Echte Vielfalt

Dokumentation

Queere Menschen sind in vielen gesellschaftlichen Bereichen unterrepräsentiert – auch in der Forschung. Die Ursachen reichen von politischer Stigmatisierung über mangelnde Sensibilität bis hin zu strukturellen Ausschlüssen.

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Vor diesem Hintergrund widmete sich das GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln dem Thema „Data on the Margins“. Die Autor*innen Anya Perry und Jonas Recker gingen der Frage nach, wie sichtbar queere Lebensrealitäten in sozialwissenschaftlichen Datenarchiven Europas sind. Ziel ihrer Untersuchung war es, die Datenlage zu LSBTIQ*-Personen systematisch zu erfassen und bestehende Lücken sichtbar zu machen.

Das Forschungsteam analysierte 34 sozialwissenschaftliche Datenarchive, die Teil des europäischen Forschungsdatenverbunds CESSDA (Consortium of European Social Science Data Archives) sind. Diese Archive bilden eine zentrale Infrastruktur für sozialwissenschaftliche Forschung in Europa und prägen maßgeblich den wissenschaftlichen Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen.

Insgesamt fanden die Autor*innen 66 relevante Datensätze, davon enthielten

  • 65 Angaben zur sexuellen Orientierung,
  • 20 zur Geschlechtsidentität und
  • lediglich 6 berücksichtigen Intersex-Merkmale.

Darüber hinaus wurde untersucht, ob diese Merkmale als Hauptthema oder lediglich als Randnotiz auftauchen und ob sie mit anderen Merkmalen wie Alter, Behinderung oder Migration intersektional verknüpft sind. Auch geografische Abdeckung und zeitliche Lücken wurden systematisch erfasst.

Die Analyse zeigt: Die Datenlage zu LSBTIQ*-Personen in europäischen sozialwissenschaftlichen Archiven ist fragmentiert, lückenhaft und häufig defizitorientiert.

Die Erfassung erfolgt oft unsystematisch, etwa als Nebenmerkmal oder über offene Antwortoptionen. Geschlechtsidentität und Intersex-Merkmale sind deutlich unterrepräsentiert. Die thematische Ausrichtung der Datensätze ist einseitig: Gesundheitsthemen – insbesondere im Zusammenhang mit HIV/AIDS – dominieren. Themen wie psychische Gesundheit, ökonomische Lebenslagen, Reproduktion und soziale Wohlfahrt sind hingegen stark unterbelichtet. Geografische Lücken bestehen vor allem in Island, der Ukraine und Teilen Osteuropas, während historische Daten insbesondere für die Zeit zwischen den 1950er und 1970er Jahren fehlen, was eine kontinuierliche Forschung erschwert.

Die Autor*innen enden mit einem klaren Appell, die sozialwissenschaftliche Forschung von einer defizitorientierten Perspektive zu lösen und stattdessen empowernde, inklusive und intersektionale Ansätze in den Mittelpunkt zu stellen. Daten über LSBTIQ*-Personen sollten nicht nur zur Dokumentation von Problemen dienen, sondern auch dazu, Ressourcen, Widerstandskraft und Vielfalt sichtbar zu machen. Zudem betonen sie die Notwendigkeit eines Dialogs mit den betroffenen Communities – nicht nur bei der Erhebung, sondern auch bei der Verwendung und Interpretation der Daten.

Die Studie ist damit mehr als eine Bestandsaufnahme – sie ist ein Weckruf für die sozialwissenschaftliche Forschung, endlich auch jene Lebensrealitäten systematisch zu erfassen, die bislang am Rand standen

Für Interessierte gibt es zudem eine vollständige Präsentation (auf Englisch) der Autor*innen auf dem YouTube-Kanal von GESIS.

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Für queere Menschen bedeutet der Weg ins Krankenhaus oft Angst vor Diskriminierung. Dies gilt auch in der Schwangerschaft und bei Geburten. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über Hürden und Entwicklungen für queere Menschen in der Geburtshilfe gegeben werden. Erste Studien und Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass Reformen dringend nötig sind. Aber es gibt auch ermutigende Entwicklungen.

