Echte Vielfalt

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Im Juni diesen Jahres wurde ein sogenanntes „Kinderschutz“-Gesetz von der Fidesz-Partei des ungarischen Regierungschefs Orbán verabschiedet, welches das Verbot gewisser Inhalte, die bei Minderjährigen für Homosexualität und Geschlechtstransitionen „werben“ würden, generell ermöglicht. Nun hat die nationalistische Partei beschlossen, dass die Ungar*innen in einem Referendum die Möglichkeit haben werden, darüber abzustimmen, möglicherweise am Tag der nationalen Wahlen im nächsten Jahr.

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Das Gesetz verbietet LGBTQI*-Inhalte, inklusive Bildungsmaterial, für unter-18-jährige, und besagt, dass Minderjährigen keinerlei Inhalte gezeigt werden dürfen, die queer sein „unterstützen“. Dies gilt auch für alle öffentlichen Medienanstalten, die den Großteil der verfügbaren Medien in Ungarn ausmachen. Letztes Jahr wurde außerdem die Anpassung des legalen Geschlechtseintrags an die Geschlechtsidentität verboten, und die Verfassung wurde um den Satz „Die Mutter ist eine Frau, der Vater ist ein Mann“ ergänzt. Folglich sind gleichgeschlechtliche Paare auch von Adoption ausgeschlossen. Das von Orbán unterstützte Referendum ist also nur der jüngste Schritt, der nach Ansicht von Kritiker*innen Menschenrechte unterdrückt.

Die die regierende Fidesz-Partei beschloss also nun vier Fragen zum Sexualkundeunterricht an Schulen und zur Verfügbarkeit von Informationen über die sexuelle Orientierung von Kindern. Auf dem Stimmzettel werde auch die Frage stehen, ob die Wähler*innen die uneingeschränkte Präsentation von Medieninhalten unterstützen, die „die Entwicklung von Minderjährigen beeinflussen“. Die Opposition enthielt sich bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf. Mit Blick auf die im nächsten Jahr anstehenden Wahlen, die voraussichtlich im April stattfinden werden, scheint Orbán zu versuchen, eine Politik zu fördern, die „christliche Werte“ gegen den „westlichen Liberalismus“ schützt, indem er Genderfragen und das, was er wiederholt als „LGBT-Propaganda“ bezeichnet, zusammen mit Migration in den Mittelpunkt seiner Wiederwahlkampagne stellte. Diese Politik hat Orbán zum Teil in Konflikt mit der Europäischen Union gebracht, welche, wegen Maßnahmen, die die queere Community diskriminieren würde, im Juli in Rekordzeit rechtliche Schritte gegen Ungarn und Polen einleitete.

Und auch Aktivist*innen protestierten gegen das queerfeindliche Gesetz: So war der 26. CSD im Juli in Budapest mit zehntausenden Menschen der wahrscheinlich größte in seiner Geschichte, was auch zu der jüngsten Umfrage zur Einstellung zu queeren Themen in der Bevölkerung passt. Eine Ipsos-Umfrage vom letzten Mai ergab, dass 46 Prozent der ungarischen Befragten die gleichgeschlechtliche Ehe unterstützen, 62 Prozent seien der Meinung, dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder genauso gut erziehen können wie heterosexuelle Eltern. Spannend wird, was die ungarischen Wähler*innen dazu bei dem Referendum sagen werden.

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Einen Tag nach einer emotionalen Debatte zum Thema wird das polnische Parlament am morgigen Freitag über ein Gesetz abstimmen, das Pride-Paraden und andere öffentliche Gesten zur Unterstützung von LGBTQI*-Rechten verbieten würde. Die neue Änderung des Versammlungsrechts sieht vor, dass öffentliche Versammlungen künftig nicht mehr „die Ehe als Beziehung zwischen einer Frau und einem Mann in Frage stellen“ oder „die Ausdehnung der Ehe auf Personen des gleichen Geschlechts propagieren“ dürften.

