Echte Vielfalt

Beratung und Recht

Nachdem es das Selbstbestimmungsgesetz 2022 nicht mehr geschafft hat in die Verabschiedung zu gehen, lässt ein Interview des Tagesspiegels mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vergangenen Samstag nun eine baldige Umsetzung erwarten.

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Aktuell gilt immer noch das „Transsexuellengesetz“ aus den 1980ern. Bereits im Oktober letzten Jahres wurde bei echte vielfalt dazu ein Artikel veröffentlicht, als deutlich wurde, dass die Regierung ihr eigenes Ziel nicht mehr einhalten könne. Nun scheint es in Reichweite gerückt, denn gegenüber dem Tagesspiegel sagte Buschmann:

„Die Arbeiten sind weitgehend abgeschlossen. Wir klären einige Detailfragen. So gibt es etwa die Sorge, dass das Selbstbestimmungsgesetz die Vertragsfreiheit und das Hausrecht einschränken könnte. Das wollen wir nicht, darin sind wir uns in der Koalition einig.“

Staatssekretär und Queer-Beauftragter Sven Lehmann (Grüne) begrüßte nach Angaben des Magazins queer die Aussage Buschmanns: „Der Entwurf liegt jetzt im Justizministerium zur Freigabe". Lehmann betonte, sobald das Justizministerium den Entwurf freigebe, könne mit der Gesetzgebung begonnen werden.

Aber Vorsicht mit den Erwartungen, denn das Thema bleibt weiterhin kontrovers. Was Buschmann hier nebenbei als „Detailfrage“ bezeichnet, ist tatsächlich einer der härtesten Streitpunkte, an dem sich die Fronten auch innerhalb der LSBTIQ * Gemeinschaft scheiden. Dabei scheinen der formale behördliche Vorgang zur Geschlechtsanpassung in den Dokumenten und die Anerkennung durch die Behörden weniger das Problem darzustellen. Wichtiger scheint für Buschmann hingegen im Voraus zu klären, ob bspw. Fitnessstudios oder Saunen, die ein Angebot ausschließlich für Frauen bereithalten, weiterhin eben jene „Vertragsfreiheit“ besitzen würden. Es geht hierbei um die Entscheidung, ob sie alle Personen aufnehmen müssen, die den Geschlechtseintrag „weiblich“ haben, oder ob sie an anderen Merkmalen differenzieren wollen und dies nach Gesetz auch dürfen. Allerdings ließ Buschmann bereits eine Richtung erkennen: „Wo es dafür ein nachvollziehbares Bedürfnis (zum Differenzieren) gibt, etwa in Saunen, wird das weiterhin möglich sein, wie es heute auch der Fall ist“, so Buschmann. Auch nach der Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes sei sichergestellt, dass aus rechtlicher Sicht „inakzeptables Verhalten“ verhindert werde.

Bereits heute regelt § 20 des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes ausdrücklich, dass eine unterschiedliche Behandlung nicht das Benachteiligungsverbot verletzt, wenn bspw. dadurch Gefahren verhindert oder die Intimsphäre geschützt werden. Was allerdings Gefahren oder eine Verletzung der Intimsphäre ausmacht, ist im Streitfall Auslegungssache der Gerichte.

Nicht nur die Gesetzgeber*innen, auch die Jurist*innen stehen also vor der Aufgabe, zwischen den Schutzrechten verschiedener Bürger*innen und gesellschaftlicher Gruppen abzuwägen. Weder darf dabei die Angst vor Rechtslücken abgetan noch darf ignoriert werden, dass die Debatte stigmatisierend gegenüber trans Personen wirken kann. An welchen Stellen allerdings Differenzierung zu Diskriminierung wird und wo auf der anderen Seite Zugang zu Räumen zum Sicherheitsrisiko führt, bleibt von allen Beteiligten weiterhin zu beobachten.

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Das Thema um Transgender Personen und ihre Rechte ist in Schottland eine heiß debattierte Angelegenheit, die auch über die Region hinaus Beachtung findet. Hauptstreitpunkt ist dabei das Selbstbestimmungsgesetz, über das echte vielfalt schon mehrfach berichtet hat. Ein zentrales Argument der Gegner*innen des Selbstbestimmungsgesetzes ist dabei, dass besonders für Frauen und Mädchen die Gefahr besteht, dass geschlechtsspezifische Schutzräume verletzt werden. Dabei wurde neben öffentlichen Toiletten oder Frauenhäusern immer wieder auch auf Gefängnisse verwiesen.