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Dass queere Schwangere im Kontext von Geburtshilfe oft diskriminierende Erfahrungen machen, wurde in einer Studie von Ska Skalden und dem Netzwerk Queere Schwangerschaften aus dem Jahr 2022 offengelegt. Dies war die erste quantitative Studie in Deutschland zum Thema.

Die Hälfte der trans* und intergeschlechtlichen Befragten gab darin an, bei der Geburt ihrer Kinder in Kliniken Gewalt oder Diskriminierung erfahren zu haben (im Vergleich: Auch 20 Prozent der cis-geschlechtlichen Befragten berichten von solchen Erfahrungen). Ökonomisch bedingter Zeitdruck und Personalmangel prägen oft die Betreuung in Krankenhäusern. Allgemeine Reformen in der klinischen Geburtshilfe würden daher auch queeren Gebärenden zugutekommen, wie in dem auf der Studie aufbauenden Policy Paper betont wird.

Darüber hinaus berichtet die Hebamme Lucie Lowitz über strukturelle Probleme für queere Schwangere: „Die Bürokratie ist heteronormativ orientiert, zum Beispiel wird die gebärende Person immer als Mutter eingetragen. Da keine männlichen Personen als Mutter eingetragen werden, kommt es häufig zur Verwendung von Deadnames.“

Lowitz erklärt, dass aus Angst vor Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitswesen manche Menschen nicht im Krankenhaus gebären wollen, sondern Hausgeburten oder Geburten mit Beleghebammen bevorzugen.

Bei queeren Paaren gibt es zudem weitere rechtliche Hürden: Bei lesbischen Paaren zum Beispiel wird die nicht gebärende Mutter, anders als bei verheirateten heterosexuellen Paaren, nicht automatisch als Elternteil eingetragen, sondern muss das Kind adoptieren. Queere Initiativen fordern seit langem eine Anpassung des Abstammungs- und Familienrechts. Eine entsprechende Reform wurde von der Ampelregierung zwar im Koalitionsvertrag festgelegt, jedoch nicht innerhalb ihrer Legislaturperiode durchgesetzt. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung ist keine derartige Reform für Regenbogenfamilien geplant (für eine Übersicht der Forderungen und Entwicklungen siehe die Webseite des LSVD+).

Im Policy Paper werden verpflichtende Fort- und Weiterbildungsangebote für Personal in der Geburtshilfe zu sexueller und geschlechtlicher Diversität gefordert. Zudem sollen Forschungsvorhaben zu geburtshilflichen Themen, die für queere Menschen relevant sind, gefördert werden.

Im Gespräch hebt Lowitz positiv hervor, dass es erste queerfeministische Hebammenpraxen sowie zunehmend queere Geburtsvorbereitungskurse gebe. Das Fortbildungskollektiv Queer*Sensible Geburtshilfe aus Hebammen und Mediziner*innen beispielweise klärt über solche Themen auf und bietet Fortbildungen für verschiedene Fachgruppen in der Geburtshilfe an.

Eine Empfehlung zum Thema: In der WRD Doku „Der Schwangere Mann begleitet die Filmemacherin Jeanie Finlay den trans* Mann Freddy über den Prozess seiner Schwangerschaft. 

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Am 12. Juni 2025 stellte die Antidiskriminierungsstelle Schleswig-Holstein ihren 15. Tätigkeitsbericht für die Jahre 2023/24 vor. Trotz des Rückgangs pandemiebedingter Anfragen stieg laut Bericht die Zahl der bearbeiteten Fälle spürbar: Für den Zeitraum 2023/24 wurden insgesamt 459 neue Anfragen registriert. Die Schwerpunkte der Beratung liegen weiterhin bei Diskriminierung aufgrund von Behinderung, ethnischer Herkunft und Geschlecht. Seit ihrer Gründung im Jahr 2013 hat die Stelle bis Ende 2024 bereits 2.629 Petitionen bearbeitet – ein deutlicher Indikator für den anhaltenden Bedarf an niedrigschwelliger Unterstützung im Kampf gegen Diskriminierung.

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Der Tätigkeitsbericht hebt laut Pressemitteilung insbesondere die „vielen Anfragen zum Umgang mit sexuellen Belästigungen durch Arbeitskollegen im Privatleben und die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis“ hervor. Ein weiteres wiederkehrendes Thema ist Mobbing, das ebenfalls in den Fokus der Arbeit rückt.