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Demonstrationen wie Pride-Paraden würden demnach verboten, weil sie „eine andere als die heterosexuelle Orientierung“ fördern würden. Wie die Deutsche Welle berichtete begann Krzysztof Kasprzak, einer der rechtskonservativen Aktivist*innen, die den Gesetzentwurf eingebracht haben, seine Rede damit, dass er die LGBT-Rechtsbewegung als eine Form des Totalitarismus bezeichnete und sie mit dem Nazismus verglich. Er beschuldigte die Bewegung, „die natürliche Ordnung umstürzen und Terror einführen“ zu wollen. Diese Rede bezeichnete Wlodzimierz Czarzasty, der stellvertretende Parlamentssprecher der Linken in Polen, wiederum als „widerwärtig“. Ihm schlossen sich eine Reihe von Abgeordneten der Opposition aus der Linken, der Mitte und sogar der konservativen Fraktion an, die den Gesetzesvorschlag als unmenschlich, homofeindlich oder als Verstoß gegen das in der Verfassung des Landes garantierte Versammlungsrecht bezeichneten. Demnach bleibt es unklar, ob der Vorschlag die nötige Rückendeckung hat, um voranzukommen.

Hunderte von Menschen gingen bereits in der polnischen Hauptstadt auf die Straße, um gegen den Gesetzentwurf zu protestieren. Mehr als 300 Menschen versammelten sich vor dem Parlament in Warschau, schwenkten Regenbogenfahnen und hielten Transparente mit der Aufschrift: „Liebe kennt kein Geschlecht“. Nils Muiznieks von Amnesty International forderte die polnischen Gesetzgeber auf, „anzuerkennen, dass Liebe Liebe ist, und diesen hasserfüllten Vorschlag, der durch und durch diskriminierend ist, zurückzuweisen“. Er fügte hinzu: „Diese Initiative geht zwar nicht von der polnischen Regierung aus, aber wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass die Normalisierung hasserfüllter Rhetorik durch die Regierung ein Umfeld geschaffen hat, in dem sich Menschen ermächtigt fühlen, Bigotterie zu verbreiten“.

Der Gesetzentwurf würde das Recht der Pol*innen auf Versammlungsfreiheit ändern und das Land zweifellos in einen neuen Konflikt mit der EU bringen, die bereits über die Unabhängigkeit der Justiz im Land sowie über ein aktuelles Urteil des polnischen Verfassungsgerichts besorgt ist, in dem erklärt wurde, dass polnisches Recht über dem EU-Recht stehe. Zudem hatten sich vor zwei Jahren mehr als 100 Gemeinden und Regionen in Polen zu „LGBT-ideologiefreien Zonen“ erklärt. In jüngster Zeit haben jedoch einige Orte diesen Status wieder aufgehoben, da Kommission rechtliche Schritte gegen Polen ergriffen hatte. Um EU-Mittel zu beschaffen hatten einige polnische Regionen die „LGBT-freie Zonen“ so sehr schnell wieder aufgehoben. Nun gilt es also zu hoffen, dass die EU auch im Falle einer Bestätigung diesen Gesetzes wieder gegen die darin enthaltenen menschenverachtenden Inhalte vorgehen und queere Rechte so stärken können wird.

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In Deutschland sieht das derzeitige sogenannte „Transsexuellengesetz“ vor, dass trans Personen vor Gericht gehen müssen, um ihr rechtliches Geschlecht ändern zu lassen, erlaubt ein Veto des*der Ehepartners*in, und bestimmt, dass trans Personen drei Jahre warten müssen, bevor sie erneut einen Antrag auf die Änderung ihres rechtlichen Geschlechtes stellen können. Außerdem müssen sie von medizinischen Sachverständigen begutachtet werden und mindestens drei Jahre lang als offen transidente Person gelebt haben.

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So sind trans Personen in Deutschland noch immer gezwungen, sich einer langen und teuren „Begutachtung“ auszusetzen, um ihr legales Geschlecht zu verändern. Dieser Prozess sei, so die trans Aktivistin Felicia Rolletschke, „degradierend, teuer, und unlogisch“.

Dem neuen Ampel-Koalitionsvertrag zufolge würde eine Reform bedeuten, dass trans Personen in Deutschland ihr eigenes Geschlecht mit weniger dieser Hürden bestimmen könnten. So wolle die Koalition erreichen, dass die gesetzliche Krankenversicherung die medizinische Versorgung im Zusammenhang mit einer geschlechtsangleichenden Transition in vollem Umfang übernimmt. Demzufolge müsste es dann beispielsweise nicht mehr zu Verfahren wie vor einigen Wochen kommen, bei der eine trans Frau vor Gericht klagen und ihren Hals entblößen musste, um eine operative Reduktion ihres Adamsapfels von der Kasse übernommen zu kommen.

