Weiterlesen Auf die Familienrechtsreform-Pläne von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), welche unter anderem die Rechte queerer Paare stärken würde, hat die Union ablehnend bis skeptisch reagiert. Vor allem die Idee der neuen Verantwortungsgemeinschaft, einer rechtlich anerkannten Lebensgemeinschaft jenseits der Ehe, berge „verfassungsrechtliche Risiken“, so Krings. „Wenn hier eine 'Ehe light' erfunden werden soll, riskiert man nicht nur einen handfesten Konflikt mit Artikel 6 des Grundgesetzes, der die Ehe besonders schützt, sondern muss vor allem ein hochkomplexes neues Regelungssystem schaffen“, warnte er. Mit Verweisen auf das Grundgesetz (sowie auf das „Kindeswohl“) hatte Krings bereits erfolgslos versucht eingetragene Partnerschaften, das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare und die Ehe für alle zu bekämpfen. Mutmaßlich bezog sich SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese auf Positionen und Argumenten dieser Art, als er bei der Deutsches Presse Agentur kritisierte, „bei wie vielen gesellschaftspolitischen Themen die Union in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten konsequent auf der Bremse stand“. Nun gäbe es jedoch die Chance, ein fortschrittliches Familienrecht zu schaffen, das die vielfältigen Lebensrealitäten im 21. Jahrhundert anerkenne – auch die queeren. Es handele sich daher bei der Reform um ein Vorhaben von einer „historischen Dimension“, so Wiese.
Queer
Ampel-Koalition verkündet familienrechtliche Reform
24. Januar 2022Weiterlesen Ein wichtiger Bestandteil dieser Reformen sei die geplante „Verantwortungsgemeinschaft“. Dieses neue Rechtskonstrukt werde viel Flexibilität bei der individuellen Ausgestaltung bieten, wobei ein mehrstufiges Modell, das zu verschiedenen Lebenssituationen passt, unterschiedliche Intensitäten der Verantwortungsübernahme füreinander ermögliche, so der Minister. Es sei also ein Modell für Menschen, „mit einem über eine reine Geschäftsbeziehung hinausgehenden tatsächlichen und persönlichen Näheverhältnis“, wie etwa Senior*innen-Wohngemeinschaften oder Alleinerziehende, die von Menschen außerhalb der eigenen Familie dauerhaft Unterstützung bei der Kinderbetreuung erhielten. Vorgesehen ist bei der geplanten Reform jedoch auch mehr Unterstützung für ungewollt kinderlose Paare, um unter anderem die Diskriminierung lesbischer Mütter zu beenden. So sollen zwei miteinander verheiratete Frauen in Bezug auf Kinder rechtlich künftig genauso behandelt werden, wie wenn ein Mann und eine Frau miteinander verheiratet sind. Das heißt auch, dass das von einer der beiden Frauen geborene Kind von Anfang an die Ehefrau als zweiten Elternteil haben soll. Bisher kann die Partnerin der Mutter nur über eine Stiefkindadoption rechtlicher Elternteil des Kindes werden, wie es im Falle der Klage „Paula hat zwei Mamas“ angeprangert wurde (echte-vielfalt berichtete). Als das Oberlandesgericht Celle dazu entschied, dass bestehende Abstammungsrecht verfassungswidrig sei, war zu vermuten, dass dies wohlmöglich eine Gesetzesänderung und eine Reform des Abstammungsrechts zur Folge haben würde. Diese soll es nun also geben, und auch für unverheiratete hetero Paare soll es neue Möglichkeiten geben, Vereinbarungen über die Elternschaft zu treffen. Dabei gelte bei dem gesamten Reformvorhaben grundsätzlich: „Das Kindeswohl muss immer im Vordergrund stehen“, so Buschmann.