Positiv bewertet wird, dass Arbeitgeber*innen sich im Rahmen von Schulungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zunehmend für diese Problematik sensibilisieren. Auch außerhalb des Arbeitsplatzes werden die Schulungen und Beratungsangebote weiterhin stark nachgefragt und als wirksame Instrumente wahrgenommen.

Gleichzeitig weist der Bericht darauf hin, dass trotz der seit 2006 gesetzlich vorgeschriebenen betrieblichen Beschwerdestellen weiterhin zahlreiche Anfragen bei der Antidiskriminierungsstelle eingehen. Zudem zeigt sich, dass das AGG in bestimmten Bereichen – etwa im schulischen Kontext, bei Behörden oder in Vereinskonflikten – häufig nicht anwendbar ist.

Vor diesem Hintergrund berät der Landtag derzeit über ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG). Eine finale Entscheidung steht noch aus. Das LADG soll sich dabei am Berliner Vorbild orientieren – bislang das einzige Landesgesetz, das Bürger*innen bei Benachteiligung durch Behörden aufgrund bestimmter Merkmale einen Schadensersatzanspruch zuspricht. Dabei läge es eigentlich im eigenen Interesse von Unternehmen, aber auch von Behörden, sich gegen Diskriminierung aufzustellen: Eine diskriminierungssensible Unternehmens- und Behördenkultur steigert laut der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Samiah El Samadoni nicht nur die Mitarbeiter*innenbindung und Fachkräftegewinnung, sondern auch das Ansehen bei Kund*innen und Geschäftspartner*innen.

Gleichzeitig warnt El Samadoni eindringlich vor einem gesellschaftlichen Klima, das durch sprachliche Verrohung und menschenverachtende Äußerungen zunehmend belastet wird – wie etwa rassistische Inhalte in Stellenanzeigen oder diskriminierende Gesänge, jüngst beobachtet auf Sylt. Um solchen Entwicklungen zu begegnen, fordert sie mehr Sensibilisierung, Gesetzeserweiterungen und aktives Engagement für eine respektvolle und vielfältige Gesellschaft, um verletzendes Verhalten nicht zu normalisieren. Dabei ist es wichtig, die Adressat*innen der Forderungen klar zu trennen.

  • Gesetzeserweiterungen richten sich eindeutig an den Landtag und die dortigen Entscheidungsträger*innen. Die Dienststelle empfiehlt ausdrücklich die Aufnahme des Vereinslebens in den Schutzbereich des AGG.
  • Sensibilisierung zielt vorrangig auf Arbeitgeber*innen und Institutionen, die Raum, Zeit und fachliche Begleitung bereitstellen sollten, um entsprechende Prozesse zu fördern.
  • Engagement für Vielfalt betrifft alle Menschen. Schon kleine Gesten – wie höflicher Umgang im öffentlichen Raum und solidarisches Verhalten über eigene Interessengruppen hinaus – leisten einen wirksamen Beitrag zu einem respektvollen Miteinander.

Hier geht es zur Pressemitteilung zum Bericht.

Hier gibt es den Jahresbericht 2024 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

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Der Eurovision Song Contest 2025 wurde in diesem Jahr in Basel, Schweiz, ausgetragen – ein Festival der Musik und Meinungen. Den Sieg holte der österreichische Künstler JJ, während Deutschland mit dem Duo Abor & Tynna und ihrem Song „Baller“ den 15. Platz belegte.

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Doch jenseits von Glamour und Bühnenshows entzündete sich eine hitzige Debatte: Insbesondere das Zuschauervoting für Israel führte laut Wikipedia zu Vorwürfen der Manipulation und Fragen zur Transparenz der Abstimmungsregeln. Bereits im Vorfeld war die Teilnahme Israels aufgrund des Gaza-Kriegs umstritten gewesen.

Der ESC ist längst mehr als eine bunte Show – er entstand nach dem Zweiten Weltkrieg als Zeichen europäischer Verständigung und wurde während des Kalten Krieges zur Bühne liberaler Werte. Die SRF-Sendung Sternstunde Philosophie vom 12. Mai griff dies auf: Moderator Yves Bossart sprach mit Kulturjournalist Jens Balzer über den ESC als Ort politischer Botschaften und als „safe space“ für Queerness und Vielfalt.

