Echte Vielfalt

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Die Europawahl vom 9. Juni 2024 liegt jetzt über eine Woche zurück und ihr Ausgang war auch für die LGBTIQ*-Gemeinschaft eine Katastrophe. Im Europaparlament ist die Europäische Volkspartei (EVP) weiterhin stärkste Kraft und auch die rechtskonservative „Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR) sowie die extrem rechte „Fraktion Identität und Demokratie“ (ID) haben dazugewonnen.

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Ein Blick auf die offiziellen Ergebnisse der Europawahl 2024 zeigt die EVP mit 190 von insgesamt 720 Sitzen. Bei der EKR sind es 76 Sitze, sieben Sitze mehr als bei der letzten Wahl,  die ID hat mit 58 Sitzen einen Zuwachs von neun Sitzen . Bereits vor der Wahl hatte die „International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association“ (ILGA)-Europe nach einem Bericht von Euro News Alarm geschlagen: Ein Rechtsruck würde die Situation für die LGBTIQ*-Gemeinschaft verschlechtern.

In ihrem aktuellen Blog vom 14. Juni 2024 zeigt die ILGA, dass die Ergebnisse der Europawahlen trotz Zugewinnen keinen „radikalen“ Rechtsruck zeigen, sondern aus Sicht von LGBTIQ*-Rechtsaktivist*innen ein gemischtes Bild vermitteln. In Ungarn erzielte Péter Magyar, ein ehemaliger Insider der Regierungspartei und jetzt Rivale, mit seiner Tisza-Partei bedeutende Sitzgewinne. Seine Haltung zum Thema LGBTIQ* bleibt allerdings unklar. In Italien mobilisierten LGBTIQ*-Aktivist*innen erfolgreich, was zu einer stärkeren Präsenz von LGBTIQ*-Verbündeten im Europäischen Parlament führte.

Trotz der starken rechten Einflüsse bietet der Anstieg progressiver Stimmen Hoffnung auf zukünftige politische Veränderungen. Dennoch stellt der Stimmengewinn der rechtsextremen Parteien in Europa eine direkte Bedrohung für die Menschenrechte, insbesondere für die LGBTIQ*-Gemeinschaft, dar. Kim van Sparrentak und Marc Angel (wiedergewählte Abgeordnete und Co-Vorsitzende der LGBTI Intergroup) betonten auf der Seite von ILGA-Europe die Notwendigkeit starker Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Aktivist*innen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Es sei wichtig, die stille Mehrheit zu mobilisieren, um gegen rechtsextreme Rhetorik zu kämpfen und inklusive Politiken zu unterstützen, so die beiden. Internationale Solidarität und die Unterstützung durch europäische Institutionen seien entscheidend für den Fortschritt der LGBTIQ*-Rechte in Europa.

Jedoch wird ein Kampf auf rhetorischer Ebene vermutlich nicht mehr ausreichen. So mahnte der Lesben- und Schwulenverband Deuschland (LSVD) in seinen EU-Wahlprüfsteinen, dass insbesondere die Haltung zum Schutz von asylsuchenden LGBTIQ* bei der CDU/CSU-Fraktion geradezu gefährlich sei. Die CDU/CSU-Fraktion ist wiederum Teil der EVP auf europäischer Ebene. Eine ähnlich gefährliche Haltung findet sich nur noch bei der AfD. Das deckt sich mit der rigorosen Asylpolitik der EVP, wie ein weiterer Bericht von Euro News zeigt. Bereits vor einem Jahr hatten wir darüber berichtet, dass LGBTIQ* ein blinder Fleck in der Europäischen Asylpolitik ist. Mit der jetzigen Wahl bleibt zu bezweifeln, dass sich daran etwas ändern wird.

Dabei geht es nicht nur um Asylpolitik. Auch in unserem Artikel zum Thema LGBTIQ* mit Behinderung hatten wir das Thema der Mehrfachdiskriminierung und ihre Bedeutung aufgegriffen. Insbesondere geht es darum, diejenigen mitzudenken, die nicht wissen, wohin sie sich wenden können, und die nicht aktiv Kontakte knüpfen.

