Echte Vielfalt

Lebensbereiche

Mittwoch, 12. Oktober 2022: Vor einer Schwulenbar in der slowakischen Hautstadt Bratislava erschoss ein 19-Jähriger einen Besucher und einen Kellner sowie verletzte eine weitere Angestellte. Nach Angaben der taz, mit Bezug auf Polizei und Staatsanwaltschaft, sei die Tat geplant gewesen, die Opfer jedoch zufällig gewählt. Noch am selben Abend soll der Täter ein Video über die sozialen Netzwerke verbreitet haben, in dem er sagte, er habe „keine Reue“. Anschließend tötete er sich selbst.

Weiterlesen

Im Licht dieses Ereignisses verabschiedete das Europäische Parlament am 20. Oktober eine Resolution, in der es die Tat als rechtsextremen Terrorakt bezeichnete und zutiefst verurteilte. Gleichzeitig zeigte es sich „besorgt über die Straflosigkeit, mit der LGBTIQ+-feindliche Gruppen und insbesondere rechtsextremistische Gruppen in einigen Mitgliedstaaten agieren“. Im aktuellen Fall hatte sich der Schütze sowohl an der White-Supremacy-als auch an der Incel-Ideologie orientiert. Das Parlament bestätigt damit, dass die Tat kein Einzelfall war, sondern ihren Ursprung in den ideologischen bis hin zu rechten LGBTIQ+-feindlichen Strukturen hat.

Wie die Magazine Schwulissimo und Queer berichten, sei die Resolution mit 447 zu 78 Stimmen und 45 Enthaltungen verabschiedet worden. Dabei kamen die Neinstimmen vor allem von Vertreter*innen aus Ungarn, Polen und Italien.

Dass es sich hierbei auch um ein strukturelles Problem handelt, macht ein Blick zurück in den März 2021 deutlich: Damals stellte das Europäische Parlament fest, dass es einen deutlichen Rückschritt bei den Rechten von LGBTIQ+ Personen gebe, der vor allem in Ungarn und Polen zu beobachten sei. In diese Situation von Hetze und Desinformation seinen auch Amtsträger*innen und Behörden involviert, heißt es. Auch in der Slowakei ist die Gesetzgebung weit hinter einem effektiven Schutz und Gleichbehandlung von LGBTIQ+ Personen zurück, daran ändert nichts, dass sich die Präsidentin und der Ministerpräsident solidarisch mit den Opfern zeigten.

Dabei verstoßen die Länder in ihrer Ignoranz bis hin zur aktiven Beschneidung von Rechten nicht „nur“ gegen ethische Prinzipien oder die „Allgemeine Menschenrechtserklärung“. Stattdessen missachten alle Länder, die sich LGBTIQ+ feindlich verhalten, eindeutig europäisches Recht.

In ihrer letzten Resolution verweisen die Parlamentarier*innen zuallererst auf die eigenen Grundrechte der EU, um sofort im Anschluss Bezug auf Art. 2 EUV zu nehmen, den Vertrag über die Europäische Union. Hierin stellt die EU klar, dass ihre Gründungswerte die „Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören“, und allen Mitgliedstaten gemein sind. Bereits in der Vergangenheit hatte die EU sowohl Ungarn als auch Polen mit Sanktionen belegt, weil diese gegen die Grundwerte verstoßen hatten.

Das Parlament ist sich der strukturellen Ursachen sehr bewusst. Ob die Sanktionen allerdings wirklich zu einer Verbesserung für die LGBTIQ+ Community in den einzelnen Mitgliedstaaten führen, bleibt abzuwarten. Die Mühlen mahlen langsam und bis dahin und darüber hinaus braucht es immer wieder die Stimmen der Zivilgesellschaft.

Schließen


Die Fußball-WM in Katar ist mittlerweile kaum noch als unumstritten zu bezeichnen. Die unwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter*innen und die geradezu lebensgefährdende Gesetzgebung, vor allem auch für die LSBTIQ* Community, sind keine Vermutungen.