Balzer betonte, dass sich der ESC seit den 1970ern für Diversität stark mache und queere Popkultur in den Mainstream getragen habe. Gleichzeitig kritisierte er, dass sich Teile der sogenannten „woken Kultur“ in ein konsumorientiertes Spektakel verwandelt hätten, das teils erneut zur Ausbeutung und auch Ausgrenzung führe. Der Begriff „woke“ stammt aus dem afroamerikanischen Englisch und beschreibt ursprünglich ein wachsames Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit. Heute wird er oft politisch instrumentalisiert – etwa von Rechtspopulisten wie Donald Trump oder von Regierungen in Russland und Ungarn, die den ESC als Symbol für Dekadenz und Familienfeindlichkeit deuten.

Doch auch westliche EU-Staaten müssen sich Kritik gefallen lassen: Laut Balzer weigerten sie sich jahrelang, osteuropäische Länder in den Wettbewerb zu integrieren – aus Angst vor sinkenden Quoten.

Der ESC bleibt also eine Projektionsfläche: für Musikträume, gesellschaftliche Auseinandersetzung und den Wandel Europas. Das Gespräch mit Jens Balzer lädt dazu ein, den Contest, aber auch die Popkultur ganz allgemein neu zu betrachten, selbst wenn man nicht alle Aussagen teilt.

Programmtipp:

Die vollständige Sendung Der ESC – über Politik, Queerness und die Zukunft Europas aus der Reihe Sternstunde Philosophie ist auf dem YouTube-Kanal von SRF Kultur oder als Audiopodcast auf SRF.ch verfügbar.

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Seit 1985 beschäftigt sich das Schwule Museum Berlin mit queeren Lebensgeschichten, Themen und Ideen und stellt sie auf künstlerische Weise dar. Aktuell gibt es drei Ausstellungen zu besichtigen, die diverse geographische Kontexte und künstlerische Perspektiven abbilden:

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Die Ausstellung „Young Birds from Strange Mountains – Queere Kunst aus Südostasien und seiner Diaspora“ läuft bereits seit November letzten Jahres und kann noch bis zum 4. August 2025 besichtigt werden. Die Ausstellung will in die Wissenslücke über queere Menschen und Praktiken aus Südostasien und seiner Diaspora intervenieren und zeigt Arbeiten von queeren Künstler*innen aus der Region und Diaspora. So wird auch Archivmaterial aus dem Schwulen Museum, dem A Queer Museum Hanoi und dem Queer Indonesia Archive aufgegriffen. Der Titel der Ausstellung ist eine Referenz auf den vietnamesischen Dichter Ngô Xuân Diệu (1916–1985): „‘Junge Vögel‘ kann als Sinnbild für die Erfahrungen queerer Menschen in einer Gesellschaft interpretiert werden, in der sie um ihre Zugehörigkeit kämpfen und dennoch einen bleibenden Eindruck in der Geschichte hinterlassen“, so das Museum.

Seit dem 6. Juni 2025 läuft die Ausstellung „A HEART THAT BEATS – Queere ukrainische Kunst im Fokus“. Darin wird multimediale Kunst im Kontext der Geschichte queerer Gemeinschaften in der Ukraine gezeigt - und das in drei Kapiteln: Das erste sucht nach Spuren queerer Geschichte unter dem Sowjetregime, wo queere Lebensweisen und Kunst größtenteils versteckt bleiben mussten. Das zweite Kapitel behandelt die Jahre der Unabhängigkeit bis 2014 und setzt sich mit dem Aufbau queerer Infrastruktur trotz Widerstand auseinander. Zuletzt wird eine queere Geschichte der Gegenwart erzählt, die von der russischen Besetzung der Krim und dem Angriffskrieg auf die Ukraine geprägt ist. Trotz Geschichten von Repression möchten die Kurator*innen Anton Shebetko und Maria Vtorushyna mit der Ausstellung die Lebendigkeit der ukrainischen queeren Kultur hervorheben.

