Echte Vielfalt

LSBTIQ

Am 27. Oktober trat die schottische Ministerin für kommunale Sicherheit, Ash Regan, zurück. Sie protestierte damit gegen den aktuellen Gesetzesentwurf der Regierung zur Selbsterklärung für die rechtliche Anerkennung des Geschlechts, das die Notwendigkeit einer psychiatrischen Diagnose der Geschlechtsdysphorie beseitigt und das Alter für Antragsteller*innen von 18 auf 16 Jahre herabsetzt.

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Als Begründung betonte Regan, sie könne die anstehende Abstimmung nach gründlicher Überlegung nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Die schottische Prime Ministerin Nicola Sturgeon nahm den Rücktritt Regans an, warf dieser allerdings vor, es versäumt zu haben, ihre Bedenken frühzeitig zu äußern. „Ich stelle fest, dass Sie sich zu keinem Zeitpunkt an mich - oder an den Kabinettssekretär für soziale Gerechtigkeit - gewandt haben […]“, zitiert The Guardian Sturgeon. Dennoch wurde der Gesetzesentwurf im ersten Schritt vom Parlament mit 88 zu 33 Stimmen angenommen. Unterstützt wurde der Entwurf dabei auch von Nicht-Regierungsparteien wie der Labour Partei, „die dafür eintritt, eine Befriedung in der Sache erreichen zu wollen“, so das Magazin schwulissimo.

Bevor es allerdings zur endgültigen Gesetzgebung kommt, geht der Vorschlag in die sogenannte Änderungsphase. Hier wurden bereits im Voraus von verschiedenen Abgeordneten Bedenken geäußert, dass das Vorhaben massiv an Zustimmung in der Bevölkerung verlieren könne, wenn die Regierung im weiteren Verlauf nicht auf wesentliche Bedenken eingehe, so das Magazin weiter (In unserem letzten Artikel zu diesem Thema findet sich ein Überblick zu den Kritikpunkten).

Die Ministerin für soziale Angelegenheiten, Shona Robison, versicherte den Abgeordneten, dass sie eine "Politik der offenen Tür" für diejenigen habe, die Bedenken vorbringen oder mögliche Änderungsanträge diskutieren wollen. Jede*r Abgeordnete könne in der zweiten Phase Änderungsanträge einbringen, solange diese im Rahmen der Gesetzgebung liegen.

Nach der intensiven Debatte am Donnerstag, 27. Oktober, zeigten sich einen Tag später die Abgeordneten beider Seiten optimistisch: Diejenigen, die darauf hinwiesen, dass die wichtigsten Grundsätze der Reform parteiübergreifend unterstützt würden, und diejenigen, nach deren Meinung die Revolte der ‚Hinterbänkler‘ der Schottischen Nationalpartei (SNP) - die stärkste seit 15 Jahren - eine weitere Zusammenarbeit der Gegner*innen in der nächsten Phase anregen könne. Die Vertreter*innen der schottischen trans Community begrüßten zwar die breite Unterstützung des Gesetzentwurfs durch die Abgeordneten, fügte aber hinzu, dass es bedauerlich war, im Plenarsaal einige der gleichen Fehlinformationen zu hören, gegen die sie seit Jahren ankämpften.

Wie The Guardian weiter berichtet, wird auf der Gegenseite nächsten Monat die Anhörung eines langwierigen Gerichtsverfahrens erwartet, das den Entwurf evtl. nochmals infrage stellen könnte. Die Kampagnengruppe „For Women Scotland“, die gegen die Selbstdeklaration eintritt, hatte bereits 2018 im Zusammenhang mit einem Gesetz über die Vertretung der Geschlechter in öffentlichen Gremien gegen die schottische Regierung geklagt.

Es ist also zu vermuten, dass die zweite Phase nicht weniger kontrovers verlaufen wird als es bis jetzt der Fall war.

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Mitte letzten Jahres trat Amazons ‚Inclusion Playbook‘ in Kraft. Darin legte der Konzern Richtlinien zum Beispiel zum Umgang mit Stereotypen fest, die bei einem Filmdreh von und für Amazon zu berücksichtigen sind. Seitdem ist über ein Jahr vergangen und die zunächst laut gewordene Kritik am Playbook scheint in den Hintergrund gerückt, wie aktuell die jüngsten Empörungen um die Netflix-Serie „Heartstopper“ zeigen.

