernen, wie sie sich für die Belange queerer Jugendlicher einsetzen können.

Queer!? – Was meinen wir eigentlich damit?

Unter dem Wort "queer" verstehen wir einen Sammelbegriff, der für alle Menschen offen ist, die sich nichtheterosexuell und/oder nicht-cis-geschlechtlich (also sich mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, nicht identifizieren können) fühlen – oder die sich nicht sicher sind, wie sie sich definieren möchten oder können.

 

Kontakt:

Peer4Queer

KWB Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e.V.

Haus der Wirtschaft

Kapstadtring 10, 22297 Hamburg

 

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Mail: peer4queer@kwb.de

Instagram: @peer4queer

Telefon: 040 334241-0

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In den Jahren 2017 bis 2020 gab es in Niedersachsen insgesamt 289 Operationen an den Genitalien von Kindern unter 10 Jahren. Das ergab eine kleine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg und Meta Janssen-Kucz (beide Bündnis 90/Die Grünen) im September dieses Jahres.

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Hierbei handelt es sich zumeist nicht um Operationen im Rahmen einer selbstbestimmten Geschlechtsangleichung aufgrund einer Geschlechtsdysphorie, sondern um die chirurgische Anpassung an eine heteronormative Erwartungshaltung von Eltern und/oder Ärzt*innen, so das Queere Netzwerk Niedersachsen (QNN) in seinem Artikel zu diesem Thema.

Wie QNN weiter berichtet, dauert der Streit zwischen „intergeschlechtlichen Selbstorganisationen“ und Mediziner*innen sowie Eltern darüber, wie ein „normales“ Geschlecht auszusehen habe, bereits Jahrzehnte an. Das Problem ist, dass diese kosmetischen Eingriffe zum einen medizinische Spätfolgen haben können (z. B. beeinträchtigte Orgasmusfähigkeit) und zum anderen jede Fehleinschätzung bei der vermeintlichen Zuordnung zu entsprechenden Problemen führen kann. In den seltensten Fällen geht es dabei um medizinisch akute Eingriffe. QNN schreibt:

„Im Mai 2022 trat deshalb das ‚Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung‘ in Kraft: „Im Wesentlichen begrenzt das neue Gesetz die Personensorge von Eltern intergeschlechtlich geborener Kinder, in dem es klar formuliert, dass die Personensorge nicht das Recht umfasst, in die Behandlung nicht einwilligungsfähiger Kinder mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung einzuwilligen oder diese selber durchzuführen […], wenn dies allein in der Absicht erfolgt, das körperliche Erscheinungsbild des Kindes an das des männlichen oder weiblichen Geschlechts anzupassen (vgl. §1631e Abs. 1 BGB).“

Aber Vorsicht vor einer Fehleinschätzung. Sowohl bei früheren als auch beim aktuellen Gesetz liegt in dessen Auslegung ein hoher Interpretationsspielraum, sodass das Gesetz eine Hürde, aber kein Hindernis bedeutet. Auch der nun notwendige Beschluss des Familiengerichts erzeugt lediglich eine zusätzliche Kontrollinstanz, die ebenso interpretieren muss wie alle anderen. Zudem würde, selbst wenn ab sofort keine chirurgischen Eingriffe mehr durchgeführt würden, das Problem nur verlagert. Kinder und junge Erwachsene sind zeit ihres Lebens mit Normvorstellungen und Erwartungshaltungen konfrontiert. Die Belastung, die ein entsprechendes Missverhältnis zwischen dem Selbst, dem eigenen Körper und den externen Normen bedeuten kann, ist bereits aus der Debatte zum „Selbstbestimmungsgesetz“ bekannt. Ebenso wie dort besteht auch hier das Problem, dass gerade junge Menschen (unabhängig von einer formalen Volljährigkeit) nicht automatisch in allem sofort Mündigkeit erlangen. Wie die Notwendigkeit des Gesetzes zeigt, gilt dies nicht einmal für Erwachsene im Allgemeinen.