Die neuste Ausstellung namens „Feuer + Flamme dem Patriarchat. Petra Galls Fotos der Berliner FrauenLesben-Szene“ wird am 3. Juli 2025 eröffnet und bis Februar 2026 laufen. Sie zeigt vor allem Fotos von Petra Gall (1955-2018) im Kontext der FrauenLesbenbewegung der 1980er und 90er Jahre in Berlin. Die Fotografin war selbst Teil der Bewegung, die wichtige feministische Forderungen antrieb und bis heute Wirkung zeigen. Von (körperlicher) Selbstbestimmung, ökonomischer Gleichstellung und rechtlicher Anerkennung – all diese weiterhin höchst aktuellen Themen wurden von der FrauenLesbenbewegung verhandelt. Die Ausstellung ehrt die Bewegung und die Fotografin gleichzeitig. Der Nachlass Petra Galls mit über 200.000 Negativen und Abzügen befindet sich seit 2012 in der Sammlung des Schwulen Museums.

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Letzte Woche berichteten wir in einem Artikel über die aktuellen Bedrohungen von CSD-Veranstaltungen bereits über das Verbot, dass das Regenbogen-Netzwerk der Bundestagsverwaltung am diesjährigen Christopher Street Day in Berlin am 26. Juli  teilnimmt. Trotz Kritik verteidigt die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner die Entscheidung.

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Ein Sprecher von Klöckner erklärt, dass die Entscheidung auf Basis der Notwendigkeit der politischen Neutralität der Verwaltung getroffen worden sei. Aufgrund der konkreten politischen Forderungen auf dem CSD würde eine Teilnahme „über ein allgemeines Bekenntnis zu Menschenrechten und Vielfalt“ hinausgehen (Tagesspiegel).

Der Vorstand des Berliner CSD e.V. sieht das anders und übt scharfe Kritik an dem Verbot: “CSDs sind gelebte Demokratie. Wer die Teilnahme von queeren Netzwerkgruppen staatlicher Institutionen untersagt, kündigt stillschweigend den Konsens auf, dass Grundrechte sichtbar verteidigt gehören”.

Abseits von der queeren Community sorgt die Entscheidung auch innerhalb der CDU für Kritik. Das Nachrichtenportal queer.de berichtet, dass sowohl in Düsseldorf als auch in München (Verwaltungs-)Mitarbeitende an den CSD-Veranstaltungen teilnahmen oder dies ankündigten. Zudem würde auch das Bundesfamilienministerium, geführt von CDU-Ministerin Karin Prien, am CSD Berlin präsent sein.

Auch eine weitere Maßnahme Klöckners in Hinblick auf den Christopher Street Day stößt auf Widerstand: Während die Regenbogenflagge am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homophobie, am Reichstagsgebäude gehisst wurde, soll diese zum 47. CSD in Berlin das Gebäude nicht schmücken – anders als in den Jahren zuvor. Laut rbb rechtfertigt Klöckner die Entscheidung damit, dass die Flagge am CSD „zurecht auf vielfältige Weise durch die Menschen selbst getragen und verbreitet [wird], nicht durch die Institution Bundestag“. Die Bundesflagge repräsentiere das Grundgesetz und würde sexuelle Selbstbestimmung deshalb bereits mit einbeziehen.

Der Vorstand des Berliner CSD e.V. drängt hingegen auf die Notwendigkeit einer Positionierung in der aktuellen Lage: „Gerade in Zeiten, in denen CSDs zur Zielscheibe rechtsextremer Angriffe werden, wäre politischer Rückhalt mehr als angebracht.”

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Das Amt der oder des Beauftragten der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, kurz Queerbeauftragte*r, wurde von der Ampel-Regierung zu Beginn ihrer Legislaturperiode eingeführt. Auf den Grünen-Politiker Sven Lehmann folgt nun Sophie Koch (SPD).

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Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wurde zunächst nicht erwähnt, ob das Amt weitergeführt wird, was eine zentrale Forderung queerer Interessensverbände war. Dass nun also eine neue Queerbeauftragte ernannt wurde, erleichtert die queere Community.