Es werde zudem ein Entschädigungsfonds für trans und inter Personen eingerichtet, die durch frühere Gesetze geschädigt wurden, zum Beispiel durch Zwangssterilisationen oder unnötige Operationen. Bis 2011 waren trans Menschen in Deutschland gezwungen, sich einer Zwangssterilisation zu unterziehen, um eine rechtliche Geschlechtsanerkennung zu erhalten. Und Anfang diesen Jahres wurde in Deutschland zwar ein gesetzliches Verbot sogenannter „normalisierender“ Operationen an intersexuellen Kindern und Jugendlichen erlassen, doch bei vielen wirke das Trauma der unnötigen Eingriffe noch immer nach. So veröffentlichte der Deutsche Ethikrat im Jahr 2012 einen Bericht, in dem festgestellt wurde, dass „viele Menschen, die in ihrer Kindheit einer 'normalisierenden' Operation unterzogen wurden, diese später als Verstümmelung empfunden haben und ihr als Erwachsene niemals zugestimmt hätten“. Mit einem solchen Entschädigungsfonds wäre Deutschland das zweite Land der Welt, das trans Personen für Zwangssterilisationen entschädigt, nachdem Schweden 2018 das erste war.

Nun fragen sich wohl gegenwärtig viele trans und inter Personen wann mit dem versprochenen Gesetz gerechnet werden könne. Darüber sprach Freddy Mo Wenner, eine Person die drei Jahre im Bundestag gearbeitet hat und sich mit trans Themen gut auskennt, in einem Interview mit queer.de. Auf die Frage, wann das Gesetz denn komme, sagte Wenner: „Der Referent*innenentwurf kann theoretisch in ein bis drei Monaten erarbeitet sein. Mit der Anhörung der Verbände und der Runde durch den Bundesrat sind wir bei insgesamt vier bis sechs Monaten – wenn alles gut und glatt läuft. Was aber immer sein kann, ist, dass im Kabinett Uneinigkeit herrscht, zum Beispiel, weil ein anderes Ressort einhakt. Dann wird es dort erst weiter politisch diskutiert, bevor es weitergeschoben wird.“

Trotz fortschrittlicher Projekte für die Rechte von queeren Menschen im Koalitionsvertrag und diesem „Meilenstein“, wie Julia Monro, von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (DGTI), dies bezeichnet, gilt es also hoffen, dass sich die Ampel nicht nur an die Versprechen ihres Koalitionsvertrages hält, sondern diese auch möglichst schnell erfüllt.

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Die Ampelkoalition hat ihr Reformprogramm vorgestellt. Darin hat das Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FDP auch versprochen, eine Reihe von Reformen zur Verbesserung der Rechte von LGBTQI* in Deutschland einzuführen. Und tatsächlich sieht es so aus, als sei die neue Bundesregierung queerer als die letzte – sowohl in ihrer Besetzung als auch in ihren Zielen.

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Daniel Wesener, ein schwuler Grüner wird Berliner Finanzsenator und der schwule Aktivist und QueerGrün-Chef Pascal Haggenmüller ist zum Parteivorsitzenden der Grünen in Baden-Württemberg gewählt worden. Die Koalition fordert, den Schutz queerer Menschen im Grundgesetz zu verankern. Auf Initiative von Berlin und Hamburg empfiehlt die Innenministerkonferenz ein härteres Vorgehen gegen queerfeindliche Gewalt. So sollen in einem unabhängigen Sachverständigengremium Vertreter*innen der Wissenschaft und Sicherheitsbehörden gemeinsam mit Fachverständigen aus der queeren Community konkrete Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung queerfeindlicher Gewalt und für die Sensibilisierung der Sicherheitsbehörden erarbeiten. Außerdem plant die Koalition, das Verfahren zu ändern, mit dem trans Personen in Deutschland rechtlich anerkannt werden, und die geschlechtliche Selbstidentifizierung einzuführen. Zu den weiteren Reformvorschlägen gehören die Verschärfung des Verbots von sogenannten „Konversionstherapien“ in Deutschland, die bundesweite Erfassung von Hassverbrechen gegen LGBTQI*, die Abschaffung von Beschränkungen bei der Blutspende für Männer, die mit Männern schlafen, die Überprüfung von Asylverfahren für queere Asylsuchende und das automatische Elternrecht für die Ehefrauen lesbischer Mütter, die das leibliche Kind ihrer Partnerin derzeit noch adoptieren müssen, um offiziell als zweite Mutter zu gelten.