Weiterlesen

In einem früheren Artikel haben wir bei echte-vielfalt.de über die Situation und was sie für LSBTIQ* Besucher*innen sowohl aus dem Ausland als auch aus Katar bedeuten kann, berichtet. Nun spitzt sich die Lage zu. Nach einer Zusammenfassung des Magazins Schwulissimo sollen Filmaufnahmen in Privaträumen, Universitäten, Krankenhäusern sowie bei Unternehmen verboten werden. Gerade die erste Einschränkung erschwert es, hinter die Kulissen zu schauen. Damit betrifft diese Medienzensur zwar alle, allerdings bedeutet sie gerade für gefährdete Personen „Unsichtbarkeit“ in Sinne des Wortes.

Der Tagesspiegel merkt an, dass übertragende Medien wie ARD und ZDF oder auch die Telekom Magenta TV immer wieder versichert hatten, auch über die vorherrschenden Zustände berichten zu wollen. Dies wird ihnen nun zumindest massiv erschwert.

Aber damit nicht genug: Wie der Stern mit Verweis auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus Norwegen "NRK" berichtet, ist jede*r Besucher*in dazu verpflichtet eine App herunterzuladen, die weitreichende Zugriffe auf die privaten Daten erhält. Die App sei von einem „Trojaner“ kaum zu unterscheiden, so der Stern. Der NRK fasst zusammen:

„They can simply change the contents of your entire phone and have full control over the information that is there.”

Aus diesem Grund empfiehlt der norwegische Rundfunk, ein leeres bzw. neues Handy mitzunehmen, wenn man das Land besuchen möchte. Eine App, die einen fast uneingeschränkten Zugang hat, kann nicht nur auf vorhandene Daten zugreifen, sondern prinzipiell auch Gespräche. Wie schon in unserem vorherigen Bericht gilt hier: „Während die WM-Tourist*innen nach den Spielen das Land verlassen, bleibt das Gesetz gegen Homosexualität für die Menschen in Katar auch nach der WM, wenn die Welt nicht mehr zuschaut, bestehen.“ Und es ist unklar, welche Erkenntnisse die Führung in Katar über einige ihrer Bürger*innen daraus zieht.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hingegen kündigte an, „vor Ort die Sicherheit von queeren Fans während des Turniers [zu] thematisieren.“ Sie wolle dafür zusammen mit der Menschenrechtsbeauftragten Luise Amtsberg (Grüne) sowie dem Eventmanager Bernd Reisig (Initiative "Liebe kennt keine Pause – gegen Homophobie in Katar") Ende Oktober nach Katar reisen. Bereits zuvor hatte Faeser gefordert, „bei künftigen internationalen Sportevents […]  bereits die Vergabe ‚an menschenrechtliche Standards‘" zu knüpfen, lehnte einen Boykott der WM jedoch ab.

Schließen


Am 8. November finden in den USA die sogenannten Midterm Elections statt. Im Gegensatz zu den Präsidentschaftswahlen am 3. November 2020, bei denen die Demokrat*innen unter Joe Biden gewannen, wird nun der Kongress gewählt. Der Kongress besteht aus Senat und Repräsentantenhaus und bildet das gesetzgebende Organ der USA.

Weiterlesen

Im Repräsentantenhaus halten die Demokrat*innen gegenüber den Republikaner*innen momentan die Mehrheit mit 222 zu 213 Sitzen. Im Senat hat hingegen jede Partei 50 Mandate. Allerdings werden dieses Jahr ebenfalls 36 der 50 Gouverneur*innen der Bundesstaaten neu gewählt, von diesen 36 sind 20 in der Hand der Republikaner*innen.

Anzumerken ist, dass die USA ein föderales System sind, sodass nicht nur die Wahl des Kongresses, sondern gerade Gouvernements-Wahlen einen Unterschied für die zukünftige Regierung machen können.

„The majority of states still have trigger bans on marriage equality, most of which are at the state legislative level […]”,

so Albert Fujii, Pressesprecher des Victory Fund in einem Interview mit dem Magazin thrillist.de. In den vergangenen Jahren gab es dabei mehr als 290 Gesetzesvorlagen gegen die LSBTIQ* Comunity, von denen 25 auch verabschiedet wurden. Für die LSBTIQ* Bevölkerung sind diese Wahlen daher in keiner Weise unbedeutend.