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Nach massivem Druck aus der Community sah sich der Schauspieler Kit Connor gezwungen, sich auch privat als bi zu outen, nachdem ihm bzw. der Serie ‚Queerbaiting‘ vorgeworfen wurde. Queerbaiting gilt als „eine Marketingtechnik für Fiction- und Entertainment-Formate, bei denen die Produzent*innen auf gleichgeschlechtliche Romanzen oder andere LGBTI-Darstellungen hinweisen, sie dann aber nicht darstellen.“ (queer.de) Connor erhielt die Vorwürfe, nachdem er Hand in Hand mit einer Schauspielerkollegin gesehen wurde: „Bei manchen Fans sorgte dies für Unverständnis, da Connor in ‚Heartstopper‘ einen bisexuellen Schüler spielte, […] und in Interviews von sich gab, dass er sich mit seiner Rolle identifizieren könne.“

Diese „Fans“ glaubten, einen Anspruch darauf zu haben, aufgrund einer Rolle über die sexuelle Orientierung eines Schauspielers zu urteilen. Genau dies missversteht jedoch auch Amazon: Im Inclusion Playbook stellt - neben Inklusion - Authentizität eine zentrale Maxime. Es gehe darum, Minderheiten auch in Bezug auf ihre „sexuelle Orientierung“ zu stärken, so der Konzern. Aber: Die Richtlinie regelt, wer vor und hinter der Kamera steht, indem sie Quoten für Geschlecht, Herkunft sowie sexuelle, politische oder religiöse Ausrichtungen setzt. Andreas Berner zitiert dazu in seiner ZEIT-Kolumne: „Es sollen nur noch Schauspieler engagiert werden, deren Identität (Geschlecht, Geschlechtsidentität, Nationalität, Ethnizität, sexuelle Orientierung, Behinderung) mit den Figuren, die sie spielen, übereinstimmt."

Der Filmkritiker Wolfgang M. Schmitt mahnt, dass die hier betriebene Nebeneinanderstellungen von Identitäten durch „Authentizität“ eine Identitätspolitik erzeuge, wie sie auch bei den „Neuen Rechten“ zu finden sei. Hier gehe es nicht mehr um Schauspiel und Rollenübernahme, sondern dass jede*r einen/ihren Platz zugewiesen bekommt. Sowohl Schmitt als auch Berner zitieren in diesem Zusammenhang Diderot und sein „Paradox über den Schauspieler“ um 1770:

"Der Schauspieler ist nicht diese oder jene Person, er spielt sie nur und spielt sie so gut, dass Sie ihn mit ihr verwechseln", […] "das vollständige Fehlen von Empfindsamkeit" sei daher gerade "die Voraussetzung für erhabene Schauspieler".

Die taz fragte im vergangenen Jahr, ob nun nicht geoutete Schauspieler*innen mehr oder weniger zu Outings gezwungen würden, um Jobs zu bekommen und bemerkte: „Ein Mörder muss nicht von einem Mörder gespielt werden. […] Und ein homosexueller Schauspieler kann eben auch die Rolle eines Heterosexuellen übernehmen.“ Ebenso hätte Connor, auch wenn er nicht bi wäre, die Rolle verkörpern können.

Amazons Anliegen, möglichst keine potenziellen Kund*innen zu verschrecken, ist offensichtlich. Dabei verlangt der Konzern allerdings nicht weniger als eine*n gläserne*n Arbeitnehmer*in, die*der alles über ihre*seine Herkunft und (sexuelle) Identität verrät, um anstellbar zu bleiben. Ob dabei ein Thema schauspielerisch gut umgesetzt wird oder nicht, sollte jedoch auch weiterhin eine Frage des Handwerks und nicht der sexuellen oder irgendeiner anderen Identität bleiben.

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Die Veranstaltung in Köln war schnell ausgebucht. 70 Teilnehmende – überwiegend frauenliebende Frauen – besuchten den Fachtag „Verbundenheit und Einsamkeit im Alter“, den der Dachverband Lesben und Alter am 21.10.2022 ausrichtete. Lesen Sie in diesem Beitrag mehr zu den zentralen Inhalten des Fachtages.