Julia Monro, von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (DGTI), sagte dem Tagesspiegel: „Noch nie gab es in einem Koalitionsvertrag so fortschrittliche Projekte für die Rechte von queeren Menschen. Das ist ein Meilenstein und die queere Community jubelt.“ Nun gilt es abzuwarten und zu hoffen, dass sich die Ampel an die Versprechen ihres Koalitionsvertrages hält.

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Laut einer neuen US-amerikanischen Studie dominieren rechtsgerichtete Seiten die Konversationen auf Facebook, wenn es um trans Themen geht. Damit setze sich ein jahrelanger Trend fort, bei dem Rechte von Transfeindlichkeit geprägte Erzählungen über die trans Community auf der Plattform vorantreiben.

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Wie das queere Magazin them berichtet, untersuchte eine Studie, die letzte Woche von der Medienbeobachtungsorganisation "Media Matters for America" veröffentlicht wurde, eine breite Palette von Facebook-Beiträgen zu trans Themen aus dem vergangenen Jahr. Sie fand, dass alle bis auf einen der 40 Top-Posts zu trans Themen in diesem Zeitraum von rechtsgerichteten Facebook-Seiten gestammt hätten. Wenn man alle Beiträge mit mehr als 50.000 Interaktionen betrachte, seien rechtsgerichtete Seiten für 77 % dieser Beiträge verantwortlich gewesen.

Ein Teil des Grundes, warum rechtsgerichtete Seiten mehr Engagement für trans-bezogene Inhalte erhalten, könne laut der Autor*innen darin liegen, dass diese viel häufiger trans-bezogene Inhalte posten würden als nicht-rechtsgerichtete Seiten - laut der Studie sogar mehr als doppelt so oft wie linksgerichtete Seiten. Media Matters deutete zudem darauf hin, dass die algorithmische Voreingenommenheit Facebooks auch eine Rolle bei der Menge des Engagements spielt, das rechte Inhalte erhalten.

Dies ist nicht das erste Mal, dass Media Matters die algorithmische Voreingenommenheit von Facebook gegenüber trans Personen untersucht hat. "Die jüngste Flut von Nachrichten über Facebook hat gezeigt, dass das Unternehmen Engagement und Profite über alles andere stellt und dass seine Plattformen für Kinder gefährlich sind", sagte Brennan Suen, Media Matters LGBTQ Programm-Direktor und Autor der Studie, in einer Pressemitteilung und fügte hinzu, dass die Plattform besonders „giftig für trans Kinder“ sei.

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Der Schauspieler Eddie Redmayne hat gesagt, dass es "ein Fehler" war, in dem Film "The Danish Girl" von 2015 eine trans Figur zu spielen. Der Film wurde damals von einigen gelobt, andere aber waren der Meinung, dass die Rolle mit einer trans Schauspielerin hätte besetzt werden sollen.

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Der britische Star wurde für seine Rolle als Lile Elbe, einer der ersten Menschen auf der Welt, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen, für einen Oscar nominiert. Wie die BBC berichtet hatte Redmayne schon damals zugegeben, dass es "jahrelang einen cisgender Erfolg von auf dem Rücken von trans Geschichten" gegeben habe, und sagte, er hoffe, dass in Zukunft mehr trans Schauspieler*innen trans Rollen spielen könnten. Nun sagte er: "Das würde ich jetzt nicht mehr machen. Ich habe den Film mit den besten Absichten gemacht, aber ich denke, es war ein Fehler". Es müsse eine Nivellierung geben, sonst würden diese Debatten weiterhin geführt werden müssen.

Als Reaktion auf seine jüngsten Äußerungen erklärte eine Kommunikationsperson der trans Wohltätigkeitsorganisation Gendered Intelligence, dass die Darstellung von trans Menschen auf der Leinwand seit der Veröffentlichung von The Danish Girl "sprunghaft angestiegen" sei und dass "ein Konsens darüber besteht, dass trans Schauspieler für trans Rollen eine Selbstverständlichkeit sein sollten".