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Erst vor wenige Tagen berichtete echte vielfalt darüber, dass die britische Zentralregierung das schottische Gesetz durch ihr Veto blockiert hatte und sich dabei u.a. auf das Argument der Schutzräume bezog. Vor diesem Hintergrund entbrannte nun eine Zuspitzung des Diskurses, als zwei trans Gefangene in ein Frauengefängnis verlegt werden sollten. In einem Fall handelt es sich um eine Sexualstraftäterin, die vor ihrer Geschlechtsanpassung zwei Frauen vergewaltigt hatte. Im anderen Fall um eine trans Straftäterin, die wegen einer Gewalttat gegen eine Krankenschwester und Stalking einer 13-Jährigen verurteilt wurde. Wie die Magazine queer und schwulissimo zusammenfassend berichten, wurde die Verlegung inzwischen nach massiver öffentlicher Kritik gestoppt. Auch wenn dieser Stopp gerechtfertigt ist, so kann an solchen extremen Beispielen nicht oft genug die Gratwanderung der Identitätsdebatte gezeigt werden.

Wie die BBC mit Verweis auf den „Scottish Prison Service“ zeigt, befinden sich momentan 15 Transgender Straftäter*innen in schottischen Gefängnissen, darunter drei trans Männer und fünf trans Frauen, die in Frauengefängnissen untergebracht sind. Wie Justizminister Keith Brown gegenüber der BBC erklärte, gebe es in den Frauengefängnissen jedoch keine Transgender Gefangenen, die wegen Gewalt gegen Frauen verurteilt wurden. In Bezugnahme auf die beiden aktuellen Fälle erließ Brown nun eine Anordnung, dass keine bereits inhaftierte trans Person mit einer Vorgeschichte von Gewalt gegen Frauen von der Männer- in die Frauenabteilung verlegt werde. Gleiches gelte auch für neu verurteilte oder in Untersuchungshaft befindliche trans Gefangene mit einer Vorgeschichte von Gewalt gegen Frauen. Gleichzeitig dementierte Brown, dass im Falle von Tiffany Scott (s.o., Fall zwei) überhaupt eine Genehmigung für einen Transfer vorgelegen habe.

Beide Fälle machen dabei deutlich, dass das Argument zur Bewahrung geschlechtsspezifischer Schutzräume auch von den Befürworter*innen nicht abgetan werden sollte. Allerdings läuft die Debatte dabei Gefahr, mit dem Fokus auf Transgender die eigentliche Problematik aus dem Blick zu verlieren.

Bereits in einem früheren Artikel wurde an dieser Stelle auf den Umstand hingewiesen, dass es eine schwierige, aber explizite Aufgabe der staatlichen Organe ist, zwischen den Bedürfnissen und Gefahren verschiedener Gruppen abzuwägen. Anders als bei öffentlichen Räumen müssen Gefängnisse ihre Insass*innen grundsätzlich auch vor Gewalttaten des eigenen Geschlechts schützen. Solange also keine dritte Gefängniskategorie existiert, geht also darum, Gefahren zu managen. Bei insgesamt 15 trans Straftäter*innen kann von der schottischen Justiz entsprechend erwartet werden, die Gefährdungsbeurteilungen im Einzelfall durchzuführen, auch um den Schutzbedarf von trans Gefangenen zu gewähren. Das bedeutet allerdings zu akzeptieren, dass es keine pauschale Lösung geben wird.

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Die britische Regierung hat am 16. Januar 2023 eine wichtige Reform für die schottische trans Community verhindert. Die geplante Änderung des schottischen „Gender Recognition Acts“ (GRA) stellte einen großen Schritt für die Anerkennung von trans Personen und ihr Recht auf Selbstbestimmung dar.