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Impulsvorträge

Der Spagat zwischen Gemeinschaft und Rückzug betrifft Ältere ebenso wie Jüngere, betonte Prof. Dr. Sonia Lippke in ihrem Impulsvortrag. Studien deuten allerdings darauf hin, dass LGBTQI*‐Menschen doppelt so häufig von Einsamkeit betroffen sind wie die sonstige Bevölkerung. Genaue Zahlen fehlen jedoch. Insbesondere fehlt Forschung zur Lebenssituation älterer lesbischer Frauen. „Hier ist die Politik in der Pflicht“, so Carolina Brauckmann, Vorstandsfrau des Dachverbands Lesben und Alter. „Denn spezifisch lesbische Strategien über soziale Netzwerke und Wahlverwandtschaften der Einsamkeit entgegenzuwirken, können Vorbild sein für eine älter und diverser werdende Gesellschaft.“

Wie gut das funktioniert, zeigte Barbara Bosshard, seit 2019 Präsidentin von queerAltern Schweiz. Dem Verein gelang es auch in Pandemie-Zeiten, Angebote wie regelmäßige Wanderungen und Erzählcafés aufrecht zu erhalten. Der Austausch mit Jüngeren und das Aufbrechen stereotyper Altersbilder sind Bosshard besonders wichtig. Ihr Credo: Sichtbarkeit als alte, als queere Menschen. „Damit auch die Jüngeren sehen: Aha, man kann 70 werden und immer noch glücklich aussehen.“

Talkrunde

"Wie verschaffen wir uns Verbundenheit und Zugehörigkeit?" Auf dem Bild von links: Christof Wild (Der Paritätische, Kreisgruppe Köln), Betty Thie (Golden Girls, Köln), Barbara Bosshard (queerAltern, Zürich), Elke Schilling (Silbernetz e. V.), Carolina Brauckmann (Dachverband Lesben und Alter).

In der Talkrunde knüpfte Betty Thie an die Impulsvorträge an. In den Pandemiejahren sei es schwierig gewesen, die Gruppe zusammenzuhalten, nicht wenige hätten sich völlig zurückgezogen. Vor allem das Telefon wurde zum Mittel der Wahl, um in Kontakt zu bleiben. Auf die Kraft der Kommunikation via Telefon setzt der Verein Silbernetz von Beginn an. Elke Schilling, Gründerin des Netzwerks, legt nach wie vor großen Wert darauf, all jene zu erreichen, die anderen Angeboten fernbleiben. Schilling spricht nicht von den Einsamen, sondern von Menschen mit Redebedarf. Bei Silbernetz können sie einfach anrufen oder sich anrufen lassen. Es sei erstaunlich „welche Nähe über dieses Medium möglich ist.“ Die Themen, über die gesprochen wird, sind „so divers wie alte Menschen nun einmal sind.“ Ob Sexualität, Armut, Alltagserlebnisse – alles komme zur Sprache.

Christof Wild ergänzte die Runde mit Erkenntnissen aus der modernen offenen Senior*innenarbeit. Vernetzung und selbstorganisierte Gruppen stehen im Mittelpunkt. „Einsamkeit in der Gruppe“ sei immer wieder Thema. Schon früh habe er gelernt: „Wenn ich Verbundenheit haben will, muss ich soziale Intimität herstellen“.

Abschluss und Folgetag

Zum Abschluss vertieften die Teilnehmerinnen die Tagungsthemen in moderierten Austauschrunden. Lebendig, sehr persönlich und kreativ kamen weitere Aspekte zur Sprache. So gehört zu den persönlichen Strategien, sich im Alter mit anderen Lesben zusammenzutun, die eine ähnliche Biographie haben. Es sei hilfreich, die Gemeinsamkeiten zu bewahren, Veränderungen zuzulassen und im Gespräch mit Jüngeren zu bleiben, auch im Rahmen von internationalen Begegnungen.

Am Folgetag tauschten sich Mitgliedsorganisationen und interessierte Fachfrauen unter dem Motto „Allein, aber nicht einsam“ über konkrete Angebote vor Ort aus.

Vorstandsfrau Carolina Brauckmann zeigte sich am Ende der Tagung hoch zufrieden: „Das war ein reiches Programm mit unglaublich vielen Impulsen. Als Dachverband Lesben und Alter werden wir die Anregungen aufgreifen. Zentral bleibt für uns: Sichtbarkeit zeigen, als ältere Lesben vielfältige Altersbilder nach außen tragen und die Bedürfnisse der Zielgruppe bei der Politik und im geplanten Nationalen Aktionsplan ‚Queer leben‘ verankern. Wir benötigen mehr Erkenntnisse über alte und junge Lesben, das heißt Forschung, Forschung, Forschung! Und wir brauchen Unterstützungsstrukturen, damit auch diejenigen teilhaben können, denen das Geld fehlt, kostenpflichtige Angebote wahrzunehmen. Wir nehmen den Bundeskanzler beim Wort: 'You'll never walk alone‘."