Dies trage nicht nur dazu bei, die Möglichkeit zu verringern, dass trans Geschichten auf unnötig verunglimpfende Weise erzählt werden, sondern die Authentizität von trans Schauspieler*innen, die trans Rollen spielen, bedeutet, dass die Geschichten auf eine bedeutungsvollere Weise für Schauspieler*innen und Zuschauer*innen erzählt werden.  "Wir sind zunehmend zuversichtlich, dass Geschichten über und für trans Personen von diesen Schauspielern selbst erzählt werden können, mit diverseren Talenten sowohl auf der Leinwand als auch hinter der Kamera."

Lesen Sie hier mehr zum Thema von queeren Menschen in Film und Fernsehen und ob es Deutschland nach #actout gelingt, vielfältige und inklusive Unterhaltung zu bieten.

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Nachdem ihre Krankenkasse die Kostenübernahme für eine Operation zur Reduktion eines deutlich sichtbaren Adamsapfels abgelehnt hatte, zog eine trans Frau vor das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz und bekam Recht. Die Krankenkasse hatte argumentiert, dass die beantragte OP als Schönheitsoperation zu bewerten sei, weil das Gesamterscheinungsbild der Klägerin bereits "deutlich erkennbar weiblich" sei.

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Demzufolge sei eine Kehlkopfreduktion nicht erforderlich gewesen, um eine weitere Annäherung an das "weibliche Erscheinungsbild" zu erreichen, sondern es handle sich dabei lediglich um eine Schönheitsfrage. Dafür müsse die Krankenkasse nicht aufkommen.

Doch der Kehlkopf der Klägerin sorgte regelmäßig für Irritationen, weil sie deshalb von anderen Menschen dem männlichen Geschlecht zugeschrieben wurde. Wie sie queer.de anonym erzählte, habe sie das schwer belastet und sogar depressive Phasen ausgelöst, weil ihr so immer wieder vor Augen geführt worden sei, dass sie von der Gesellschaft nicht als Frau wahrgenommen wurde. Als sie also Widerspruch gegen die Ablehnung der Kostenübernahme einlegte, sei sie zur Begutachtung einbestellt worden. Dort habe sich der Gutachter geweigert, sie als Frau anzusprechen, und ihr gesagt, dass sie eine Psychotherapie machen solle, wenn sie Probleme mit ihrem Kehlkopf habe.

Gegen diese Zurückweisung des Widerspruchs reichte die Frau schließlich Klage ein. Dies führte schließlich zu einem Berufungsverfahren am Landessozialgericht in Mainz, bei dem sie gebeten wurde, aufzustehen und ihren Schal abzulegen, so dass sich alle im Saal einen persönlichen Eindruck von ihrem Hals verschaffen konnten. Anschließend zog sich der Senat zur Beratung zurück und verkündete danach, dass er der Ansicht sei, dass der Adamsapfel der trans Frau deutlich einem "männlichen Erscheinungsbild" entspreche. Der Vertretung der Krankenkasse wurde deswegen die Möglichkeit gegeben, ihre Argumentation zu überdenken, diese blieb jedoch bei ihrer Position. So fällte das Gericht schließlich sein Urteil und gab der Klägerin Recht.

Die Inaugenscheinnahme ihres Halses durch den gesamten Gerichtssaal ging der Klägerin jedoch sichtlich sehr nahe. Der Vorsitzende Richter entschuldigte sich zwar für die Begutachtungsprozedur mit den Worten "Ich kann mir vorstellen, dass sich das entwürdigend anfühlen muss", langfristig kann es jedoch wohl keine Lösung sein, dass trans Personen sich in unterschiedlichen Stadien ihrer Transitionsphase bei jeder beantragten medizinischen Maßnahme einem oft entwürdigenden Begutachtungsprozess unterwerfen müssen.

Dazu erklärte Rechtsanwältin Katrin Niedenthal, die Prozessvertreterin der Klägerin in der zweiten Instanz, gegenüber queer.de: "Gerade wenn als Anspruchsvoraussetzung das äußere Erscheinungsbild einer Person bewertet werden soll oder – wie hier – eine Annäherung an ein 'weibliches' oder 'männliches' Erscheinungsbild, stellt sich die Frage, wie das objektiv überhaupt funktionieren soll". Petra Weitzel, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti), erklärte deswegen: "Geschlechtsangleichende Maßnahmen dürfen nicht der Willkür subjektiver Bewertungen unterliegen, die ihnen als vermeintlich objektiv vermittelt werden, sondern müssen einheitlich im Gesetz festgeschrieben sein."