Seit 2024 ist Sophie Koch Mitglied des Sächsischen Landtags. Der LSVD+ begrüßt die Ernennung und bezeichnet die neue Queerbeauftrage als „engagierte junge Stimme aus Ostdeutschland“, die „nicht nur politische Erfahrung mit[bringt], sondern auch eine enge Verbindung zu verschiedensten Communities.“

Die Deutsche Gesellschaft für Trans* und Inter*geschlechtlichkeit (dgti) zeigt sich ebenfalls erfreut über die Benennung von Sophie Koch. In einer Pressemitteilung schreibt der dgti: „Queere Menschen, ihre Angehörigen und Freund*innen machen ungefähr ein Drittel der Bevölkerung Deutschlands aus. Diese Personen brauchen eine Repräsentanz und Ansprechperson in der Bundesregierung.“ Im gleichen Zuge fordert der Interessensverband, dass das Amt ausgebaut und der Aktionsplan Queer Leben weitergeführt wird. Ebenso sei ein Bundesförderprogramm zur Unterstützung von Beratungs- und Unterstützungsstrukturen von LSBTIQ* notwendig. Oft seien solche Stellen von Kürzungen und Finanzierungsproblemen betroffen.

Trotz Lob an der Benennung Kochs betont Erik Jödicke vom Bundesvorstand des LSVD+ jedoch auch, dass es im Koalitionsvertrag von Union und SPD „massive queerpolitische Lücken“ gebe (eine Einordnung des Koalitionsvertrags aus queerpolitischer Sicht finden Sie hier). Das Amt dürfe „kein Feigenblatt für eine Bundesregierung sein, die queere Selbstbestimmungs- und Freiheitsrechte ignoriert oder gar bedroht“.

Die reine Besetzung einer Queerbeauftragten scheint somit noch keine Absicherung für LSBTIQ* in den kommenden Jahren. Vor dem Hintergrund sinkender gesellschaftlicher Akzeptanz und steigender Hasskriminalität gegen LSBGTIQ* – auch in Schleswig Holstein, wie der NDR gerade berichtete – müssen rechtlich verbindliche Maßnahmen geschaffen werden, um ebensolchen negativen Tendenzen entgegenzuwirken. Herausfordernd für die neue Queerbeauftragte könnte auch der Umgang mit queerfeindlichen Tendenzen in den eigenen Reihen der Bundesregierung werden. Darunter womöglich der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, der in seinem Buch „Das konservative Manifest“ (2018) LSBTIQ*-feindliche Aussagen traf (queer.de).   

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In deutschen Großstädten ist queeres Leben längst sichtbar und fester Bestandteil der Gesellschaft. Doch in ländlichen Regionen kämpfen LGBTIQ*-Personen weiterhin gegen tief verwurzelte Vorurteile und Diskriminierung. Besonders in strukturschwachen Gebieten fehlen oft unterstützende Netzwerke, die für viele eine essenzielle Stütze wären.

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Bereits in unserem Artikel „LGBTIQ* und das Leben auf dem Land“ aus dem vergangenen Jahr haben wir dieses Thema beleuchtet. Trotz der Schwierigkeiten gibt es Hoffnung: Initiativen wie „Allgäu Pride“ aus Bayern oder „Queere Worte – Queere Orte“ aus Hessen setzen sich aktiv für mehr Sichtbarkeit und Vernetzung ein. In Fulda wurde die „Queere Stunde“ ins Leben gerufen, bei der Gleichgesinnte an wechselnden Orten zusammenkommen, um Kontakte zu knüpfen. Schleswig-Holstein bietet ebenfalls Stammtische, wobei diese vermehrt in städtischen Regionen zu finden sind.

Zwar haben rechtliche Errungenschaften wie das Selbstbestimmungsgesetz Fortschritte gebracht, doch sie ändern nicht unmittelbar die Lebensrealität vieler queerer Menschen auf dem Land. Vorurteile bleiben bestehen, und strukturelle Herausforderungen erschweren die Akzeptanz. Projekte wie „Allgäu Pride“ versuchen, diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, doch es mangelt an politischer Unterstützung und finanziellen Mitteln. Besonders in wirtschaftlich schwächeren Regionen ist Engagement gefordert, damit queeres Leben sichtbarer und selbstverständlicher wird.

Finanzielle Förderung spielt dabei eine Schlüsselrolle. Ohne Investitionen in soziale und infrastrukturelle Maßnahmen bleibt die Auseinandersetzung mit queerem Leben oft oberflächlich oder wird verdrängt – in manchen Fällen wird sie sogar mit Hass betrachtet. Es braucht ganzheitliche Konzepte, die alle Menschen in ländlichen Regionen einbeziehen und Vorurteile abbauen.