Viele der Gesetze, so das Magazin weiter, zielen auf den schulischen Kontext, wie das Verbot der Teilnahme von trans Schüler*innen am Mädchen-/Frauensport. Einige von ihnen schränken gar das Sprechen über LSBTIQ* Themen im Klassenzimmer ein, so zum Beispiel im Bundesstaat Florida in den Klassenstufen null (Kindergarten) bis drei.

Für die Bürger*innen kommt es dabei nicht unbedingt darauf an, die richtige Partei zu wählen, sondern die richtige Kandidat*in. Glücklicherweise gibt es eine Reihe (mind. 101) der Kandidat*innen, die selbst LSBTIQ* sind, wie Fujii betont. Die Seite them.us stellt hier einige von ihnen vor. Auf der Seite der NGO „Human Rights Campaign“ finden Wähler*innen zudem umfangreiche Informationen über das bisherige Abstimmungsverhalten der jeweiligen Mandatsträger*innen, wenn es um LSBTIQ* Themen ging.

Nach wie vor sind die USA ein Land, das international gerade im Westen eine große Symbolkraft hat. Die Richtung, in die die Entwicklung für LSBTIQ* Interessen nach den Wahlen weist, könnte damit eine Signalwirkung über das Land hinaus bedeuten. Es lohnt sich also, die Wahlen auch aus hiesiger Sicht zu beobachten.

Schließen


Am Donnerstag, 6. Oktober, legte der „Holyrood-Ausschuss“ für Gleichberechtigung, Menschenrechte und Ziviljustiz mit einer Mehrheit von fünf zu zwei Stimmen eine Empfehlung gegenüber dem schottischen Parlament vor. Darin befürwortet der Ausschuss die kurze Selbsterklärung zur eigenen Geschlechtsidentität, die nur noch gegenüber einer Behördenvertreterin*einem Behördenvertreter abgegeben werden müsse.

Weiterlesen

Bei dem Ausschuss handelt es sich um ein beratendes Gremium aus Vertreter*innen des schottischen Parlaments, dessen Aufgabe es ist, das Parlament in den entsprechenden Fragen der Gleichberechtigung und Menschenrechte zu beraten. Bei seiner Bewertung stützte sich der Ausschuss auf geltende Vorschriften gegen Diskriminierung und für Menschenrechte Großbritanniens. Allerdings äußerte er gleichzeitig Bedenken gegenüber der Regierung in Westminster.

Wie „The Herald“ berichtete, sei es möglich, dass die neuen schottischen Bescheinigungen im restlichen Vereinigten Königreich nicht anerkannt würden. Dass diese Bedenken nicht unbegründet sind, machte bereits ein Bericht von „The Guardian“ vom September 2020 deutlich. Damals zeigte sich die heutige Prime-Ministerin und damalige Ministerin für Gleichstellung Liz Truss entsprechend ablehnend gegenüber einer Gesetzesänderung, die letztendlich auch scheiterte.

Das schottische Parlament griff jetzt die Empfehlung seines Ausschusses hingegen direkt auf und legte nach Angaben von „The Herald“ und der BBC bereits einen Tag nach dem Bericht einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor. In diesem ist nicht nur die vereinfachte Änderung von Dokumenten enthalten, sondern auch eine Herabstufung des Alters für die Antragstellung von 18 auf 16 Jahre.

In Großbritannien herrscht eine scharfe Debatte über die Selbstbestimmung. Während Befürworter*innen der Reform die jetzigen Gesetze als entwürdigend und diskriminierend bezeichnen, betont die Gegenseite vor allem die Gefahren, die durch eine vereinfachte Änderung der Dokumente entstehen. Die Befürchtungen beziehen sich dabei zum einen darauf, dass „Männer sich in Schutzräume von Frauen hinein definieren könnten“, wie das Magazin Emma wiedergibt, und zum anderen, dass bei einer chirurgischen Geschlechtsangleichung gerade junge Menschen nicht ausreichend beraten würden. Mangelnde ärztliche Beratung ist allerdings bereits unter der jetzigen Gesetzeslage ein konkretes Thema, wie der Fall „Tavistock-Klinik“ verdeutlicht.