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Das thailändische Verfassungsgericht hat einen Antrag auf Gleichstellung der Ehe abgelehnt. Das Urteil hat Aktivist*innen empört, doch nun hat das Gericht gefordert, dass der Gesetzgeber Maßnahmen ergreifen sollte, um gleiche Rechte zu garantieren.

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Wie das Magazin Advocate berichtet, entschied das Gericht am Mittwoch, dass Absatz 1448 des thailändischen Zivil- und Handelsgesetzes, der die Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau definiert, nicht gegen die thailändische Verfassung verstößt. Das Urteil, das mehrmals verschoben worden war, erfolgte aufgrund einer Klage der "Foundation for Sexual Orientation and Gender Identity Rights and Justice" (Stiftung für die Rechte der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität). Diese klagte im Namen eines lesbischen Paares, das die Anerkennung ihrer Ehe durch die Zivilbehörden in Bangkok beantragt hatte und abgewiesen worden war.

Nun schrieb das Gericht jedoch, dass der thailändische Gesetzgeber „Gesetze ausarbeiten sollte, die die Rechte von Menschen mit unterschiedlicher Geschlechtsidentität garantieren“. Das thailändische Parlament hat in den letzten Jahren über ein Gesetz über zivile Lebensgemeinschaften debattiert, das von der LGBTQ*-Gemeinschaft abgelehnt wurde, da zivile Lebensgemeinschaften nicht die gleichen Rechte wie eine Ehe haben. Auch über die aktuelle Entscheidung sind LGBTQ*-Aktivisten empört. Es mache die „Versprechen der Regierung, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern, bedeutungslos“, schrieb Sunai Phasuk, eine leitende Forscherin von Human Rights Watch auf Twitter.

„Liebe diskriminiert nicht. Wenn man Menschen das Recht verweigert zu heiraten, nur weil sie das gleiche Geschlecht haben, bedeutet das für uns, dass man ihnen eines ihrer grundlegendsten Rechte verweigert“, schrieb der thailändische Twitter-Nutzer Jaoyinggx. „Die Welt verändert sich, und es ist an der Zeit, dass wir vorwärts gehen und diesen Wandel annehmen.“ Die LGBTQ*-Rechtsgruppe Free Gender Thailand und andere Organisationen planen deswegen für den 28. November einen Protest.

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Der Direktor des französischen Online-Wörterbuchs „Petit Robert“ sagte, dass das Nachschlagewerk eine Zunahme des Gebrauchs des genderinklusiven Pronomen „iel“ festgestellt habe, und das Wort deswegen aufnahm. Dabei handelt es sich um eine Wortschöpfung aus den französischen Wörtern für „er“ und „sie“ („il“ und „elle“). Der Bildungsminister verurteilte die Verwendung von "iel" und sagte, dass die inklusive Schreibweise nicht die Zukunft der französischen Sprache sei.

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Wie der Guardian berichtet hat das Wörterbuch nun die offizielle Anerkennung des genderinklusiven Pronomens verteidigt, nachdem sich Konservative auf den jüngsten Vorstoß des vermeintlichen US-amerikanischen „Wokeism“ gestürzt hatten. Denn während die alltägliche Verwendung von „iel“ - einer Wortschöpfung aus den französischen Wörtern für „er“ und „sie“ („il“ und „elle“) - vorerst weitgehend anekdotisch bleibt, halten Kritiker*innen es für einen sprachlichen Affront, der verboten werden solle. So prangerte der Bildungsminister Jean-Michel Blanquer den Schritt an und unterstützte die Forderung des Gesetzgebers François Jolivet, die Sprachwächter der Académie Française einzubeziehen. „Inklusive Schrift ist nicht die Zukunft der französischen Sprache“, twitterte Blanquer. „Unsere Schüler, die ihre Grundkenntnisse festigen, können nicht das als Referenz haben“, fügte er hinzu.