Ein anekdotischen Einblick in die Realität queerer Menschen auf dem Land bietet die Dokumentation „Queer in der Provinz“ des MDR aus dem Mai 2025. Die Sendung begleitet vier Personen auf ihrem Weg zu mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz:

  • Eric, der sich trotz Widerstände für den ersten CSD seiner Kleinstadt engagiert,
  • Tina und ihre Ehefrau, die Akzeptanzprobleme in ihrem Heimatdorf erleben,
  • Christian, der unsicher ist, ob sein neues Zuhause ihn willkommen heißt,
  • Joe, der mit bürokratischen Hürden bei der Anerkennung seiner Identität kämpft.

Die Dokumentation verdeutlicht, dass gesellschaftlicher Wandel möglich ist – und dass die Provinz nicht nur als Gegensatz zur Großstadt existiert, sondern Raum für Vielfalt bieten kann. Ländliche Regionen dürfen nicht mit Ausgrenzung gleichgesetzt werden. Entscheidend ist daher eine Kombination aus politischem Druck für Investitionen in Infrastruktur und dem tatkräftigen Engagement der LGBTIQ*-Community. Vereine und Initiativen sowie all jene, die über genug Energie verfügen, um über die eigenen Interessen hinaus aktiv zu werden, tragen dazu bei, inklusive Räume zu schaffen, die allen Menschen offenstehen.

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Seit März 2023 berichten wir regelmäßig über die Entwicklungen rund um das sogenannte „Anti-Homosexuellengesetz“ in Uganda und den Einfluss ultrakonservativer US-amerikanischer Organisationen auf die Gesetzgebung in afrikanischen Ländern. Nun stehen in mehreren afrikanischen Staaten hochkarätig besetzte Konferenzen bevor, bei denen internationale rechtskonservative Gruppen ihre Agenda gegen Abtreibung, LGBTIQ+-Rechte und Sexualaufklärung vorantreiben wollen.

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Unter dem Vorwand von „Familienwerten“ und „religiöser Freiheit“ reisen prominente Vertreter*innen aus den USA, den Niederlanden und Polen an, um Einfluss auf die lokale Politik zu nehmen. Bereits im Januar hatten wir in unserem Artikel „Der Einfluss aus Amerika auf die ugandische Gesetzgebung“ die Verflechtungen zwischen ultrarechten und evangelikalen Gruppen aufgezeigt, die ihren Einfluss auf die Politik des Kontinents ausbauen wollen.

Besonders im Fokus steht laut The Guardian die Pan-Afrikanische Konferenz zu Familienwerten, die vom 12. bis 17. Mai in Nairobi stattfindet. Mitorganisiert wird sie unter anderem von Gruppen wie dem Center for Family and Human Rights (C-Fam) und der Alliance Defending Freedom (ADF), die in den USA als Hassorganisationen gelten. Unterstützt wird die Bewegung auch von afrikanischen Politiker*innen und Aktivist*innen, die offen gegen LGBTIQ+-Rechte und Abtreibung eintreten.

Menschenrechtsorganisationen warnen davor, dass diese Konferenzen zur Verabschiedung repressiver Gesetze führen könnten. Ein Beispiel ist der kenianische Family Protection Bill, der LGBTIQ*-Personen kriminalisiert und grundlegende Menschenrechte einschränkt. Auch in Sierra Leone droht durch eine ähnliche Konferenz das Scheitern eines Gesetzes zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.

„Das ist kein afrikanisches Wertesystem, sondern ein Rückschritt in koloniale Denkweisen“, sagt Nelly Munyasia vom Reproductive Health Network Kenya laut The Guardian.

Zivilgesellschaftliche Organisationen in Afrika und darüber hinaus reagieren mit verstärkter Vernetzung, Informationsarbeit und öffentlicher Positionierung auf den wachsenden Einfluss global vernetzter anti-reproduktiver und anti-queerer Bewegungen. Ein Beispiel dafür ist der für den 25. Mai geplante Report Until Everybody Is Free der Organisation Purposeful.