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Zwei Studierende des Masters 'Soziale Arbeit und Forschung' an der FH Münster möchten im Rahmen eines Forschungsprojektes herausfinden, wie es gender-queeren Jugendlichen in der stationären Jugendhilfe geht, um deren Bedarfe, Lebenswege und Anliegen sichtbar zu machen. Dazu möchten sie gerne mehr zu subjektiven Erfahrungen vor und während der Heimunterbringung erfragen und bitten hier mit einem Fragebogen um Unterstützung.

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Der Fragebogen umfasst fünf größere Themenkomplexe, die Anzahl der Fragen hängt von den jeweiligen Antworten ab. Die Bearbeitungsdauer beträgt etwa 30 bis 40 Minuten. Es kann aber auch jederzeit pausiert und später wieder an derselben Stelle weitergemacht werden. Alle Daten werden anonym erhoben, streng vertraulich behandelt und können nicht der jeweiligen Person zugeordnet werden.

Die Studierenden bitten darum, ihren Fragebogen an junge Menschen weiterzueiten, die zwischen 16 und 27 Jahren alt sind und entweder derzeit in stationärer Jugendhilfe leben oder einen Teil ihres Lebens in stationärer Jugendhilfe gelebt haben.

Hier ist der Flyer zur Umfrage: FLYER_FFA. Darauf sind sowohl der URL-Link als auch ein QR-Code zur Umfrage vorhanden. Gerne kann der Flyer auch in Einrichtungen ausgehängt oder auf anderen Wegen geteilt werden.

Die Umfrage wird bis zum 29.01.2023 freigeschaltet sein.

Rückfragen können gerne jederzeit per Mail an gender-queere.Umfrage@web.de gerichtet werden.

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Während der Dokumentarfilm „Mutter Mutter Kind“ ein Langzeit-Porträt über zwei Frauen und ihre Familie zeigt, handelt es sich bei ‚Bodies Bodies Bodies‘ um einen sozialsatirischen Horrorfilm mit lesbischen Hauptfiguren.

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Die Langzeit-Doku ‚Mutter Mutter Kind‘ begleitet die Protagonist*innen seit 2009 ca. 13 Jahre lang und gibt somit nicht nur Einblicke in das Leben der Familie, sondern zeigt darüber hinaus die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich in dem Zeitraum ereignet haben und mit denen Anny und Pedi und ihre Kinder konfrontiert sind.

„Es war mir wichtig, die privaten Erlebnisse unserer Protagonisten in einen zeitgeschichtlichen Kontext zu stellen und auch den Umgang mit Homosexualität in Deutschland international zu verorten“, zitiert der Freitag Annette Ernst, die Regisseurin des Films.

Der Film beginnt kurz vor der Geburt des dritten Sohnes von Anny und Pedi zu einer Zeit, in der die beiden Frauen noch mit einer Annonce nach einem passenden Samenspender suchen mussten. Annette Ernst und Kamerafrau Nina Werth wollten mit ihrem Film Antworten auf vorurteilsbeladene und hoch umstrittene Fragen finden. Zum einen: „Fehlt den Kindern bei gleichgeschlechtlichen Eltern das jeweils andere Geschlecht?" Und zum zweiten: „Darf man den Kindern zumuten, eine Sonderrolle zu spielen?“ (hessenschau)

Das Magazin L-Mag kritisiert hingegen die problembeladene Sicht des Films und hätte sich angesichts des umfassenden Rohmaterials und der „prächtige[n] Entwicklung der porträtierten Regenbogenkinder“ eine positivere Betrachtungsweise gewünscht: „Die Doku lässt viele spannende Themen liegen.“

‚Bodies Bodies Bodies‘ der holländischen Regisseurin Halina Reijn ist ein Generation Z-Film im typischen Slasher-Comedy-Style: Eine Gruppe von sieben rund 20-jährigen ‚Rich Kids‘ verbringt ein Wochenende auf einem abgelegenen Anwesen. Ein Mord-im-Dunkeln-Spiel entpuppt sich dabei als bitterer Ernst mit mehreren echten Leichen… Ein aufziehender Hurrikan mit Strom- und Netzausfall tut sein Übriges.