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Ende Dezember wurde in Schottland unter der Regierungschefin Nicola Sturgeon eine Erleichterung für die offizielle Anerkennung von trans Personen beschlossen. Kurz vorher wurde der Entwurf in der britischen Zeitung „The Guardian“ diskutiert. Die Gesetzesänderung sieht vor, dass das auf der Geburtsurkunde eingetragene Geschlecht angepasst werden kann, ohne dass eine medizinische Diagnose vorliegen muss. Stattdessen würde auf Selbstbestimmung gesetzt werden. Auch das Mindestalter einer solchen rechtlichen Anerkennung sollte von 18 auf 16 Jahre gesenkt und die Übergangszeit von zwei Jahren auf drei Monate verkürzt werden.

Erstmals berief sich die britische Regierung auf Paragraf 35 des „Scotland Acts“, der eine vollständige Blockierung des Gesetzesentwurfs erlaubt. In einem Artikel der BBC wird die Argumentation der britischen Seite dargelegt: Es sei problematisch, zwei unterschiedliche Anerkennungssysteme in Großbritannien zu haben. Ebenso werden die Sorgen von Frauenrechtsaktivist*innen hervorgehoben, beispielsweise in Bezug auf ein erleichtertes Eindringen von Männern in Schutzräume von Frauen und Mädchen. Dazu veröffentlichte die taz kürzlich ein Interview mit der Aktivistin Maren Smith, die eine Blockierung des Gesetzes befürwortet.

Dahingegen sprechen sich Transaktivist*innen zum Großteil für die erleichterte Personenstandsbestimmung aus. In einem Statement der „Scottish Trans“, ein Teil der Organisation „Equality Network“, wird das Vorgehen der britischen Regierung zudem als anti-demokratisch kritisiert. Die Angelegenheit fiele unter die nationale Entscheidungsmacht Schottlands und ein Großteil des nationalen Parlaments habe für die Gesetzesänderung gestimmt. So wird nun von der schottischen Regierung verlangt, die Anwendung von Paragraf 35 rechtlich anzufechten. Wie „The Guardian“ nun berichtet, kritisiert auch Sturgeon die Entscheidung der Regierung von Rishi Sunak scharf und wirft dem britischen Premierminister eine politische Instrumentalisierung von trans Menschen vor.

Zu erwarten ist erstmal eine rechtliche Debatte zwischen London und Edinburgh. Ob sich daraufhin die Erneuerung des GRA in Schottland durchsetzen kann, ist unklar. Die Ereignisse in Großbritannien haben auch international die Aufmerksamkeit auf die Rechte von trans Menschen gelenkt und mitunter Fragen zum geplanten Selbstbestimmungsrecht in Deutschland aufgeworfen, ein Teil des sogenannten Aktionsplans „Queer Leben“ der Ampel-Koalition.  

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Deutschland hat ein Problem mit seiner Blutversorgung. Blutkonserven sind jedoch essenziell für die medizinische Versorgung. Aber nicht erst seit der Coronapandemie ist ein Rückgang von Blutspenden zu verzeichnen.

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Laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) drohe den Blutbanken ein „eklatanter Mangel“. Das RND bezieht sich hier auf eine Äußerung des Direktors des Instituts für Klinische Hämostaseologie und Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes, Hermann Eichler. Grund hierfür sei vor allem der demografische Wandel, der dazu führe, dass die Generation der Babyboomer langsam in ein Alter komme, in dem sie aus den Spendenpools ausscheide.

Damit bricht eine große Gruppe aus der Versorgung, die nicht einfach ersetzt werden kann. Umso fragwürdiger ist daher die diskriminierende Haltung der Bundesärztekammer. Wie das Magazin queer zusammenfasst, gelten seit Herbst 2022 zwar gelockerte Richtlinien für Homosexuelle, vor allem Männer, die Sex mit Männern haben, aber auch queere und weitere Personen der LSBTIQ* Gemeinschaft. Dennoch bleiben die Vorschriften deutlich diskriminierend verglichen mit heterosexuellen Männern, für die grundsätzlich lockerere Regeln gelten.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant daher eine Gesetzesänderung, die die Bundesärztekammer dazu verpflichte, ihre Blutspende-Richtlinien innerhalb von vier Monaten entsprechend anzupassen. Gegenüber dem RND sagte Lauterbach:

"Ob jemand Blutspender werden kann, ist eine Frage von Risikoverhalten, nicht von sexueller Orientierung. Versteckte Diskriminierung darf es auch bei diesem Thema nicht geben […] Die Bundesärztekammer muss endlich nachvollziehen, was im gesellschaftlichen Leben längst Konsens ist."