Ja, die Wähler*innen haben gewählt, aber die Verantwortung für die politische Umsetzung hatten und haben die Funktionsträger*innen und Politiker*innen in ihren Ämtern. Gegen strukturell diskriminierende Sozialpolitik, die Arme und Arbeitslose ebenso problematisiert wie Migrant*innen, muss die Frage gestellt werden: Stimmt das soziale Fundament? Diese Frage bleibt untrennbar mit der Forderung nach einer Gesellschaft verwoben, in der LGBTIQ*-Sein selbstverständlich ist.

Bild (EU-Ausschnitt) von rawpixel.com auf Freepik

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Der Bundesverband Trans* lädt am 2. und 3. November zu den (Online-)Fachtagen 2024 unter dem Thema „Wissenstrans*formation – Forschung von und für Trans*communities“ ein. Die Veranstaltung findet zum zweiten Mal statt und möchte den Austausch über Projekte fördern, die sich mit diskriminierungskritischer Forschung zu trans* und nicht-binären Personen beschäftigen.

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Während der Fachtagung 2024 sollen sowohl akademische als auch nicht-akademische Forscher*innen und Denker*innen zusammenkommen, die sich mit den Lebensrealitäten von trans* und nicht-binären Personen befassen. Ziel ist es, über Forschungsprojekte und andere wissenschaftliche Arbeiten zu diskutieren, die gemäß der Veranstaltungsbeschreibung „wichtiges Wissen für Trans* und nicht-binäre Communities partizipativ zusammengetragen haben“.

Thematisch sind die Fachtage breit aufgestellt und wollen Perspektiven aus verschiedenen Bereichen wie Medizin, Recht, Trans* & Gender Studies, KI, IT, Soziologie, Community-Dynamiken, Antidiskriminierung und Gewaltschutz, Medien oder gesellschaftspolitische Repräsentation abdecken.

Bis zum 07. Juli werden gibt es noch die Möglichkeit, sich in die Veranstaltung einzubringen – ob als Referent*in zu einem bestimmten (Forschungs-)Projekt im Rahmen eines Panels oder in einem offenen Format. Auch Moderator*innen werden noch gesucht. Für weitere Informationen siehe den Call for Contributions. Unter dem Link befindet sich auch ein Formular, über das die Bewerbung eingereicht werden kann.

Der Bundesverband Trans* vertritt seit 2015 die Interessen von trans* Personen und fordert beispielsweise eine Reform des Familien- und Abstammungsrechts, Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung und setzt sich gegen die Stigmatisieurng von trans* und anderen genderqueeren Menschen ein.

Formate wie die Fachtagung liefern einen wichtigen Raum für queere Bildung und das Teilen von Erkenntnissen, dies auf einer Forschung basieren, die im Austausch mit der Community steht und sensibilisiert auf die Lebensumstände queerer Personen ist. Denn auch in der Wissenschaft werden häufig Stereotypen und Vorurteile (re-)produziert. Immer mehr Projekte und Initiativen setzen sich inzwischen für geschlechter- und diversitätssensible Forschung und Lehre ein (beispielsweise das Zentrum Gender & Diversity in Hamburg). Die Verbreitung von diskriminierungsfreiem Wissen soll auch mehr Verständnis in der Gesellschaft über die Realitäten queerer Personen schaffen, womit wiederum Diskriminierung abgebaut werden kann.

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Die Aufarbeitung der Geschichte queerer Verfolgter im Nationalsozialismus weist noch Lücken auf, wie Historiker*innen und queere Verbände kritisieren.