Rapperin Haiyti sagt sie will mit dem Gebrauch von „schwul“ als Schimpfwort „provozieren“
21. Januar 2022Weiterlesen Auf den Vorschlag Mälzers „dann sag doch ‚scheiße‘“ anstatt schwul, entgegnete Haiyti, dass sie „politische Menschen“ provozieren wolle, aber auch: „Ich weiß auch nicht, warum ich es sage. Ich find‘s provokanter, weil sich alle drüber aufregen: 'Scheiße, sie sagt schwul.'“ Daraufhin erklärte ihr Mälzer, dass er in der Vergangenheit auch homofeindliche Sprache verwendet habe, er aber gelernt habe dass es ihm, weil er nicht schwul ist und daher überhaupt nicht von Homofeindlichkeit betroffen, nicht obliege, „solche Sachen zu sagen“ – und dann dafür nicht beurteilt werden zu wollen. Weiter versuchte er die in der Beleidigung enthaltene Macht-Dynamik zu erklären, indem er fragte: „Darf ich Schlampe sagen? Nein, ich glaube nicht“. Er schildert Haiyti zudem, dass er selbst von Schwulen gehört hätte, dass sie sich durch die Texte der Rapperin beleidigt fühlten. Dazu sagte diese lachend: „Das tut mir aber leid. Und ich kann's ja auch nicht wissen, dass manche Schwule so sensibel sind“. Sie spreche schließlich Schwule nicht damit an, sondern mache Kunst. Zudem entgegnete sie, dass sie selbst sich schon beleidigt fühle, wenn sie als Sängerin, statt als Rapperin bezeichnet wird – ein weiteres Indiz für die Tatsache, dass Haiyti nicht zu verstehen scheint, dass es ein Machtgefälle zwischen queeren und nicht-queeren Menschen gibt, das sich unter anderem in der Sprache abbildet und reproduziert. Zu diesem mangelnden Verständnis sagte Rap-Kollegin Nura „weil du dumm bist!“, während sich auch die Sängerin Katja Krasavice empört über die Äußerungen zeigte. Haiyti sollte eigentlich auf einem Track Krasavices neuen Albums auftauchen, doch sie erklärte nun auf Instagram: „Wenn das der Wahrheit entspricht, fliegt die Person[, die etwas homofeindliches gesagt hat,] natürlich von meinem Album. Sowas hat in meiner Welt nichts verloren!“. Haiyti selbst äußerte sich bislang nur kurz zu der Kontroverse auf Twitter: „‘ich werd mich bessern an die Kritiker!‘“ Wie queer.de berichtete, kritisieren LGBTI-Aktivist*innen in Deutschland und anderen Ländern seit Jahren, dass Worte wie „schwul“ als Schimpfworte verwendet werden. Dadurch könne eine aggressive homofeindliche Atmosphäre geschaffen werden, die es gerade jungen Schwulen, Lesben und Queers erschwere, sich überhaupt zu outen. Laut Umfragen ist insbesondere in Schulen die homofeindliche Wortwahl weit verbreitet. Eine Berliner Umfrage aus dem Jahr 2012 kam etwa zum Ergebnis, dass fast zwei Drittel der Grundschüler*innen „schwul“ oder „Schwuchtel“ als Schimpfwort verwenden – selbst wenn sich dieses Ergebnis mittlerweile halbiert haben sollte, wären dies immer noch zu viele Kinder, die schwul sein als etwas negatives verstehen. Und durch gerade von Jugendlichen bewunderte Rapperinnen wie Haiyti können solche negativen Stereotype entweder gestärkt oder geschwächt werden. Dies liegt nun in der Hand der Künstlerin.
Weiterlesen So bezeichnete der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) die Ernennung Lehmanns als „ein weiteres wichtiges Signal für den von der Regierungskoalition versprochenen queerpolitischen Aufbruch“. Lehmann müsse „die treibende Kraft in der Regierung werden, um die im Koalitionsvertrag versprochenen queerpolitischen Projekte umzusetzen“, sagte Henny Engels vom LSVD-Vorstand der Deutschen Welle. Lob für Lehmann kam auch von Ampel-Kolleg*innen wie dem Forschungsstaatssekretär Jens Brandenburg, der FDP-Sprecher für Queerpolitik in der vergangenen Legislaturperiode war: „Eine gute Wahl, viel Erfolg im neuen Amt!