Wenn also der „Intergeschlechtliche Menschen Landesverband Niedersachsen e.V." und das „Queere Netzwerk Niedersachsen" neben einer konsequenten Evaluierung und Weiterentwicklung des Gesetzes intergeschlechtliche Selbsthilfe sowie Schulungen für Institutionen und medizinisches Personal fordern, trifft gerade letztere Maßnahme den Kern. Unsicherheiten, Unwissen und normative Überzeugungen, die auf die Entscheidungen von Eltern, Ärzt*innen, aber auch Kinder und später junge Erwachsene wirken, haben wenig mit einer spontanen Mündigkeit zu tun als vielmehr mit dem Bedarf einer Sicherheit schaffenden Beratung, um auch festgefahrene Überzeugungen und Ängste zu hinterfragen und zu begleiten. Dies gilt dabei für beide Seiten, wie das Thema der Detransition zeigt. Auch hinter einer vermeintlich progressiven und akzeptierenden Haltung können sich Fehleinschätzungen verbergen.

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Am Donnerstag, 6. Oktober, legte der „Holyrood-Ausschuss“ für Gleichberechtigung, Menschenrechte und Ziviljustiz mit einer Mehrheit von fünf zu zwei Stimmen eine Empfehlung gegenüber dem schottischen Parlament vor. Darin befürwortet der Ausschuss die kurze Selbsterklärung zur eigenen Geschlechtsidentität, die nur noch gegenüber einer Behördenvertreterin*einem Behördenvertreter abgegeben werden müsse.

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Bei dem Ausschuss handelt es sich um ein beratendes Gremium aus Vertreter*innen des schottischen Parlaments, dessen Aufgabe es ist, das Parlament in den entsprechenden Fragen der Gleichberechtigung und Menschenrechte zu beraten. Bei seiner Bewertung stützte sich der Ausschuss auf geltende Vorschriften gegen Diskriminierung und für Menschenrechte Großbritanniens. Allerdings äußerte er gleichzeitig Bedenken gegenüber der Regierung in Westminster.

Wie „The Herald“ berichtete, sei es möglich, dass die neuen schottischen Bescheinigungen im restlichen Vereinigten Königreich nicht anerkannt würden. Dass diese Bedenken nicht unbegründet sind, machte bereits ein Bericht von „The Guardian“ vom September 2020 deutlich. Damals zeigte sich die heutige Prime-Ministerin und damalige Ministerin für Gleichstellung Liz Truss entsprechend ablehnend gegenüber einer Gesetzesänderung, die letztendlich auch scheiterte.

Das schottische Parlament griff jetzt die Empfehlung seines Ausschusses hingegen direkt auf und legte nach Angaben von „The Herald“ und der BBC bereits einen Tag nach dem Bericht einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor. In diesem ist nicht nur die vereinfachte Änderung von Dokumenten enthalten, sondern auch eine Herabstufung des Alters für die Antragstellung von 18 auf 16 Jahre.

In Großbritannien herrscht eine scharfe Debatte über die Selbstbestimmung. Während Befürworter*innen der Reform die jetzigen Gesetze als entwürdigend und diskriminierend bezeichnen, betont die Gegenseite vor allem die Gefahren, die durch eine vereinfachte Änderung der Dokumente entstehen. Die Befürchtungen beziehen sich dabei zum einen darauf, dass „Männer sich in Schutzräume von Frauen hinein definieren könnten“, wie das Magazin Emma wiedergibt, und zum anderen, dass bei einer chirurgischen Geschlechtsangleichung gerade junge Menschen nicht ausreichend beraten würden. Mangelnde ärztliche Beratung ist allerdings bereits unter der jetzigen Gesetzeslage ein konkretes Thema, wie der Fall „Tavistock-Klinik“ verdeutlicht.

Die Entscheidungsträger*innen stehen also vor der nicht geringen Aufgabe, jeweils die Würde und den Schutz der einen Gruppe (LGBTQ*) und der anderen Gruppe(n) in Einklang zu bringen. Wobei es sich nicht um ein klassisches Dilemma handelt, denn der Schutz der einen Gruppe schließt den Schutz der anderen nicht aus. Während der vereinfachte Zugang zu Dokumenten im direkten Handlungsfeld des Gesetzgebers liegt, ist der institutionelle Schutz von Menschen und hier speziell von Frauen und jungen Menschen zunächst Aufgabe der jeweiligen Institutionen selbst (z. B. Krankenhaus, Strafvollzug). Missstände und Gefahren, die sich dabei eröffnen, stellen an den Gesetzgeber jedoch die Verantwortung, diese Institutionen zu stärken und nach Bedarf zu kontrollieren. Diese Verantwortung besteht allerdings unabhängig davon, ob die Selbstbestimmung des Genders vereinfacht wird oder nicht.

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