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Der LSVD forderte schon vor einigen Jahren mehr Forschung zur Verfolgung von Lesben sowie trans, inter und anderen queeren Personen unter dem deutschen Faschismus. Erst 2022 erinnerte der Deutsche Bundestag erstmals am internationalen Holocaust-Gedenktag offiziell auch an die queeren Verfolgten des NS-Regimes. Dieser Beitrag soll eine (unvollständige) Übersicht über den aktuellen Forschungsstand zu insbesondere weiblichen queeren Verfolgten des Nationalsozialismus liefern. Denn vor allem die Geschichten queerer Frauen im Holocaust haben in der deutschen Erinnerungskultur noch nicht genug Aufmerksamkeit bekommen, wie einige Historiker*innen betonen. Diese Unsichtbarkeit spiegelt sich in der historischen Aufarbeitung um Homosexualität und Nationalsozialismus wieder, in der Frauen oft marginal bleiben, so Sébastian Tremblay: „Da sich der Großteil der Erinnerungspolitik auf den §175 StGB und die Kriminalisierung von gleichgeschlechtlichem Begehren und Sexualitäten in der Vergangenheit konzentrierte, erlaubte das Fehlen eines solchen ‚gespenstischen‘ Abschnitts des Strafgesetzbuchs für queere weibliche Sexualitäten queeren (meist) männlichen Historikern, neue Formen des Erinnerungsaktivismus zurückzuweisen.“ Die Historiker*innen Claudia Schoppenmann und Christian-Alexander Wäldner weisen im Portal „Lesbengeschichte“ ebenfalls auf die systematische Unsichtbarkeit lesbischer Frauen in den Archiven hin, was mitunter aus einer anhaltenden Tabuisierung weiblicher Homosexualität rühren könnte. Dennoch scheint sich in den letzten Jahrzehnten etwas in der Forschung getan zu haben: Wichtige Beiträge zur Erforschung der Verfolgung von lesbischen und anderen queeren Frauen im Holocaust lieferte Schoppmann u.a. mit ihrem Buch „Nationalsozialistische Sexualpolitik und weibliche Homosexualität“ von 1997 (Springer Verlag). Eine weitere Vorreiterin in dem Forschungsfeld ist die Holocausthistorikerin Anna Hájková, die neben ihrer eigenen wichtigen Forschung[1] im Rahmen des Projekts „Sexuality and Holocaust“ eine Literaturliste mit Beiträgen zusammengestellt hat, die die Verfolgung von lesbischen und trans Frauen in der NS-Zeit erforschen. Die bereits veröffentlichten Werke sollen Anstöße dazu liefern, dass weiter zu dem Thema geforscht wird. Denn es wird gleichzeitig auf die Lücken hingewiesen, die es insbesondere im deutschsprachigen akademischen Diskurs zum Thema gibt. Unter die gelisteten Publikationen fallen diverse Beitragsformen mit unterschiedlichen Schwerpunkten: von biographischen Spurensuchen[2] zu Analysen der medizinischen, rechtlichen und politischen Diskurse um homosexuelle Frauen und die damit einhergehende Stereotypisierung weiblicher Homosexualität[3]. Die deutschsprachige Forschung zu trans Frauen in der NS-Zeit scheint noch weniger vorangeschritten zu sein, dennoch bieten Beiträge wie u.a. von Ingeborg Boxhammer und Christiane Leidinger[4] wichtige Perspektiven, um dieses Thema weiter zu ergründen. Das Projekt „Sexuality and Holocaust“ ruft auch dazu auf, weitere Beiträge zum Forschungsfeld, die noch nicht in der Literaturliste aufgenommen sind, zu ergänzen. Solche öffentlichen und kollektiven Projekte sind wichtig, um ein möglichst breites Wissen um die Situation lesbischer, trans, inter und anderer queerer Frauen unter den Schrecken des Nationalsozialismus zu sammeln und zu verbreiten. [1] Um nur wenige zu nennen: Queere Geschichte und der Holocaust. In: APuZ, 38–39, 2018, S. 42-47; Menschen ohne Geschichte sind Staub, Wallstein Verlag, 2024. In München veranstaltet das Forum Queeres Archiv gemeinsam mit dem Buchladen Rauch & König am 27.06.2024 eine Lesung mit Anna Hájková zuihrem Buch „Menschen ohne Geschichte sind Staub“, das erst kürzlich in zweiter erweiterter Ausgabe erschienen ist. Zur Veranstaltung. [2] Tamara Breitbach: Lea Gertrud Schloß – Jüdin, Lesbe, Schriftstellerin und Sozialdemokratin: Biografischer Essay. In: Gertrud Schloß: Die Nacht des Eisens: Gedichte, Éditions trèves, 2019, S. 41-87. [3] Brunner, Andreas & Sulzenbacher, Hannes: Homosexualität und Nationalsozialismus in Wien. Mandelbaum Verlag, 2023. [4] Sexismus, Heteronormativität und (staatliche) Öffentlichkeit im Nationalsozialismus. Eine queer-feministische Perspektive auf die Verfolgung von Lesben und/oder Trans* in (straf-)rechtlichen Kontexten, in Michael Schwartz: Homosexuelle im Nationalsozialismus: Neue Forschungsperspektiven zu Lebenssituationen von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Menschen 1933 bis 1945, De Gruyter, 2014.