Die Entscheidungsträger*innen stehen also vor der nicht geringen Aufgabe, jeweils die Würde und den Schutz der einen Gruppe (LGBTQ*) und der anderen Gruppe(n) in Einklang zu bringen. Wobei es sich nicht um ein klassisches Dilemma handelt, denn der Schutz der einen Gruppe schließt den Schutz der anderen nicht aus. Während der vereinfachte Zugang zu Dokumenten im direkten Handlungsfeld des Gesetzgebers liegt, ist der institutionelle Schutz von Menschen und hier speziell von Frauen und jungen Menschen zunächst Aufgabe der jeweiligen Institutionen selbst (z. B. Krankenhaus, Strafvollzug). Missstände und Gefahren, die sich dabei eröffnen, stellen an den Gesetzgeber jedoch die Verantwortung, diese Institutionen zu stärken und nach Bedarf zu kontrollieren. Diese Verantwortung besteht allerdings unabhängig davon, ob die Selbstbestimmung des Genders vereinfacht wird oder nicht.

Schließen


Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verliert an Zuspruch innerhalb der türkischen Bevölkerung. Nicht zuletzt ein Grund, weshalb seine aktuellen Äußerungen um so verbissener in Richtung eines ultrakonservativen Familienbildes drängen.

Weiterlesen

Erdogan kündigt am Freitag, 7. Oktober, an, Schritte gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle und trans Menschen vornehmen zu wollen. Berichten des Magazins Spiegel unter Berufung auf die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu zufolge sei es sein Ziel, die „traditionelle“ Familie zu stärken, die den Kern eine starke Nation bilde. Die LGBTQ* Community strebe hingegen danach, diese „Familienstrukturen zu degenerieren“, so Erdogan sinngemäß.

Gleichzeitig steckt in diesen Äußerungen eine Spitze gegen den Oppositionspolitiker Kemal Kilicdaroglu von der kemalistisch-sozialdemokratischen CHP. Dieser hatte nach Angaben von queer.de in einer kürzlichen Wahlumfrage „mit 53 zu 47 Prozent gegen den langjährigen Machthaber“ vorne gelegen. Die Regierung plane ein Gesetz „gegen Desinformation“, das noch zur Abstimmung durch das Parlament muss. Die Opposition befürchtet hingegen, dass sich dahinter eine Verschärfung der Zensur verberge. Noch kommt es in der Türkei nicht überall zu Zensur und Gewalt gegen LGBTQ*, wie ein Podcast des Deutschlandfunks vom Oktober 2021 erwähnt:

„Ein kleines Fußballfeld in Istanbul. […] Am Rand stehen etwa dreißig Zuschauende, bejubeln die Spielerinnen und Spieler in ihren rosafarbenen Trikots. […] Wir sind alle supereuphorisch, wenn wir hierherkommen. In der Türkei erleben wir ansonsten sehr viel Unterdrückung. […]“.

Doch auch dieser Ort wurde am Ende von Polizist*innen geräumt und das Spiel verboten. Der Podcast berichtet von Wasserwerfern und gesperrten Onlineplattformen, von Gewalt und Unterdrückung. Zwar gelten Homosexualität und Transgender nicht als Straftat, aber das ändert nichts an der staatlichen Haltung. Und doch gibt es Lichtblicke. Das Viertel Çihangir in Istanbul, das als gentrifizierter Stadtteil gilt:

„Vor zwei Wochen trug ich einen Rock. Und der war super kurz geschnitten. Auf der Straße begegnete ich zwei Polizisten, sie schauten mich an und ich sagte: Hiiiii – das wars. Wir haben weder darüber gesprochen, noch haben sie mir etwas angetan“, sagt Buğra Büyükşimşek, einer der Demonstranten, die im letzten Jahr gegen das Verbot einer Pride-Parade auf die Straße gegangen waren, gegenüber dem Deutschlandfunk.
Mit den Äußerungen von Erdogan im Ohr scheint die Wahl im Jahr 2023 eine Weichenstellung zu bedeuten, bei der es darum geht, ob Orte wie Çihangir weiter möglich sind oder selbst diese immer mehr unter Druck geraten.

Schließen


Die US-amerikanische und offen lesbisch lebende Biochemikerin und Professorin an der Harvard Universität in Cambridge (USA) erhält zusammen mit Morten Meldal aus Dänemark und K. Barry Sharpless (USA) den diesjährigen Nobelpreis für Chemie. Die drei werden für die Entwicklung der sogenannten Klick-Chemie sowie Grundlagen in der bioorthogonalen Chemie ausgezeichnet.