“, erklärte er. Zudem gratulierten ihm auf Twitter SPDqueer und QueerGrün Berlin, wobei betont wurde, wie wichtig die Erschaffung des Amtes selbst sei. Die Regierung von Olaf Scholz zeige damit, wie wichtig ihr die LGBTIQ*-Rechte und die Akzeptanz und Vielfalt in unserer Gesellschaft sei. Doch gleichzeitig titulierte queer.de einen aktuellen Beitrag zu dem Thema: „Nach Berufung von Sven Lehmann - Queer-Beauftragter verursacht Schnappatmung bei AfD“. So kritisierte Co-Vizeparteichefin Beatrix von Storch, dass „die Absurdität grünen Gender-Wahns mit der Ernennung eines sogenannten Queer-Beauftragten einen neuen traurigen Höhepunkt“ erreiche. „Während die Bürger zu Zigtausenden auf die Straße gehen, um ihre Freiheit zu verteidigen, droht der neue super-queere Beauftragte Lehmann ganz unverhohlen mit einer neuen, 'progressiven' Familienpolitik.“. Den von Lehmann angekündigten Nationalen Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit werde ihre Partei daher „mit aller Entschiedenheit bekämpfen“. Auch die Scheinargumentation á la „Dieses Land hat offenbar keine anderen Probleme!“ war mehrfach zu lesen, ob in diesen Worten von dem ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Christian Natterer, oder sarkastisch aus der AfD: „Die #Ampelkoalition kümmert sich um die wahren Probleme im Land“, tweetete Vize-Fraktionschef Norbert Kleinwächter. Auch der in rechten Kreisen beliebte Blogger Boris Reitschuster machte sich über die Berufung lustig: „Endlich ist das passiert, worauf der fortschrittliche Teil der (deutschen) Menschheit sicher schon sehr lange gewartet hat“. Lehmanns Partei-Kollegin Ulle Schauws allerdings kritisiert ganz unironisch, dass Deutschland faktisch bei den LGBTQ+-Rechten immer noch hinter vielen Ländern hinterherhinke. Die neue Koalition habe deswegen die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass „Menschen mit queeren Biografien endlich ernst genommen werden und sich die Realitäten vielfältiger Familien in unseren Gesetzen widerspiegeln, damit sie frei von Diskriminierung leben können“.
Weiterlesen Zu seiner Ernennung erklärte Sven Lehmann, dass das neu geschaffene Amt des Queer-Beauftragten zeige, wie wichtig der Bundesregierung die Akzeptanz von Vielfalt sei: „Jeder Mensch soll frei, sicher und gleichberechtigt leben können.“ Die neue Bundesregierung werde ausgehend vom Leitgedanken der Selbstbestimmung eine progressive Queer-Politik betreiben und auch die Familienpolitik an der gesellschaftlichen Realität unterschiedlicher Familienformen ausrichten. Diese progressive Politik findet sich beispielsweise in den im Koalitionsvertrag vereinbarten Plänen, die mit der Einführung von „Verantwortungsgemeinschaften“ unter anderem unverheirateten Paaren, homosexuellen Eheleuten mit Kindern sowie Gemeinschaften, die nicht auf einer Liebesbeziehung fußen, neue rechtliche Möglichkeiten geben sollen. Weiter äußerte sich Lehmann, dass der Schutz von Menschen aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität im Grundgesetz sichergestellt werden müsse und die Grundrechte von trans, inter- und nicht binären Menschen endlich vollständig durchgesetzt werden müssten: „Wir brauchen zudem eine breit angelegte Strategie zur Bekämpfung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – darunter explizit der Queerfeindlichkeit. Dazu werde ich gemeinsam mit dem Bundesfamilienministerium einen nationalen Aktionsplan für die Akzeptanz und den Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt auf den Weg bringen. Deutschland soll zum Vorreiter beim Kampf gegen Diskriminierung werden.“ Als Queer-Beauftragter der Bundesregierung soll Lehmann mit den beteiligten Bundesministerien bei Vorhaben der Queerpolitik zusammenwirken. Er werde insbesondere die Erstellung und Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt koordinieren, und die damit verbundene Informierung der Öffentlichkeit. Lehmann hat seit 2018 bereits Erfahrungen als Sprecher für Queerpolitik und Sozialpolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sammeln können. Seit 2021 ist er Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Gutes, das 2021 für die queere Community passiert ist