Der Bundestag hat am Donnerstag, 6. Juni 2024, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts angenommen. Enthalten hatte sich lediglich die AfD. Ziel des Gesetzes ist die Verbesserung der juristischen Verfolgung in Deutschland von Verbrechen, die im Ausland begangen wurden und gegen das Völkerrecht verstoßen.

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„In den vergangenen Jahren hat [das Völkerstrafrecht] sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene zunehmend an Bedeutung gewonnen. Vor allem der massive Einsatz sexualisierter Gewalt hat zu einem gesteigerten Bewusstsein für die Lückenhaftigkeit des bestehenden deutschen Völkerstrafrechts geführt“, so heißt es zur Begründung des Gesetzes in seiner angenommenen Fassung. Auch die „‚sexuelle Orientierung‘ für die Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe“ soll dabei in den Tatbestand als Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§7 VStGB) aufgenommen werden.

Wie das Magazin queer in ihrem Artikel dazu betont, fasst das Gesetz den Begriff des 'Geschlechts' weit, um sämtliche geschlechtliche Identitäten „insbesondere auch die nicht-binäre Geschlechtsidentität sowie die trans- und intergeschlechtliche Identität“ zu integrieren. In unserem Artikel zur neuen FRA-Studie haben wir bereits auf den Umstand hingewiesen, dass insbesondere inter*, trans*, nicht-binäre und genderdiverse Personen häufig Belästigungen und Gewalt ausgesetzt sind. Was für Europa bereits zu verurteilen ist, wiegt im Falle, dass das Völkerrecht ins Spiel kommt, besonders schwer.

Das neue Gesetz legt Wert darauf, dass richterliche Entscheidungen den Kontext und den Standpunkt der Betroffenen berücksichtigen sollten. So heißt es: „As noted […], an 'act of sexual nature' must be seen in context. It may be informed by the survivor’s point of view.” Damit wird die Liste der explizierten Straftaten, die in §7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB erweitert wurde (die aktuelle Fassung steht auf Seite 4 der Gesetzesfassung), zusätzlich um einen unbestimmten Rechtsbegriff ergänzt. Somit erfüllt „jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere“ ebenfalls den völkerrechtlichen Straftatbestand. Hinzu kommt, dass mit dem neuen Gesetz Opfer von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit die Möglichkeit erhalten, als Nebenkläger*innen aktiv am Prozess teilzunehmen. Auch ein Anspruch auf psychosoziale Betreuung ist zu gewähren.

Wie Sven Lehman (Queerbeauftragter der Bundesregierung) auf seiner offiziellen Webseite hervorhebt, wird „im Völkerstrafgesetzbuch […] nun unmissverständlich klargestellt, dass im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung auch die Verfolgung von LSBTIQ* ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt. […]Eine Strafbarkeitslücke wird endlich geschlossen. Das erleichtert eine effektive Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen gegen LSBTIQ*.“

Insgesamt stärkt das Gesetz also das Recht, um gegen solche Verbrechen, die auf deutschem Boden verhandelt werden, besser vorzugehen. „Ferner [so der Bundestag,] wird im Gerichtsverfassungsgesetz nunmehr klargestellt, dass die sogenannte ‚funktionelle Immunität‘ eine Verfolgung von Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch nicht hindert“. Das heißt, Amtsträger*innen (bspw. Diplomat*innen oder Minister*innen anderer Länder etc.) sind nicht aufgrund ihres Status immun.