Weiterlesen

Bertozzi befasst sich in ihrer Forschung mit der Funktion von Glykanen an Zelloberflächen. Glykanen sind Zuckerreste, die eine wichtige Rolle beim Stoffwechsel von Zellen spielen. Diese Reaktionen werden jetzt weltweit verwendet, um Zellen zu erforschen und biologische Prozesse zu verfolgen. Dabei war es z. B. möglich, die zielgenaue Wirkung von Krebspharmazeutika zu verbessern (mehr dazu hier).

Mit Bertozzi erhält erstmals eine offen lesbisch lebende Frau einen Nobelpreis, wie das Magazin L-Mag schreibt. Ihr Coming-out hatte sie in den späten 1980ern, wie Bertozzi in einem Interview mit „Chemikal & Engineering News“ (cen) im April dieses Jahres verriet:

„I came out at a time when people were really mobilizing to try and exact political change, but also at a time when coming out could keep you from getting a job.”

Doch auch wenn sie die Gesamtsituation heute etwas besser bewertet, sieht sie gerade in der (internationalen) Wissenschaft noch viel Veränderungspotenzial, wenn es um die Rechte und Möglichkeiten der LSBTIQ* geht:

“At least now, we have civil and legal rights that give us some sort of equality in the eyes of the law, but casual homophobia still exists. I’ve been relatively privileged and shielded from it, but step outside of the United States, step outside of Canada, there are places where you’re still punished for being gay, even sometimes by death. We should never lose sight of the fact that science is international. “

Auch wenn die Leistung einer Nobelpreisträgerin*eines Nobelpreisträgers grundsätzlich unabhängig von einer Quote zu bewerten ist, wurde und wird die (Natur-)Wissenschaft des vergangenen Jahrhunderts und darüber hinaus stark männlich dominiert. Zudem besitzt der Nobelpreis auch einen politischen Aspekt. Dieser Nobelpreis hat also eine Signalwirkung in die wissenschaftliche Gemeinschaft, auch oder gerade wegen der privilegierten Position. Was daraus folgt, bleibt zunächst offen.

Schließen


Zum Ende des Jahres 2022 sollte das diskriminierende Transsexuellengesetz abgeschafft und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden, so der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann. Dieser Zeitplan ist nun nicht mehr einzuhalten.

Weiterlesen

Nach einem Artikel von queer.de ließe Lehmann es an dem nötigen „Wumms“ bei der Umsetzung vermissen, äußerte sich Kathrin Vogler, die queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Dass das aktuelle Gesetz nicht bloß einer bürokratischen Anpassung bedarf, sondern regelrecht gegen Recht verstößt, machte Bundesjustizminister Marco Buschmann deutlich. Das Transsexuellengesetz stammt noch aus dem Jahr 1980: „Das geltende Recht behandelt die betreffenden Personen wie Kranke. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.“, so Buschmann nach einem Bericht der Tagesschau. Bereits im August hatte echte‑vielfalt.de auf Buschmann verwiesen, der den rechtswidrigen Kern klar benannte, in dem er die Ungleichbehandlungen von Freiheit und Würde durch dieses Gesetz betonte.

Bis jetzt sieht das Gesetz vor, dass Personen, die ihr Geschlecht verändern wollen, zwei psychiatrische Gutachten vorlegen. Nicht nur dauert dieses Verfahren monatelang, bis schließlich ein Gericht über den Ausgang entscheidet. Die Gutachten kosten zudem rund 2.000 Euro, welche die Betreffenden selbst zahlen müssen. So findet eine ökonomische Selektion statt oder zumindest eine unverhältnismäßige Mehrbelastung. Das aktuelle Gesetz enthält damit gleich eine doppelte Diskriminierung. Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) bemerkt darüber hinaus, der Begriff „Transsexualität“ sei irreführend und falsch. Es gehe nicht um Sexualität, sondern um Geschlecht.