Auch wenn diese Art Geschichte nicht wirklich neu ist und bereits in diversen Filmen umgesetzt wurde, besteht das Besondere hier aus „immer aggressiver werdenden Anspannungen und Sticheleien innerhalb der toxischen Gruppendynamik, deren Gespräche wie aus einem Twitter-Thread entnommen wirken.“ (moviebreak). Damit zeigt sich ‚Bodies Bodies Bodies‘ als „Genre-Parodie und als Sozialsatire auf Gen Z-Kids, ihre Werte und ihre Freundschaften“ (L-Mag).

Überzeugend spielen zudem Amandla Stenberg und Maria Bakalova ein junges lesbisches Paar, das – anders als häufig in Filmen – ganz selbstverständlich zueinander findet. Stenberg ist im echten Leben offen Bi und setzt sich für LGBTIQ* Rechte ein (hier ein interessantes Interview mit ihr). Ein weiterer Hauptdarsteller, Lee Pace, der im Film zwar einen heterosexuellen Part spielt, gab im August bekannt, seinen langjährigen Freund geheiratet zu haben.

Trailer ‚Mutter Mutter Kind‘

Trailer ‚Bodies Bodies Bodies‘

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Die Aussage „Don‘t say gay“, die auf eine Gesetzgebung in Florida vom März 2022 hinweist, steht für eine hoch ideologische und Menschen abwertende Politik. Das Gesetz verbietet den Unterricht über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität vom Kindergarten bis zur dritten Klasse, so The Guardian im Frühjahr dieses Jahres.

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Darüber hinaus gilt je nach Auslegung des jeweiligen Schulbezirks, dass auch diesbezügliche Vertrauensgespräche zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen oder Symbole wie die Regenbogenflagge in das Verbot eingeschlossen sind. In einem früheren Artikel haben wir hierzu ausführlicher berichtet.

Die Gesetzgebung bildet das „Vorbild“ für die Republikaner*innen, wie das Magazin schwulissimo betont, um in den gesamten Vereinigten Staaten die Grundrechte von Homosexuellen und LGBTIQ+ im Allgemeinen anzugreifen. „Doch es sollte nicht übersehen werden, dass Florida mit der Verabschiedung eines solchen Gesetzes, das den Bildungsbereich betrifft, nicht allein dasteht.“, mahnt die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Auch weitere Bundesstaaten haben bereits ähnliche Gesetze erlassen: „In Georgia etwa richtet sich ein gesetzliches Verbot der Verbreitung von ‚spalterischen Ideen und Konzepten‘ an Schulen nicht nur gegen LGBTQ+-Themen.“

Es ist also nicht „nur“ die LGBTQ+ Comunity, die hier von den Konservativen als Feind auserkoren wurde. Die Konservativen haben es geschafft, ähnlich wie schon bei dem Begriff „political correctness“ den umgangssprachlichen Begriff „woke“ (zu Deutsch: aufgewacht) zu einem Synonym für linken Autoritarismus umzudeuten. Der Begriff hat seinen Ursprung im afroamerikanischen Englisch und bedeutet eigentlich, dass eine Person „wachsam gegenüber Rassismus, Sexismus und anderen Unterdrückungsverhältnissen“ ist. Gesetze wie das in Florida werden als „Anti-woke-Gesetze“ bezeichnet und verfolgen den Zweck, Bildung und Verbreitung von Weltbildern, die nicht in das Bild „weißer christlicher Nationalist*innen“ passen, zu verbieten, so die Rosa-Luxemburg-Stiftung zusammenfassend.

Dabei geht es über ein Redeverbot bereits weit hinaus. Laut einer Studie von „Pen America“ wurden im vergangenen Schuljahr 2021/22 in den USA über 1.600 Schulbücher zu Themen von Rassismus, Sexualkunde, geschlechtliche Identität etc. auf den Index gesetzt, schreibt der Stern. Auf der Seite von Pen America ist dazu zu lesen, dass von diesem „Buchverbot“ fast vier Millionen Schüler*innen betroffen seien.

Wenn sich also die Konservativen – nach Angaben der Rosa-Luxemburg-Stiftung – neben den Bundesgerichten auf die Einzelstaaten und die lokalen Regierungen konzentrieren, um dort ihre Anliegen durchzusetzen, dann ist das eine nicht zu unterschätzende Bedrohung. Es geht hierbei um eine dezentrale Politik, deren konkrete Konsequenzen nicht nur auf die LGBTQ+ Community zielen, sondern alle betreffen, die nicht dem konservativen Weltbild entsprechen, wie bspw. Frauen, die sich gegen überkommene Reproduktionsvorstellungen stellen, People of Color oder all jene, die grundsätzlich von einem guten Bildungssystem abhängig sind, d. h. die Bildung und Sozialisation der nächsten Generationen.