Wie wir allerdings schon in früheren Artikeln zu grenzüberschreitendem Recht erwähnt haben, wird es am Ende auf dessen Anwendung ankommen. Dennoch liefert das neue Gesetz eine rechtliche Handhabe für die deutschen Behörden, aber auch für NGOs und weitere zivile Akteure. Darüber hinaus erkennt der Bundestag durch seine Verabschiedung explizit an, dass sexualisierte Gewalt und Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und  ein akutes Problem darstellen.

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Das Thema „Queer im Alter“ wird seitens queerpolitischer Akteur*innen und Initiativen immer mehr in den Vordergrund gerückt. Gerade ältere LSBTIQ*-Personen brauchen Räume, in denen sie sich über geteilte Erfahrungen austauschen und Diskriminierung im Alltag entgehen können. Neben Ansätzen in der Offenen Senior*innenarbeit gibt es in ganz Deutschland immer mehr Wohnprojekte für queere Senior*innen, die einen solchen Safer Space schaffen wollen.

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In Berlin gibt es bereits mehrere solcher Projekte. Darunter fallen die zwei Lebensorte Vielfalt der Schwulenberatung Berlin, die sich explizit an LSBTIQ* Personen richten.  Hier können Senior*innen zusammenkommen, die beispielsweise aufgrund der anhaltenden Kriminalisierung von Homosexualität in der BRD bis in die 1990er oder des Verlustes von Freund*innen aufgrund von HIV und Aids Erfahrungen teilen, wie der Tagesspiegel berichtet. Außerdem gibt es Pflege- und Betreuungsangebote, verschiedene Hilfen im Alltag und auch kulturelle sowie Bildungsangebote.

Einen ähnlichen, aber intergenerationellen Ansatz verfolgt der Verein Queerer Leuchtturm St. Pauli in Hamburg, welcher altersgerechtes Wohnen mit queerer Kultur, Beratung und Pflege im Hamburger Stadtteil St. Pauli verbinden möchte und dabei generationsübergreifende (Wohn-)Angebote schafft.

Die AWO (Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.) hat im Rahmen des Modellprojekts „Queer im Alter“ ebenfalls Angebote für LSBTIQ*-Senior*innen an sechs Standorten in Deutschland initiiert. Dabei sind die Angebote nicht ausschließlich für queere Ältere gedacht, sondern möchten das Zusammenleben verschiedener Personen fördern und LSBTIQ*-sensible Ansätze verfolgen. Mit der Einrichtung Kiel-Ellerbek hat die AWO das erste LSBTIQ*-freundliche Pflegeheim in Schleswig-Holstein geschaffen (echte-vielfalt berichtete).

Alle diese Projekte zeigen wichtige Ansätze, um die Einsamkeit von älteren queeren Personen vorzubeugen und diskriminierungsarme Räume zu schaffen, die gleichzeitig die Bedarfe von Senior*innen abdecken. Dabei muss jedoch betont werden, dass die Angebote bei weitem nicht ausreichen. Nach Angaben des Tagesspiegel stehen derzeit 900 Personen allein auf der Warteliste des Lebensort Vielfalt Südkreuz, was die Notwendigkeit solcher Wohn- und Lebensorte für queere Senior*innen deutlich macht. Auch im ländlichen Raum müssten solche Wohnkonzepte mitgedacht und von Kommunen unterstützt und gefördert werden.