7. Januar 2022Weiterlesen Stigmatisierung, Diskriminierung und homofeindliche Angriffe gehören für queere Menschen noch immer zum Alltag. In Ländern wie Polen und Ungarn wurden hart erkämpfte Fortschritte wieder rückgängig gemacht, wobei konservative Regierungen im Namen von Familienwerten Stimmung gegen LGBTQI schürten. In vielen Ländern sind queere Menschen unverhältnismäßig stark von den Folgen der COVID-19-Pandemie betroffen. Trotzdem haben Teile der Welt neue Hoffnung geschöpft, als in diesem Jahr Schritte zur Förderung queeren Rechte der unternommen haben. Hier ist ein Überblick von guten Dingen, die 2021 für queere Rechte passiert sind. Asien Nordamerika In den Vereinigten Staaten wurden in diesem Jahr Rechte im Zusammenhang mit der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität wiederhergestellt, die von der vorherigen Trump-Regierung zurückgenommen worden waren. US-Präsident Joe Biden... Europa Afrika Südamerika
Neuseeland verabschiedet Gesetz zur Erleichterung der Änderung des Geschlechts in Geburtsurkunden
31. Dezember 2021Weiterlesen Die erste umfassende nationale Umfrage zur Gesundheit und zum Wohlbefinden von trans und nicht-binären Menschen wurde 2018 durchgeführt. Sie ergab, dass fünf von sechs Teilnehmern, in ihrer neuseeländischen Geburtsurkunde nicht das richtige Geschlecht angegeben hatten – das heißt, dass das neue Gesetz 83% der trans und nicht-binären Bevölkerung in Neuseeland betreffen könnte. Während die Selbstidentifizierung auf Geburtsurkunden bereits im Jahr 2018 eingeführt worden war, mussten Antragsteller nachweisen, dass sie sich einer medizinischen Behandlung unterzogen hatten, um ihr biologisches Geschlecht an ihre Geschlechtsidentität anzugleichen. Mit dem Gesetzentwurf zur Registrierung von Geburten, Todesfällen, Eheschließungen und Beziehungen, der am Donnerstag einstimmig verabschiedet wurde, entfällt diese Anforderung. Wie die britische Zeitung The Guardian berichtet begrüßen Befürworter*innen den Gesetzentwurf, der eine Selbstidentifizierung ermöglicht und die Rechte von transsexuellen und nicht-binären Neuseeländern stärkt. „Heute ist ein stolzer Tag in der Geschichte von Aotearoa“ (Māori-Name für Neuseeland) sagte Innenministerin Jan Tinetti: „Das Parlament hat für Inklusion und gegen Diskriminierung gestimmt“. So werde die Gesetzesänderung für takatāpui [Name für Māori-LGBTQI*] und transsexuelle, nicht-binäre, und intersexuelle Neuseeländer einen echten Unterschied schaffen, sagte Tinetti. Sie fügte hinzu, dass das Gesetz werde junge Menschen unterstützen und ihnen die Kontrolle über ihre Identität geben, was ihre psychische Gesundheit und ihr Wohlbefinden fördern werde. Die Sprecherin der Grünen Partei für Regenbogengemeinschaften, Dr. Elizabeth Kerekere, kritisierte jedoch, dass die Änderungen Geflüchtete, Asylsuchende und Eingewanderte ausschließen. Neuseeländer*innen, die im Ausland geboren wurden, würden noch nicht die Möglichkeit haben, sich selbst zu identifizieren, da die Änderungen nur für neuseeländische Geburtsurkunden gelten. Außerdem hat das Gesetz hat Diskussionen und einige Anfeindungen ausgelöst, unter anderem von der transfeindlichen Gruppe Speak Up for Women, die 2018 gegründet wurde, um sich gegen Selbstbestimmung auszusprechen. In den 18 Monaten vor dem Inkrafttreten der Bestimmungen werden Einzelheiten ausgearbeitet, darunter die Konsultation darüber, wer Anträge für junge Menschen unterstützen darf, die Sicherstellung, dass die Geschlechtskennzeichnung in der Geburtsurkunde nicht-binäre und kulturelle Optionen umfasst, und die Festlegung der Anforderungen für Personen, die ihr Geschlecht mehr als einmal ändern wollen. Das Land reiht sich mit seinem Gesetz in eine Reihe von etwa 15 ausländischen Rechtsordnungen ein, die die Änderung des Geschlechts in Dokumenten vereinfacht haben, darunter mehrere lateinamerikanische Länder und europäische Länder wie Dänemark und Spanien. Auch der neue deutsche Koalitionsvertrag der Ampel sieht nach über zwanzig Jahren des diskriminierenden "Transsexuellengesetzes" vor die rechtliche geschlechtliche Selbstidentifizierung einzuführen.