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Mittwoch, 12. Oktober 2022: Vor einer Schwulenbar in der slowakischen Hautstadt Bratislava erschoss ein 19-Jähriger einen Besucher und einen Kellner sowie verletzte eine weitere Angestellte. Nach Angaben der taz, mit Bezug auf Polizei und Staatsanwaltschaft, sei die Tat geplant gewesen, die Opfer jedoch zufällig gewählt. Noch am selben Abend soll der Täter ein Video über die sozialen Netzwerke verbreitet haben, in dem er sagte, er habe „keine Reue“. Anschließend tötete er sich selbst.

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Im Licht dieses Ereignisses verabschiedete das Europäische Parlament am 20. Oktober eine Resolution, in der es die Tat als rechtsextremen Terrorakt bezeichnete und zutiefst verurteilte. Gleichzeitig zeigte es sich „besorgt über die Straflosigkeit, mit der LGBTIQ+-feindliche Gruppen und insbesondere rechtsextremistische Gruppen in einigen Mitgliedstaaten agieren“. Im aktuellen Fall hatte sich der Schütze sowohl an der White-Supremacy-als auch an der Incel-Ideologie orientiert. Das Parlament bestätigt damit, dass die Tat kein Einzelfall war, sondern ihren Ursprung in den ideologischen bis hin zu rechten LGBTIQ+-feindlichen Strukturen hat.

Wie die Magazine Schwulissimo und Queer berichten, sei die Resolution mit 447 zu 78 Stimmen und 45 Enthaltungen verabschiedet worden. Dabei kamen die Neinstimmen vor allem von Vertreter*innen aus Ungarn, Polen und Italien.

Dass es sich hierbei auch um ein strukturelles Problem handelt, macht ein Blick zurück in den März 2021 deutlich: Damals stellte das Europäische Parlament fest, dass es einen deutlichen Rückschritt bei den Rechten von LGBTIQ+ Personen gebe, der vor allem in Ungarn und Polen zu beobachten sei. In diese Situation von Hetze und Desinformation seinen auch Amtsträger*innen und Behörden involviert, heißt es. Auch in der Slowakei ist die Gesetzgebung weit hinter einem effektiven Schutz und Gleichbehandlung von LGBTIQ+ Personen zurück, daran ändert nichts, dass sich die Präsidentin und der Ministerpräsident solidarisch mit den Opfern zeigten.

Dabei verstoßen die Länder in ihrer Ignoranz bis hin zur aktiven Beschneidung von Rechten nicht „nur“ gegen ethische Prinzipien oder die „Allgemeine Menschenrechtserklärung“. Stattdessen missachten alle Länder, die sich LGBTIQ+ feindlich verhalten, eindeutig europäisches Recht.

In ihrer letzten Resolution verweisen die Parlamentarier*innen zuallererst auf die eigenen Grundrechte der EU, um sofort im Anschluss Bezug auf Art. 2 EUV zu nehmen, den Vertrag über die Europäische Union. Hierin stellt die EU klar, dass ihre Gründungswerte die „Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören“, und allen Mitgliedstaten gemein sind. Bereits in der Vergangenheit hatte die EU sowohl Ungarn als auch Polen mit Sanktionen belegt, weil diese gegen die Grundwerte verstoßen hatten.

Das Parlament ist sich der strukturellen Ursachen sehr bewusst. Ob die Sanktionen allerdings wirklich zu einer Verbesserung für die LGBTIQ+ Community in den einzelnen Mitgliedstaaten führen, bleibt abzuwarten. Die Mühlen mahlen langsam und bis dahin und darüber hinaus braucht es immer wieder die Stimmen der Zivilgesellschaft.

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Die Fußball-WM in Katar ist mittlerweile kaum noch als unumstritten zu bezeichnen. Die unwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter*innen und die geradezu lebensgefährdende Gesetzgebung, vor allem auch für die LSBTIQ* Community, sind keine Vermutungen.

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In einem früheren Artikel haben wir bei echte-vielfalt.de über die Situation und was sie für LSBTIQ* Besucher*innen sowohl aus dem Ausland als auch aus Katar bedeuten kann, berichtet. Nun spitzt sich die Lage zu. Nach einer Zusammenfassung des Magazins Schwulissimo sollen Filmaufnahmen in Privaträumen, Universitäten, Krankenhäusern sowie bei Unternehmen verboten werden. Gerade die erste Einschränkung erschwert es, hinter die Kulissen zu schauen. Damit betrifft diese Medienzensur zwar alle, allerdings bedeutet sie gerade für gefährdete Personen „Unsichtbarkeit“ in Sinne des Wortes.