 

Zum Thema noch ein Veranstaltungstipp: Anlässlich des Pride Monats und der Berliner Seniorenwoche findet am 29. Juni 2024 um 14:00 Uhr in der Begegnungsstätte Gitschiner Str. 38 in Berlin-Kreuzberg ein kostenloser Workshop zum Thema „Queeres Wohnen im Alter: Wie kommen wir von Träumen zu Tatsachen“ statt. Dabei soll über aktuelle Projekte reflektiert werden sowie über Möglichkeiten, die Lage von FLINTA* auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu verbessern, gesprochen werden. Die Veranstalter*innen bitten um vorherige Anmeldung per Telefon: 030 5058 5450. Weitere Informationen auf der Webseite des CSD Berlin.

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Der Rechtsruck „hat die Mitte der Gesellschaft erreicht“ und führt zu einer Verstärkung von rassistischer, antisemitischer, LSBTIQ*-feindlicher Hetze und demokratiefeindlichen Ideologien.

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Mit diesem Ausgangspunkt will sich der Fachtag „Selbstbestimmung stärken! Demokratie leben!“ einigen zentralen zivilgesellschaftlichen Fragen rund um den Umgang der demokratischen Zivilgesellschaft mit dem Rechtsruck und seinen Auswirkungen auf marginalisierte Gruppen, insbesondere die LSBTIQ*-Community, widmen. Veranstalter ist das Kompetenznetzwerk „Selbst.verständlich Vielfalt“.

Auch wenn es sich bei der eingangs verwendeten Formulierung „hat die Mitte der Gesellschaft erreicht“ um eine gezielte Zuspitzung handelt, ist festzustellen, dass rechte Themen und ihre Vertreter*innen in der medialen Berichterstattung angekommen sind. Wieviel vorher allerdings bereits unausgesprochen in „der Mitte der Gesellschaft“ existierte, bleibt an dieser Stelle offen.

Die Veranstaltung wird am 18. Juni 2024 von 10:00 bis 16:00 Uhr abgehalten. Auf der Webseite finden sich eine Programmübersicht sowie ein Anmeldeformular. Nach Anmeldung ist die Teilnahme kostenfrei. Zudem wird der Fachtag durch Gebärdensprachdolmetschende (DGS) und ein „Awareness-Team“ begleitet.

Die Ausgangsfragen, die sich die Veranstalter*innen stellen, lauten:

  • „Wie kann die demokratische Zivilgesellschaft diesem Rechtsruck standhalten, den Zusammenhalt stärken und sich gegenseitig unterstützen?“
  • „Wie können queere Menschen in ländlichen und strukturschwachen Räumen empowert werden?“
  • „Was ist nötig, um die Regenbogenkompetenz in Bereichen wie Bildung, Sport oder in den Regelstrukturen der Wohlfahrtspflege sowie in Verwaltungen zu erhöhen?“
  • „Wie können etablierte Regelstrukturen und Selbstvertretungen der LSBTIQ*-Communitys zusammenwirken, um für ein selbstbestimmtes Leben in der Demokratie zu werben und Anfeindungen entgegenzuwirken?“

Unterstrichen wird die Bedeutung dieser Fragen durch eine starke Präsenz rechter Populist*innen in den sozialen Medien, wie wir am Beispiel Spaniens und der rechtspopulistischen VOX bereits aufgegriffen haben. Gerade vor dem Hintergrund der Jugendarbeitslosigkeit von 28% in diesem Land wird die sozialökonomische Sicherheit der breiten Bevölkerung zu einem zentralen Thema. Übertragen auf Deutschland und die gesamte EU lässt sich damit die Behauptung aufstellen, dass jegliche Frage, wie mit dem Rechtsruck umzugehen und ihm entgegenzuwirken sei, nicht ohne die Frage der sozioökonomischen Absicherung gestellt werden kann.