Das neue „Selbstbestimmungsgesetz“ würde in seinem Entwurf diesen drei Punkten entsprechen. Neben dem passenderen Namen verzichtet das Gesetz auf Gutachten und ärztliche Atteste und damit gleichzeitig auf den hohen Kostenfaktor. Stattdessen soll zukünftig das Geschlecht durch einen einfachen Sprechakt beim Standesamt geändert werden können.

Zunächst geht das Ganze allerdings durch eine Ressortabstimmung. Anschließend muss die Bundesregierung den Gesetzentwurf beschließen und beim Deutschen Bundestag einbringen. Erst danach beginnt die Beratung innerhalb der Fachausschüsse und im Plenum des Bundestages. Dass all das bis Ende des Jahres in Kraft tritt, ist zum jetzigen Zeitpunkt schon nicht mehr möglich. Das Gesetz verschiebt sich damit mindestens bis in das Jahr 2023.

Schließen


Nach einer Beschwerde der staatlich Kommunikationsaufsichtsbehörde Roskomnadsor, wurde die Videoplattform TikTok zu einer Geldstrafe von drei Millionen Rubel (etwa 51.000 Euro) verurteilt.

Weiterlesen

Der Plattform wird vorgeworfen, „LSBTIQ* Propaganda“ verbreitet zu haben. Wie die Tagesschau berichtet, habe sich TikTok geweigert, die entsprechenden Inhalte zu löschen. TikTok wie auch anderen Medien wird vorgeworfen, „nicht-traditionelle Werte, LGBTQ, Feminismus und eine verzerrte Darstellung der traditionellen sexuellen Werte [zu] fördern“. Bereits im April hatte ein russisches Gericht Geldstrafen gegen TikTok und den Facebook-Mutterkonzern Meta verhängt. Auch damals lautete der Vorwurf „LSBTIQ* Propaganda“.

Seit 2013 ist in Russland das „Werben“ für homosexuelle Beziehungen vor Kindern verboten. Eine Ausweitung auch auf Erwachsene ist in Überlegung. Seit dem verschärften Ausbruch des Russland-Ukrainekrieges im Februar dieses Jahres hat Russland seinen Druck auf soziale Netzwerke und Plattformen wie TikTok noch einmal erhöht.

Schließen


Seit dem 1. Oktober 2022 gilt eine neue Dienstanweisung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Asylverfahren von queeren Personen. Bis es jedoch dazu kam, war im Vorfeld viel Protest nötig. Die Anweisung sieht vor, dass erstens, „keine Verhaltensprognosen mehr durchgeführt werden“: Grundsätzlich sei stattdessen davon auszugehen, dass jeder Mensch, der einen Asylantrag stellt, seine*ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität auch offen lebt.

Weiterlesen

Zweitens stellt „die Dienstanweisung […] ausdrücklich klar, dass LSBTIQ* Schutzsuchende in keinem Fall auf ein diskretes Leben im Herkunftsland verwiesen werden dürfen“. Besonders bedeutsam ist dabei die Anmerkung, dass dies auch gilt, wenn eine Person bereits von sich aus deutlich gemacht hat, dass sie ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität verbirgt. Das BAMF verdeutlichte, dass die Mitarbeiter*innen zur Umsetzung dieser Dienstanweisung in Zusammenarbeit mit NGOs entsprechend geschult würden und dass bei „geschlechtsspezifischer Verfolgung besonders geschulte Entscheiderinnen und Entscheider beteiligt [würden]“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte: „Niemand dürfe sich gezwungen fühlen, ein gefährliches Doppelleben zu führen“.

Noch im Juni hatten sie und ihr Ministerium massive Kritik einstecken müssen. Bis dato mussten Geflüchtete dem BAMF gegenüber glaubhaft machen, dass sie zum einen die von ihnen angegebene sexuelle Orientierung tatsächlich haben und zum anderen, dass ihnen aufgrund dieser in ihrem Herkunftsland Verfolgung drohe. Doch selbst wenn dies vom Ministerium als glaubhaft eingeschätzt würde, bedeutete das „Diskretionsgebot“ eine mögliche Abschiebung. Die betroffenen Personen wurden darauf verwiesen, dass ihnen bei einer „diskreten“ Lebensweise keine solche Gefahr drohe, so der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD).