Der Tagesspiegel merkt an, dass übertragende Medien wie ARD und ZDF oder auch die Telekom Magenta TV immer wieder versichert hatten, auch über die vorherrschenden Zustände berichten zu wollen. Dies wird ihnen nun zumindest massiv erschwert.

Aber damit nicht genug: Wie der Stern mit Verweis auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus Norwegen "NRK" berichtet, ist jede*r Besucher*in dazu verpflichtet eine App herunterzuladen, die weitreichende Zugriffe auf die privaten Daten erhält. Die App sei von einem „Trojaner“ kaum zu unterscheiden, so der Stern. Der NRK fasst zusammen:

„They can simply change the contents of your entire phone and have full control over the information that is there.”

Aus diesem Grund empfiehlt der norwegische Rundfunk, ein leeres bzw. neues Handy mitzunehmen, wenn man das Land besuchen möchte. Eine App, die einen fast uneingeschränkten Zugang hat, kann nicht nur auf vorhandene Daten zugreifen, sondern prinzipiell auch Gespräche. Wie schon in unserem vorherigen Bericht gilt hier: „Während die WM-Tourist*innen nach den Spielen das Land verlassen, bleibt das Gesetz gegen Homosexualität für die Menschen in Katar auch nach der WM, wenn die Welt nicht mehr zuschaut, bestehen.“ Und es ist unklar, welche Erkenntnisse die Führung in Katar über einige ihrer Bürger*innen daraus zieht.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hingegen kündigte an, „vor Ort die Sicherheit von queeren Fans während des Turniers [zu] thematisieren.“ Sie wolle dafür zusammen mit der Menschenrechtsbeauftragten Luise Amtsberg (Grüne) sowie dem Eventmanager Bernd Reisig (Initiative "Liebe kennt keine Pause – gegen Homophobie in Katar") Ende Oktober nach Katar reisen. Bereits zuvor hatte Faeser gefordert, „bei künftigen internationalen Sportevents […]  bereits die Vergabe ‚an menschenrechtliche Standards‘" zu knüpfen, lehnte einen Boykott der WM jedoch ab.

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Am 8. November finden in den USA die sogenannten Midterm Elections statt. Im Gegensatz zu den Präsidentschaftswahlen am 3. November 2020, bei denen die Demokrat*innen unter Joe Biden gewannen, wird nun der Kongress gewählt. Der Kongress besteht aus Senat und Repräsentantenhaus und bildet das gesetzgebende Organ der USA.

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Im Repräsentantenhaus halten die Demokrat*innen gegenüber den Republikaner*innen momentan die Mehrheit mit 222 zu 213 Sitzen. Im Senat hat hingegen jede Partei 50 Mandate. Allerdings werden dieses Jahr ebenfalls 36 der 50 Gouverneur*innen der Bundesstaaten neu gewählt, von diesen 36 sind 20 in der Hand der Republikaner*innen.

Anzumerken ist, dass die USA ein föderales System sind, sodass nicht nur die Wahl des Kongresses, sondern gerade Gouvernements-Wahlen einen Unterschied für die zukünftige Regierung machen können.

„The majority of states still have trigger bans on marriage equality, most of which are at the state legislative level […]”,

so Albert Fujii, Pressesprecher des Victory Fund in einem Interview mit dem Magazin thrillist.de. In den vergangenen Jahren gab es dabei mehr als 290 Gesetzesvorlagen gegen die LSBTIQ* Comunity, von denen 25 auch verabschiedet wurden. Für die LSBTIQ* Bevölkerung sind diese Wahlen daher in keiner Weise unbedeutend.

Viele der Gesetze, so das Magazin weiter, zielen auf den schulischen Kontext, wie das Verbot der Teilnahme von trans Schüler*innen am Mädchen-/Frauensport. Einige von ihnen schränken gar das Sprechen über LSBTIQ* Themen im Klassenzimmer ein, so zum Beispiel im Bundesstaat Florida in den Klassenstufen null (Kindergarten) bis drei.