Kanada stimmt für ein Verbot von „Konversionstherapien“
29. Dezember 2021Weiterlesen Die regierenden Liberalen unter Premierminister Justin Trudeau hatten wiederholt versucht, ein Gesetz zum Verbot sogenannter „Konversionstherapie“ zu verabschieden, die darauf abzielt, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität von Personen zu ändern, die nicht heterosexuell und cis-geschlechtlich sind. Die Praxis wird von Gesundheitsexperten weltweit als schädlich angesehen. Einem kürzlich erschienenen UN-Bericht zufolge würden Konversionspraktiken in mindestens 68 Ländern durchgeführt, obwohl Expert*innen sagen, dass es in allen Ländern irgendeine Form von Konversionspraktiken gäbe. Die Aversionstherapie, bei der eine Person einer „negativen, schmerzhaften oder anderweitig belastenden Empfindung“ - einschließlich Elektroschocks - ausgesetzt wird, um eine negative Assoziation mit ihrer „zu konvertierenden“ sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zu erzeugen, würde dabei noch in vielen Ländern angewandt. Nun scheint sich die Parteivorsitzende der Konservativen, Erin O'Toole, seit ihrem Amtsantritt zu einer ausgesprochenen Befürworterin von LGBTQI*-Rechten entwickelt zu haben. Doch durch die Abstimmung über das beschleunigte Verfahren konnten die konservativen Gesetzgeber*innen vermeiden ihre Stimme zu Protokoll geben zu müssen. Als dem nicht so war hatten 62 konservative Abgeordnete im Juni gegen den Antrag gestimmt. Das Gesetz wird nun dem Senat zur gesonderten Abstimmung vorgelegt, bevor es in Kraft tritt. Mit der Abstimmung ist Kanada einen Schritt näher dran, sich einer kleinen Zahl von Ländern - Brasilien, Ecuador, Malta und auch Deutschland - anzuschließen, die diese Praxis gänzlich verboten haben. Ein kürzlich im Vereinigten Königreich eingebrachter Gesetzentwurf sieht eine Einschränkung, nicht aber ein Verbot dieser Praxis vor. In Deutschland hingegen steht im neuen Ampelkoalitionsvertrag, dass das Verbot der „Therapien“ noch weiter verschärft werden solle.
EU-Kommission: LGBTQI* besser vor Hass und Hetze schützen
21. Dezember 2021Weiterlesen Dazu sollen nach dem Willen der europäischen Exekutive Hassverbrechen in die Liste der europäischen Straftatbestände aufgenommen werden. Dabei geht das Papier konkret auf die bereits bestehende Strategie der Kommission zur Gleichstellung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und transgeschlechtlichen Menschen ein, die vor einem Jahr vorgestellt worden war. Vor bereits über einem Jahr im September 2020 hatte die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont, dass LGBTQI*-feindliche Hetze mit europäischen Werten nicht vereinbar sei und die Strategie dagegen in ihrer Rede zur Lage der Union angekündigt. Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová, die für Werte und Transparenz zuständig ist, stimmte ihr zu: „Er widerspricht unseren Grundwerten und unseren Grundsätzen. Wir müssen auf Ebene der EU tätig werden, um sicherzustellen, dass Hass überall in Europa in gleicher Weise unter Strafe gestellt wird“ - Für Hass gäbe es in Europa keinen Platz, so Jourová. Auch der deutsche Europaabgeordnete Rasmus Andresen, Mitglied der LGBTI-Intergroup des Europäischen Parlaments, sagte es sei höchste Zeit, dass Hassreden und Hassverbrechen in den EU-Straftatenkatalog aufgenommen werden, insbesondere, auch Taten aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtsbezogener Merkmale. Queere Menschen seien verbaler Diskriminierung und Gewalt vielerorts ausgesetzt und daher „auf den Rückhalt aus Brüssel angewiesen“. Doch nun müssen die Nationalstaaten dem Plan noch zustimmen, wozu es Einstimmigkeit im Ministerrat, dem EU-Gremium der nationalen Regierungen, braucht. „Und einige Regierungen fördern eher die Diskriminierung von LGTBIQ-Personen als sie zu bekämpfen“, so Andresens Sorge. Gemeint sein könnten damit zum Beispiel Ungarn und Polen, die im letzten Jahr beide queerfeindliche Gesetze erließen, welche kürzlich von der Venedig-Kommission (das beratende Verfassungsorgan des Europarates) als gegen die Menschenrechte verstoßend bewertet wurden. Dies führe umso stärker vor Augen, wie wichtig es sei, dass die EU sich diesbezüglich einschalte und einen flächendeckenden Schutz von LGBTIQ-Personen in der gesamten EU sicherstelle: „Wir stellen uns auf lange und schwierige Verhandlungen ein“. In ihrem Vorstoß betonte die Kommission jedoch, dass Hetze und Hasskriminalität mit den in Artikel 2 des EU-Vertrags verankerten europäischen Grundwerten unvereinbar seien. Es gilt nun abzuwarten, ob sie sich damit unter Regierungen wie der Ungarischen und Polnischen (unter anderen), die selbst Hass und Hetze verbreiten, durchsetzen können wird.