Neben NGOs wie dem LSVD positionierten sich nach einem Bericht von queer.de auch die LSBTIQ*‑Verbände von SPD, Grünen und FDP offen gegen ihre eigene Regierung und forderten ein Ende dieses Missstandes. Zudem erklärte bereits im August das vierte Verwaltungsgericht die „Diskretionsprognose“ und die darauf beruhenden Handlungen des BAMF für unzulässig.

Die Dienstanweisung ist damit nicht nur ein positiver Schritt, sondern eine selbstverständliche Anpassung von unzulässiger Praxis. Auf NGOs und Sozialverbände kommt damit die Aufgabe zu, entsprechende Schulungsangebote zu gestalten sowie die Umsetzung der Anweisung durch das Ministerium und seine Verantwortlichen kritisch zu beobachten.

Schließen


Die Fußball WM in Katar stand von Beginn an in der Kritik, Menschenrechte zu verletzen. Zum einen waren da die menschenunwürdigen und teilweise lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen für die Gastarbeiter*innen. Zum anderen fiel Katar bereits vor dem Beginn des WM-Ausbaus als Land mit menschenverachtenden Praktiken und Gesetzen auf, die nicht zuletzt auch die LSBTIQ* Community betrafen.

Weiterlesen

So ist Homosexualität in Katar gesetzlich verboten, wie die Tagesschau berichtet. Daran hat sich genauso wenig etwas geändert wie an dem Umstand, dass die Kritik an den Arbeitszuständen und die Frage nach einer Entschädigung bis jetzt nicht über den Status einer „Prüfung“ hinausgekommen ist, so Human Rights Watch. Diese „Umstände“ sind bereits lange bekannt und die Lethargie, mit der ihnen seitens der FIFA begegnet wird, ist bedenklich.

Unterstrichen wird das Ganze von der Aussage des FIFA-Präsidenten Gianni auf der offiziellen Seite der FIFA. Er sei glücklich, dass die FIFA sich stark gegen die Verletzung von Menschenrechten, Rassismus und Diskriminierung stellen würde und wie beachtlich und anhaltend die Fortschritte diesbezüglich schon sein. Das Magazin queer.de schreibt dazu: „Wie bitte? …‘beachtliche Fortschritte‘ in Katar“ und schwulissimo titelt: „Homosexuelle werden künftig ganz nachhaltig inhaftiert“. Selbst das Symbolprojekt der FIFA, die bunte Kapitänsbinde, schafft es nicht über die ausweichende Haltung hinwegzutäuschen. Im Gegenteil: Laut FIFA soll sie ein allgemeines Zeichen gegen Diskriminierung darstellen. Dabei enthält sie jedoch explizit keine Regenbogenfarben.

„Es wirkt schon schwach, dass es nicht mal die richtigen Regenbogenfarben der LGBTQ-Fahne geworden sind", so Dario Minden, zweiter Vorsitzender des deutschen Fan-Bündnisses ‚Unsere Kurve‘, nach Angaben der Tagesschau. Wie schwach das wirkt, verdeutlicht die Mahnung des Deutschlanddirektors von Human Rights Watch in einem Interview mit der Sportschau:

„Er glaube zwar nicht, dass viel passieren werde, weil die ganze Welt zuschauen werde, … und dass westliche homosexuelle Fans, sofern sie sich an die Sitten der Katarer hielten, dort Fußball schauen können. ‚Aber eine Garantie gibt es nicht.‘“

Auch der Emir Aamim bin Hamad Al Thaniim äußerte im Mai dieses Jahres in Berlin zwar, dass „alle Gesellschaftsschichten“ empfangen würden und bezog sich dabei auch auf Homosexuelle, gleichzeitig betonte er jedoch die Erwartung, dass „ihre Kultur“ respektiert würde.

Während die WM-Tourist*innen nach den Spielen das Land verlassen, bleibt das Gesetz gegen Homosexualität für die Menschen in Katar auch nach der WM, wenn die Welt nicht mehr zuschaut, bestehen. Wo die FIFA als Gesamtverband versagt, ein deutliches Statement zu setzen, wird es im November daher umso mehr auf die Einzelverbände wie den DFB und weitere ankommen. An den Gesetzen vor Ort werden sie damit vermutlich jedoch so schnell nichts ändern.

Schließen