Der Titel erinnert an die Aktivistin Fannie Lou Hamer, die 1971 in ihrer berühmten Rede beim National Women’s Political Caucus in Washington, D.C., die Notwendigkeit betonte, Unterschiede zwischen Frauen verschiedener sozialer und ethnischer Hintergründe ernst zu nehmen. Hamer kritisierte vereinfachende feministische Narrative und forderte, Differenzen nicht zu übergehen, sondern als Grundlage für ehrliche, solidarische Zusammenarbeit zu betrachten.

Diese Perspektive ist auch heute relevant. Der Kampf für Gleichberechtigung und Menschenrechte in Afrika betrifft nicht nur Frauen- oder LGBTIQ*-Rechte isoliert. Vielmehr stehen Aktivist*innen vor der Herausforderung, Spannungen und Widersprüche zwischen verschiedenen marginalisierten Gruppen sichtbar zu machen, ohne sie sofort auflösen zu müssen – und dennoch gemeinsame Interessen zu erkennen.

Entscheidend ist, Räume für gemeinsame Strategien zu schaffen, die sowohl der Komplexität gesellschaftlicher Realitäten gerecht werden als auch ultrarechten, populistischen und extremistischen Einflüssen, ob von außen oder innen, wirksam entgegentreten können. Diese Schlussfolgerung bleibt universell und kann in Deutschland ebenso Orientierung geben wie überall.

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Am 6. Mai fand die Wahl des neuen Bundeskanzlers statt – mit einem historischen Novum: Friedrich Merz gelang es erst im zweiten Wahlgang, die notwendige Mehrheit zu erreichen. Am Ende fehlten sechs Stimmen bis zur notwendigen Mehrheit von 316 Stimmen, und auch im zweiten Wahlgang stimmten lediglich 325 von 328 Stimmen der beiden Regierungsparteien für Merz.

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Die Spekulationen darüber, wer gegen ihn gestimmt hat und warum bleiben – und sie führen zu einer potenziell geschwächten Position des Kanzlers, die auch in der kommenden Legislaturperiode spürbar sein könnte.

Logischerweise beeinflussen die politischen Turbulenzen nicht nur das Kanzleramt. Sven Lehmann, nun ehemaliger Queerbeauftragter, äußerte sich angesichts der unvorhersehbaren Entwicklungen zunächst erleichtert darüber, dass er seine Entlassungsurkunde noch nicht erhalten habe, so das Magazin Queer mit Verweis auf die dpa. Noch während der Koalitionsverhandlungen stand der Posten des/der Queerbeauftragten unter Vorbehalt (Hier unser Artikel zum Vertrag). Erst jetzt hatte Queer mit Verweis auf Focus Online berichten können, dass „das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queerbeauftragter)“ offenbar erhalten bleiben soll. Für 25 weitere Beauftragte, Sonderbeauftragte und Koordinator*innen wird es jedoch keine neuen Ämter geben.

Dass Behörden und Funktionspositionen neugestaltet und umstrukturiert werden, ist nichts Neues und nicht per se gut oder schlecht. Doch ein Blick in die USA zeigt, welche Bedeutung solche Umstrukturierungen haben können.

Mit seinem Anschluss an „Project 2025“ zielt Trumps aktuelle Amtszeit genau auf solche behördlichen Strukturen. Wie der Deutschlandfunk zusammenfasst, versucht Trump durch Dekrete die Bundesverwaltung umfassend umzustrukturieren. Zudem setzte er Bundesbedienstete unter Druck, indem er ihnen eine Frist für eine freiwillige Kündigung gegen Abfindung setzte – eine Maßnahme, die 40.000 Beschäftigte nutzten, bevor sie durch einen Bundesrichter vorerst gestoppt wurde. Zusätzlich verhängte Trump einen Einstellungsstopp für Bundesbeamte, um die Verwaltung weiter zu verkleinern. Und auch Merz‘ Kabinett weist Besetzungen auf, die nicht auf eine offenere zukünftige Regierung hindeuten.

Vor diesem Hintergrund ist der Erhalt des Amtes des/der Queerbeauftragten ein wichtiges Signal an die LGBTIQ*-Gemeinschaft und lässt hoffen, dass sich die zukünftige Regierung, trotz aller erwartbaren Kritik, eben nicht wie Trump im Porzellanladen aufführen wird. Dennoch bleibt abzuwarten, was am Ende geschieht und was nicht.

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