Dass bestimmtes Sexualverhalten ein Infektionsrisiko birgt, steht dabei nicht zur Debatte. Ob sich aber eine Person riskant verhält, kann und darf nicht aus ihrer sexuellen Orientierung oder ihrem Geschlecht geschlossen werden. Im Gegenteil muss dieser Umstand als völlig irrelevant angesehen werden, da jede Blutspende grundsätzlich auf Krankheitserreger untersucht wird.

Vor dem Hintergrund eines potenziellen Mangels an Blutkonserven ist damit die Haltung der Bundesärztekammer allerdings nicht nur als diskriminierend zu begreifen. Vielmehr zeigt sich, wie strukturelle Diskriminierung konkret zu einer Fahrlässigkeit gegenüber der gesamten Gesellschaft führt. Blutspenden ist in Deutschland freiwillig. Diskriminieren bedeutet somit, Menschen bewusst von einer solidarischen Leistung abzuhalten, die in der Folge eine wesentliche Einschränkung für die medizinische Versorgung des gesamten Landes bedeutet.

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Diskriminierendes und ignorantes Verhalten sind grundsätzlich für Betroffene sehr belastend und haben konkrete Auswirkungen auf den beruflichen, behördlichen und sonstigen Alltag. Geht es allerdings um genderbezogene Diskriminierung in der Medizin, ist zusätzlich und ohne Umwege die Gesundheit in Gefahr.

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Wie die Deutsche Apotheker Zeitung (DAZ) schreibt, beeinflusst allein der Anteil von Estrogen und Testosteron entscheidend das Immunsystem. Während Estrogen eher verstärkend wirkt, hat Testosteron den gegenteiligen Effekt. Frauen haben somit zwar ein stärkeres Immunsystem, gleichzeitig steigt bei ihnen allerdings auch das Risiko für Autoimmunerkrankungen.

„Auch die Wahrnehmung von Schmerz und Nebenwirkungen bei Arzneimitteln, etwa solchen, die das Immunsystem beeinflussen, kann sich zwischen Frauen und Männern stark unterscheiden.“

Dass es Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, ist auch außerhalb von Fachkreisen nicht unbekannt. Weniger bekannt ist allerdings, dass auch das soziale Geschlecht nicht nur einen Einfluss hat, sondern dass dieser Einfluss auch noch größer ist als beim biologischen Geschlecht. Wie Prof‘in Gertraud Stadler (Professorin für geschlechtersensible Präventionsforschung an der Charité Universitätsmedizin Berlin) gegenüber der DAZ erklärte, werden, obwohl die biologischen und sozialen Unterschiede zwischen Frauen und Männern belegt sind, Nebenwirkungen allerdings immer noch nicht geschlechterspezifisch erfasst.

„Zugelassenen Dosierungen liegen in der Regel größtenteils Daten von Männern zugrunde. Selbst neue Wirkstoffe werden in der Regel zunächst an männlichen Versuchstieren untersucht, und in frühen Phasen klinischer Studien nur an jungen und gesunden Männern getestet.“

Aber nicht nur auf der Ebene von Wirkstoffen und Therapien spielt gendersensible Medizin eine wichtige Rolle. Wie der Wissenschaftspodcast der Zeitung Welt feststellt, ist ebenso der Umgang einer Person mit Krankheiten und Krankheitsrisiken sowie der Medikamenteneinnahme abhängig von den genderspezifisch erlernten Verhaltensmustern.

Gendergerechte Medizin bedeutet also nicht nur eine differenziertere Forschung und darauf aufbauend adäquate Therapie und Medikationen, sondern beginnt bereits bei einer gendergerechten Kommunikation, um den unterschiedlichen Bedarfen und Verhaltensweisen seitens der Ärzt*innen, Apotheker*innen und anderen Fachpersonals professionell begegnen zu können.