Für die Bürger*innen kommt es dabei nicht unbedingt darauf an, die richtige Partei zu wählen, sondern die richtige Kandidat*in. Glücklicherweise gibt es eine Reihe (mind. 101) der Kandidat*innen, die selbst LSBTIQ* sind, wie Fujii betont. Die Seite them.us stellt hier einige von ihnen vor. Auf der Seite der NGO „Human Rights Campaign“ finden Wähler*innen zudem umfangreiche Informationen über das bisherige Abstimmungsverhalten der jeweiligen Mandatsträger*innen, wenn es um LSBTIQ* Themen ging.

Nach wie vor sind die USA ein Land, das international gerade im Westen eine große Symbolkraft hat. Die Richtung, in die die Entwicklung für LSBTIQ* Interessen nach den Wahlen weist, könnte damit eine Signalwirkung über das Land hinaus bedeuten. Es lohnt sich also, die Wahlen auch aus hiesiger Sicht zu beobachten.

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Am Donnerstag, 6. Oktober, legte der „Holyrood-Ausschuss“ für Gleichberechtigung, Menschenrechte und Ziviljustiz mit einer Mehrheit von fünf zu zwei Stimmen eine Empfehlung gegenüber dem schottischen Parlament vor. Darin befürwortet der Ausschuss die kurze Selbsterklärung zur eigenen Geschlechtsidentität, die nur noch gegenüber einer Behördenvertreterin*einem Behördenvertreter abgegeben werden müsse.

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Bei dem Ausschuss handelt es sich um ein beratendes Gremium aus Vertreter*innen des schottischen Parlaments, dessen Aufgabe es ist, das Parlament in den entsprechenden Fragen der Gleichberechtigung und Menschenrechte zu beraten. Bei seiner Bewertung stützte sich der Ausschuss auf geltende Vorschriften gegen Diskriminierung und für Menschenrechte Großbritanniens. Allerdings äußerte er gleichzeitig Bedenken gegenüber der Regierung in Westminster.

Wie „The Herald“ berichtete, sei es möglich, dass die neuen schottischen Bescheinigungen im restlichen Vereinigten Königreich nicht anerkannt würden. Dass diese Bedenken nicht unbegründet sind, machte bereits ein Bericht von „The Guardian“ vom September 2020 deutlich. Damals zeigte sich die heutige Prime-Ministerin und damalige Ministerin für Gleichstellung Liz Truss entsprechend ablehnend gegenüber einer Gesetzesänderung, die letztendlich auch scheiterte.

Das schottische Parlament griff jetzt die Empfehlung seines Ausschusses hingegen direkt auf und legte nach Angaben von „The Herald“ und der BBC bereits einen Tag nach dem Bericht einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor. In diesem ist nicht nur die vereinfachte Änderung von Dokumenten enthalten, sondern auch eine Herabstufung des Alters für die Antragstellung von 18 auf 16 Jahre.

In Großbritannien herrscht eine scharfe Debatte über die Selbstbestimmung. Während Befürworter*innen der Reform die jetzigen Gesetze als entwürdigend und diskriminierend bezeichnen, betont die Gegenseite vor allem die Gefahren, die durch eine vereinfachte Änderung der Dokumente entstehen. Die Befürchtungen beziehen sich dabei zum einen darauf, dass „Männer sich in Schutzräume von Frauen hinein definieren könnten“, wie das Magazin Emma wiedergibt, und zum anderen, dass bei einer chirurgischen Geschlechtsangleichung gerade junge Menschen nicht ausreichend beraten würden. Mangelnde ärztliche Beratung ist allerdings bereits unter der jetzigen Gesetzeslage ein konkretes Thema, wie der Fall „Tavistock-Klinik“ verdeutlicht.

Die Entscheidungsträger*innen stehen also vor der nicht geringen Aufgabe, jeweils die Würde und den Schutz der einen Gruppe (LGBTQ*) und der anderen Gruppe(n) in Einklang zu bringen. Wobei es sich nicht um ein klassisches Dilemma handelt, denn der Schutz der einen Gruppe schließt den Schutz der anderen nicht aus. Während der vereinfachte Zugang zu Dokumenten im direkten Handlungsfeld des Gesetzgebers liegt, ist der institutionelle Schutz von Menschen und hier speziell von Frauen und jungen Menschen zunächst Aufgabe der jeweiligen Institutionen selbst (z. B. Krankenhaus, Strafvollzug). Missstände und Gefahren, die sich dabei eröffnen, stellen an den Gesetzgeber jedoch die Verantwortung, diese Institutionen zu stärken und nach Bedarf zu kontrollieren. Diese Verantwortung besteht allerdings unabhängig davon, ob die Selbstbestimmung des Genders vereinfacht wird oder nicht.

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