Die Kontroverse ist das jüngste Beispiel für den vorherrschenden Widerstand gegen ein inklusiveres Verständnis von Geschlecht, welcher sich in Deutschland beispielsweise in dem von der AfD konstruierten „Gender-Wahn“ oder "Gender-Gaga" wiederfinden lässt. Kritiker*innen in Frankreich bezeichnen inklusive Genderpronomen als amerikanische Importe, die darauf abzielen würden, Menschen mit unterschiedlichen Identitäten gegeneinander auszuspielen und die französischen Ideale von Einheit und Gleichheit zu untergraben. „Diese Art von Initiative besudelt unsere Sprache und endet damit, dass sie ihre Nutzer spaltet, anstatt sie zusammenzubringen“, schrieb Jolivet, der Gesetzgeber Emmanuel Macrons Zentrumspartei, der das Verbot durch die Académie beantragt hatte.

„Das Robert hatte keinen plötzlichen schweren Fall von ‚Wokeism‘ - ein Wort, das wir bald definieren werden“, sagte Charles Bimbenet. „Es erschien uns sinnvoll, die Bedeutung des Wortes für diejenigen zu präzisieren, die ihm begegnen, unabhängig davon, ob sie es verwenden oder ablehnen wollen. Die Definition von Wörtern, die in der Welt verwendet werden, hilft uns, sie besser zu verstehen“.

Lesen Sie hier einen Artikel über die Bedeutung inklusiver Sprache und warum Misgendering weh tut.

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Nachdem eine unfruchtbare lesbische Frau vor das Bundessozialgericht gezogen ist, weil ihre Krankenkasse die Übernahme der Kosten für ihre Kinderwunschbehandlung verweigerte, hat das Bundessozialgericht geurteilt: Die Versicherung müsse nur aufkommen, wenn ausschließlich Ei- und Samenzellen des Ehegatten verwendet werden, nicht aber bei der Verwendung von Spendersamen, urteilte der Erste Senat am Mittwoch. Demnach haben Gleichgeschlechtliche Ehepaare keine Chance auf Anspruch auf die Erstattung von Behandlungskosten.

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Wie queer.de berichtete hatte im konkreten Fall eine lesbische und unfruchtbare Klägerin die Kostenerstattung einer Kinderwunschbehandlung verlangt, wurde jedoch von der Hanseatischen Krankenkasse in Hamburg zurückgewiesen. Diese Entscheidung bekräftigte das Bayerische Landessozialgericht mit dem Argument, dass Voraussetzung für die Kostenerstattung sei, dass für die Behandlung Ei- und Samenzellen des Ehepartners verwendet werden. Die Notwendigkeit bei einer gleichgeschlechtlichen Ehe Spendersamen eines Dritten zu verwenden sei dabei von der gesetzlichen Regelung nicht umfasst – auch nicht bei heterosexuellen unfruchtbaren Ehepaaren.

Gerechtfertigt wird diese Unterscheidung mit Kindeswohl, da ein Kind bei künstlicher Befruchtung durch eine Person, die mit der dann Schwangeren verheiratet ist, automatisch zwei zum Unterhalt verpflichtet Elternteile habe. Es sollten davon also nur Paare profitieren, die grundsätzlich zusammen Kinder bekommen können, denen dies aber durch eine "krankheitsähnliche Komponente" nicht gelingt, wodurch auch die Zuständigkeit der Krankenkassen überhaupt erst gerechtfertigt sei.

Daraus folge aber nicht die Pflicht, die „zeugungsbiologischen Grenzen“ einer unfruchtbaren Ehe – ob hetero- oder homosexuell – „mit Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung auszugleichen", begründeten die Kasseler Richter*innen ihre Entscheidung.

Nun hat die Arbeitsgemeinschaft der SPD für Akzeptanz und Gleichstellung (SPDqueer) am Donnerstag angesichts der BSG-Entscheidung eine Gesetzesnachbesserung für lesbische Frauen mit Kinderwunsch gefordert. Anfang Oktober hatte der Bundesvorstand der SPDqueer einen Antrag für den Bundesparteitag der SPD eingereicht, dessen Ziel eine bundeseinheitliche, gesetzliche Regelung hinsichtlich der Kostenübernahme für eine Kinderwunschbehandlung ist, die gleichermaßen für hetero- als auch gleichgeschlechtliche Paare gilt.

Seit diesem Jahr fördern die Länder Rheinland-Pfalz und Berlin lesbische Paare mit Kinderwunsch bereits. Doch Co-Vorsitzende der SPDqueer Carola Ebhardt kritisierte, dass die Unterstützung beim Kinderwunsch nicht davon abhängen dürfe, in welchem Bundesland ein Paar lebt: „Daher braucht es eine bundeseinheitliche Regelung.“

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