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Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman will einen besseren Schutz vor Diskriminierung durch Behörden und öffentliche Ämter erreichen. Des Weiteren beabsichtigt sie, mehr Menschen unter den Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu stellen.

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Wie die ZEIT mit einem Verweis auf den Berliner Tagesspiegel zitiert, bezeichnete Ataman das Gesetz als „leider zahnlos“. Die ZEIT berichtet weiter, dass das Problem nach Ataman vor allem in dem Umstand liege, dass staatliches Handeln vom Anwendungsbereich des AGG ausgenommen sei.

„Das bedeute, dass sich all jene, die zum Beispiel im Jobcenter oder am Bahnhof von der Bundespolizei diskriminiert würden, nicht darauf berufen könnten.“

Zwar ist nach Art. 3 GG auch dem Staat und seinen Organen jegliche Diskriminierung untersagt, allerdings wird dies nicht konkret durch das AGG geregelt.

Im aktuellen Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle wurden für 2021 insgesamt 5.617 Fälle gemeldet, die mit einem der im AGG genannten Diskriminierungsgründe zusammenhingen, zwanzig Prozent davon im Zusammenhang mit dem Geschlecht und immer noch vier Prozent (225 Fälle) mit sexueller Identität. Hier ist darauf hinzuweisen, dass es sich explizit um eine Meldestatistik handelt und somit keine Rückschlüsse auf Dunkelziffern und oder Unterkategorien zu ziehen sind.

Wie sowohl ZEIT als auch queer berichten, betonte Ataman im Besonderen das Nichtvorhandensein eines Diskriminierungsschutzes aufgrund des sozialen Status. Ein geringer Sozialstatus bedeutet letztendlich nichts weniger als geringe monetäre und andere Ressourcen wie bspw. auch Bildung. Während sich Menschen mit guter Bildung und genügend Geld bei Diskriminierung zumindest einen Rechtsbeistand leisten können oder um ihre Rechte wissen, stehen Menschen, die von Armut bedroht sind und eine geringe Bildung haben, häufig vor einer doppelten Diskriminierung. Auch die LGBTQ* Gemeinschaft ist nicht davor gefeit, dass es Menschen in ihrer Mitte gibt, die unter solchen Schwierigkeiten leiden.

Ob es Ferda Ataman allerdings gelingt, ihre hohen Ziele auch tatsächlich umzusetzen oder ob am Ende nur ein weiterer „zahnloser Tiger“ zwischen den Paragrafen steht, bleibt abzuwarten.

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Künftig soll Hasskriminalität gegen LSBTIQ* Personen besser verfolgt werden können. Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung am 21. Dezember 2022 einen neuen Gesetzesentwurf beschlossen, der Hasskriminalität gegen diese Gruppe von Menschen explizit als Tatbestand in das Strafgesetzbuch aufnimmt.

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Das „Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt“, so der vollständige Name, verweist unter Punkt III. im Besonderen auf § 46 Absatz 2 StGB. Dieser benennt die Umstände, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Dabei sind menschenverachtende Beweggründe bzw. Ziele besonders in Augenschein zu nehmen. Bis jetzt waren hier Punkte wie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufgeführt. Der neue Entwurf erweitert diese Liste um die Tatmotive „geschlechtsspezifisch“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtet“.

„Der Begriff „geschlechtsspezifisch“ soll dabei nicht nur die unmittelbar auf Hass gegen Menschen eines bestimmten Geschlechts beruhenden Beweggründe erfassen, sondern auch die Fälle einbeziehen, in denen die Tat handlungsleitend von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit geprägt ist.“

Der Text führt hierzu das Beispiel eines „patriarchalen Besitzanspruches“ eines „Täter[s] gegenüber seiner Partnerin oder Ex-Partnerin“ an. Hier muss – um Missbrauch für rechte Zwecke zu vermeiden - darauf aufmerksam gemacht werden, dass patriarchales Denken und Handeln in allen Schichten und kulturellen Hintergründen existiert.