Venedig-Kommission des Europarats bewertet Ungarns Anti-LGBTQ+-Gesetz als Verstoß gegen Menschenrechte
20. Dezember 2021Weiterlesen Die mit dem Verbot verbundenen Maßnahmen tragen zu einem „bedrohlichen Umfeld“ gerade für queere Kinder bei, sagte die Venedig-Kommission, die den Europarat in verfassungsrechtlichen Fragen berät. Dabei wird dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán vorgeworfen, zum Hass gegen die LGBTQ+-Gemeinschaft aufzustacheln. Diese Bewertung der Venedig-Kommission ist nur die jüngste internationale Kritik an den im Juni verabschiedeten ungarischen Gesetzesänderungen, die den Zugang zu Inhalten, die LGBTQI*-Identitäten darstellen, für Personen unter 18 Jahren beschränken. Argumentiert hatte der ungarische Ministerpräsident Orbán, dass die neuen Maßnahmen dem Schutz von Kindern und den Rechten der Eltern dienen würden. Nun hat er kürzlich ein Referendum zu dem Thema gefordert. LGBTQI*-Rechtsgruppen und Kritiker*innen Orbáns haben dem langjährigen Regierungschef jedoch vorgeworfen, Hass gegen die queere Community zu schüren, um von politischen Kontroversen und wirtschaftlichen Herausforderungen im Vorfeld der für das Frühjahr 2022 angesetzten Parlamentswahlen abzulenken. Die Venedig-Kommission erklärte jedoch in einer neuen Stellungnahme, dass die ungarischen Einschränkungen legitime Äußerungen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität, die durch die Europäische Menschenrechts-Konvention geschützt sind, unterdrücken könnten. Die Änderungen ließen nur Raum für „einseitigen und voreingenommenen Unterricht“, was der Stigmatisierung und Diskriminierung von LGBTQI*-Personen Tür und Tor öffne, argumentierten die Expert*innen. Sie stellten auch fest, dass die breite Anwendung und die zweideutige Auslegung der ungarischen Änderungen bedeuten könnten, dass sie das Recht auf Familienleben und das Recht der Eltern, ihre Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen zu erziehen, verletzen würden. „Wenn Eltern ihren Kindern unter achtzehn Jahren einen Jugendroman über LGBTQI-Personen kaufen oder sie einen Film mit LGBTQI-Figuren sehen lassen, verstoßen sie gegen das Gesetz“, schrieb die Venedig-Kommission: „In der Tat scheint es Eltern nicht mehr möglich zu sein, ihren Kindern beizubringen, Schwule, Lesben oder Transgender zu akzeptieren, oder ihnen sogar zu helfen, ihre eigene Sexualität zu akzeptieren.“ Auch bei anderen EU-Institutionen sind die queerfeindlichen Maßnahmen der ungarischen Regierung seit ihrer Einführung auf Kritik gestoßen und haben bei den europäischen Staats- und Regierungschefs Bestürzung ausgelöst. Am 2. Dezember leitete die Europäische Kommission die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Ungarn ein und gab der Regierung zwei Monate Zeit, um auf die Bedenken Brüssels zu reagieren und die Situation zu verbessern. Gleichzeitig will sie queere Menschen besser vor Hass und Hetze schützen, indem sie am Donnerstag einen Vorschlag zur Erweiterung der Liste von EU-weiten Straftatbeständen vorstellte, mit dem auch sexuelle und geschlechtliche Minderheiten besser geschützt werden sollen. Bereits im Juli hatte die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet und argumentiert, die Änderungen verstießen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und Nichtdiskriminierung, wie sie in der EU-Grundrechtecharta garantiert sind, sowie gegen mehrere andere EU-Richtlinien und Grundsätze des EU-Vertrags. Sollte die ungarische Regierung die Bedenken nicht ausräumen, könnte die Europäische Kommission die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen vor dem höchsten Gericht der EU anfechten.