Während sich der erste Begriff vor allem auf Hass gegen Frauen bezieht, richtet sich der zweite Tatbestand deutlicher an Verbrechen gegen LSBTIQ* Personen:

„Die ausdrückliche Nennung der „gegen die sexuelle Orientierung gerichteten“ Tatmotive betont die Notwendigkeit einer angemessenen Strafzumessung für alle Taten, die sich gegen LSBTI-Personen richten.“

Auf der offiziellen Seite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMSFSJ) bemerkt Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt: „[…] Was Schwarz auf Weiß im Gesetzestext steht, findet in der Rechtspraxis mehr Beachtung. Die ausdrückliche Erwähnung dieser Beweggründe unterstreicht zudem, dass die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen schon frühzeitig solche Motive aufzuklären und zu berücksichtigen hat.“

Für Menschen, die Opfer solcher Taten geworden sind, bedeutet das zumindest in der Theorie, dass ihnen schneller Gehör geschenkt werden sollte, um somit mögliche blinde Flecken eher zu vermeiden. Es gilt allerdings zu bedenken, dass wir uns mit diesem Gesetz am äußersten Ende der Eskalation bewegen. Es bedeutet nämlich, dass ein Hassverbrechen bereits im Raum steht. Gerade der Begriff des „Patriarchalen“ macht deutlich, dass es sich bei solchen Taten immer auch um „Phänomene“ einer Sozialisation handelt, die nicht in einem luftleeren Raum entstehen, sondern Ergebnis von Strukturen und Erziehung sind. Der neue Entwurf betrifft daher nur eine Seite der Medaille, die ohne eine parallele zivilgesellschaftliche Veränderung nur Symptombekämpfung bleibt.

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In ihrer Pressemitteilung vom 07. Dezember 2022 teilte die Europäische Kommission mit, dass sie einen neuen Vorschlag für das sogenannte Gleichstellungspaket angenommen habe. In der neuen Verordnung gehe es darum, die Vorschriften des internationalen Privatrechts in Bezug auf die Elternschaft auf EU-Ebene zu harmonisieren.

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„Einer der wichtigsten Aspekte des Vorschlags besteht darin, dass die in einem EU-Mitgliedstaat begründete Elternschaft ohne spezielles Verfahren in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden sollte,“ so die Kommission.

Bis jetzt sieht das Unionsrecht nach Auslegung des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) vor, dass EU-Staaten aufgrund des Rechtes zur Freizügigkeit eine Elternschaft aus einem anderen Mitgliedsstaat anzuerkennen haben – allerdings ist eine gleichgeschlechtliche Partner*innenschaft nicht überall anerkannt was für Familien zu Problemen führen kann.

Im entsprechenden Fall hatte ein in Spanien lebendes lesbisches Ehepaar mit britischer und bulgarischer Staatsangehörigkeit geklagt. Bei der Geburt ihrer Tochter hatte die spanische Behörde eine Geburtsurkunde mit doppelter Mutterschaft ausgestellt. Nach einer Zusammenfassung der Tagesschau weigerte sich daraufhin die Stadt Sofia (Bulgarien), dem Mädchen einen Reisepass auszustellen. Zur Begründung hieß es: Die „öffentliche Ordnung“ lasse ausschließlich Geburtsurkunden von Mutter und Vater zu. Zudem sei nicht erkennbar, welches die leibliche Mutter sei. Laut EUGH sei dies jedoch nicht relevant. Spanien habe bestätigt, dass es sich bei beiden Frauen um die Mütter handele. Dies müsse auch Bulgarien anerkennen. Unabhängig von der leiblichen Elternschaft ergebe sich bereits aus der rechtlichen Elternschaft ein Anspruch auf die entsprechende Staatsangehörigkeit. Bulgarien sei zur Ausstellung eines Reisepasses verpflichtet.

Wie die Kommission in ihrer Pressemitteilung jedoch einschränkend anmerkt, gelte dieses Urteil nicht für die Ansprüche, die sich aus einer Elternschaft im nationalen Recht ergeben. Diese würden weiterhin beim jeweiligen Staat verbleiben und müssten in jedem Fall einzeln und zumeist mit hohem zeitlichen und finanziellen Aufwand eingeklagt werden. Damit findet zusätzlich eine Diskriminierung statt. Der neue Vorschlag soll diese Lücke füllen, indem er Rechtssicherheit für Familien und Entlastung bei den Prozesskosten sowohl für die Familien selbst als auch für die Verwaltungs- und Justizsysteme der Mitgliedstaaten vorsieht.

So positiv dieser neue Vorschlag auch klingt, so harsch ist die an ihm geübte Kritik. Nach einer Stellungnahme der europäischen LGBTI*-Bürgerrechtsorganisation Forbidden Colours ändere dieser Vorschlag nichts an dem eigentlichen Problem, dass der Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und/oder sexueller Ausrichtung weiterhin bei den Mitgliedstaaten verbleibe. Es fehle nicht am Recht, so die NGO, sondern an dessen Umsetzung.

„Mitgliedstaaten wie Bulgarien und Rumänien ignorieren Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshofs zur gegenseitigen Anerkennung der Elternschaft. Die Europäische Kommission ist nicht bereit, diese Urteile gegenüber ihren Mitgliedstaaten durchzusetzen. Das nennen wir in der Rechtswissenschaft: Pflichtvergessenheit“, so der konkrete Vorwurf von Forbidden Colours.

Wie das Magazin schwullissimo in Bezug auf die Stellungnahme von Forbidden Colours ergänzt, seien seit 14 Jahren bereits vier Kommissare an einer wirkmächtigen Rechtsumsetzung gescheiter.

Einmal mehr wird damit deutlich, dass Rechte immer Teil ihrer jeweiligen Gesellschaft und ihrer Akteure bleiben, die damit die mühevolle, aber notwendige Aufgabe haben, diese für sich selbst, aber auch für Dritte zu hinterfragen und ständig aufs Neue einzufordern.

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Die Debatte um sogenannte Unisex-Toiletten handelt nicht ausschließlich von der Anerkennung von Menschen mit nicht-binären Identitäten. Stattdessen geht es hier auch um das Bedürfnis nach Schutz. Aber auch das greift zu kurz.

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Hinter der Schaffung von „neuen“ Räumen stehen Fragen nach den ungeschriebenen „Benimmregeln“, unterschiedlichen sozialräumlichen und gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten, mit denen sich die Menschen dort begegnen. Einen Raum zu schaffen ist das eine, zu lernen sich in diesem zu bewegen etwas ganz anderes.

Dabei sind Unisex-Toiletten nichts absolut Neues. Wie die Tageszeitung taz in ihrem Artikel zu dem Thema schreibt, gibt es sie schon seit langem in Flugzeugen und Bahnen. Der Unterschied zum „nicht mobilen“ öffentlichen Raum besteht jedoch darin, dass es sich hierbei um einzelne und vollständig abschließbare Kabinen handelt. Dazu ist eine direkte „Kontrolle“ der Gänge vor den Toiletten durch die Öffentlichkeit möglich. In öffentlichen Toiletten, z. B. in Schulen, liegen diese häufig abseits und sind z. T. innerhalb verwinkelt. Auch wenn diese Räume theoretisch für jede Person zugänglich sind, so besteht doch ein gesellschaftliches Selbstverständnis, diese Grenze nicht zu überschreiten.

Damit sind keinesfalls die Diskriminierungserfahrungen von trans Personen auf nach Geschlecht getrennten Toiletten zu marginalisieren. Dennoch bedeutet die Begegnung in Unisex-Toiletten ohne geschlossene Einzelkabinen nicht, dass automatisch weniger diskriminierende Erfahrungen gemacht werden. Öffentliche Toiletten dienen auch als Schutzräume für Mädchen und Frauen vor sexualisierter Gewalt und z. B. bei der Menstruation. Nach Johannes Rück, Sprecher der German Toilet Organization, „sei es [zwar] gut, wenn ‚Klos für alle‘ Diskriminierung verhinderten, aber in vielen Kulturen würden gemischte Klos die Sitten oder religiöse Regeln verletzen.“ (zdf.de)

Es geht also nicht bloß um ein Umdeklarieren vorhandener Toiletten, sondern um eine komplette Neugestaltung des Konzeptes. Dabei stehen zwei große Themen im Kern der Debatte: Zum einen sind es die baulichen Möglichkeiten und ihre Kosten, die in öffentlichen Räumen immer mitbedacht werden müssen. Nach einem Zitat der niedersächsischen Kultusministerien Julia Willie Hamburg auf queer.de sollten zugleich Barrierefreiheit und Bauvorschriften berücksichtigt werden. Zum anderen werden bestimmte Verhaltensmuster nicht einfach abgelegt, nur weil es neue Räume gibt. Besonders in den schulischen, aber auch in anderen Kontexten kann dabei eine unbegleitete Umstrukturierung eine Fahrlässigkeit der Verantwortungstragenden darstellen.

Das Problem besteht also darin, wie man Privatsphäre und einen sicheren Raum für alle schaffen kann. Auf den ersten Blick könnte die Schaffung einer dritten Toilettenkategorie eine Lösung darstellen, wie u. a. die taz schreibt. Auf den zweiten Blick unterliegen auch diese den baulichen Zwängen und dem Fakt, dass sie potenziell für „alle“ zugänglich wären. Solange die offenen Fragen nicht geklärt sind, kommt den Verwaltenden öffentlicher Gebäude für das Einrichten ebenso wie für das Nichteinrichten von Unisex-Toiletten eine besondere Verantwortung zu.

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Am Dienstag, 29. November 2022, verabschiedete der US-Senat den „Respect for Marriage Act“, ein Gesetz, das gleichgeschlechtlichen Paaren auf Bundesebene die Rechte, Vorteile und Pflichten einer heterosexuellen Ehe im Bundesgesetzbuch garantiert. Damit hebt es den diskriminierenden „Defense of Marriage Act“ (DOMA) auf und bekräftigt, dass öffentliche Handlungen, Aufzeichnungen und Verfahren von allen Bundesstaaten anerkannt werden sollen. Außerdem werden die gleichen Rechte für Paare unterschiedlicher Ethnien festgeschrieben.

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The Human Rights Campaign (HRC) bezeichnete die Verabschiedung als historischen Moment und betonte, dass bei der Abstimmung von 61 zu 36 Stimmen neben der gesamten demokratischen Fraktion auch zwölf Republikaner*innen mit Ja gestimmt hatten. Dies zeige, so HRC weiter, „[…] dass selbst republikanische Gesetzgeber wissen, dass die Gleichstellung der Ehe Gesetz ist - und bleiben muss.“

Nach einer Umfrage von Gallup im Juni dieses Jahres sei die Zustimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe in der amerikanischen Bevölkerung auf über 71% gestiegen. Trotz der hohen Umfragewerte und des Zuspruchs auch aus den Reihen der Republikaner*innen wird erwartet, dass die Demokrat*innen versuchen werden, den Entwurf noch dieses Jahr durchzubringen, bevor die Republikaner*innen im nächsten Jahr das Repräsentantenhaus übernehmen.

Dies könnte nach Angaben des Guardian mit Bezug auf den Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses, Steny Hoyer, bereits am 6. Dezember geschehen. Anschließend müsste Präsident Biden das Gesetz noch unterzeichnen.

Doch selbst wenn das Gesetz durchkommen sollte, so handelt es sich nicht um einen endgültigen Schlussstrich. Die USA sind ein föderales System, in dem - ähnlich wie in Deutschland - neben der Bundesebene auch die einzelnen Bundesstaaten ihre eigenen Rechte haben. Wie das Magazin Forbes berichtet, würde das Gesetz die einzelnen Staaten nicht dazu verpflichten, die gleichgeschlechtliche Ehe formell zu legalisieren. Gleichzeitig sind bereits alle 50 Staaten nach einem Urteil des Obersten Gerichtshof, in dem die gleichgeschlechtliche Ehe als verfassungsmäßiges Recht anerkannt wurde, angehalten diese zuzulassen. Allerdings bestehe in 35 Bundesstaaten immer noch ein Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe, so Forbes weiter, das wieder in Kraft treten können, sollte der Oberste Gerichtshof sein früheres Urteil aufheben. Dass dies geschehen kann, ist dabei nicht undenkbar, hält man sich vor Augen, dass der Gerichtshof momentan von einer „rechts-konservative Mehrheit“, wie es die Tagesschau bezeichnet, bestimmt wird.

Damit kann der Entwurf zwar durchaus als historisch bezeichnet werden, ein Endpunkt für den amerikanischen Diskurs markiert er allerdings noch lange nicht.

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