Neben Vorträgen und Diskursen bietet der Fachtag außerdem die Möglichkeit, an einem von vier Workshops teilzunehmen, die anschließend ihre Ergebnisse kurz präsentieren. Dabei geht es um folgende Themen:

  • Workshop 1: „TIN* – ein Thema für die Menschenrechtsbildung?“ (Mit: Silvia Rentzsch, Christin Richter, Trans-Inter-Aktiv in Mitteldeutschland e. V.)
  • Workshop 2: „Let’s Talk About Queer Spaces: Austauschformat zur Etablierung queerer Räume in ländlichen Regionen“ (Mit: Matthias Gothe, Vielfalt Leben – QueerWeg Verein für Thüringen e. V.)
  • Workshop 3: „Heilig und Teufel zugleich – Transgeschlechtlichkeit und Queerness zwischen religiöser Ehrfurcht und Anxiety“ (Mit: Dr. Leyla Jagiella, Ethnologin, Religionswissenschaftlerin und Autorin)
  • Workshop 4: „Wer organisiert Transfeindlichkeit und was organisieren wir?“ (Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena)

Alle Informationen zum Ablauf und kurze Beschreibungen der Workshops, ebenso wie das Anmeldeformular, findet Ihr unter folgendem Link.

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Zum 75. Jubiläum des Deutschen Grundgesetzes wurde in Berlin vom 24. bis 26. Mai das „Demokratiefest“ gefeiert. Dabei wurde hochgehalten, dass das Grundgesetz das „Fundament unseres Zusammenlebens in einem freien und demokratischen Rechtsstaat“ sei. Während die feste Verankerung von demokratischen Rechten nach dem Nationalsozialismus ein Anlass zum Feiern ist, war das Jubiläum für die queere Community auch eine Gelegenheit, erneut darauf hinzuweisen, dass das Grundgesetz in Hinblick auf den Schutz von LSBTIQ* Lücken aufweist.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser äußert sich anlässlich des Jubiläums und lobt das Grundgesetz als „eine freiheitliche Verfassung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, seine Würde, seine Rechte, die universelle Gleichheit aller vor dem Gesetz.“ Doch werden alle Personengruppen durch das Grundgesetz gleichermaßen geschützt? Nein, sagt der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD), denn unter derselben der Verfassung fand bis in die 1990er Jahre eine Kriminalisierung und rechtliche Diskriminierung von Homosexualität statt.

Ein genauerer Blick in die Verfassung hilft, um die Kritik der LSBTIQ* Community zu verstehen. In Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes wird festgehalten: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Sexuelle Orientierung wird in keiner Weise erwähnt – und ist damit nicht durch das Grundgesetz geschützt.

Die Initiative „GRUNDGESETZ FÜR ALLE“, über die bereits 2021 auf echte-vielfalt berichtet wurde, nutzte den Anlass des Jubiläums, um ihre langjährigen Forderungen erneut laut zu machen und rief zu einer Kundgebung am 23. Mai auf. Neben der Erweiterung um die Kategorie sexuelle Identität müsste auch geschlechtliche Identität explizit aufgeführt werden. Denn dass Geschlecht als Kategorie im Grundgesetz erwähnt wird, würde nicht ausreichen, um vielfältige geschlechtliche Identitäten zu schützen. Auch trans* und inter* Personen müssten mitgedacht werden. Eine Erweiterung von Artikel 3 (3) GG um sexuelle und geschlechtliche Identität sei somit absolut notwendig, „um einen dauerhaften Diskriminierungsschutz zu sichern“.

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung wurde sich bereits vorgenommen, Artikel 3 (3) GG „um ein Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität [zu] ergänzen“. Doch noch warten queere Verbände ungeduldig auf die tatsächliche Umsetzung des Versprechens der Regierungsparteien. In Hinblick auf das Erstarken rechtspopulistischer Parteien wird eine Erweiterung des Grundgesetztes als „dringender denn je“ (LSVD) verstanden. Denn nur so können Fortschritte hinsichtlich der Gleichstellung von LSTBIQ* nicht einfach rückgängig gemacht werden. Bundesvorstand des LSVD Henny Engels warnt: „Rechtspopulist*innen warten nur darauf, die Uhr wieder zurückzudrehen: Errungenschaften wie die Ehe für Alle und das Selbstbestimmungsgesetz könnten wieder abgeschafft werden. Mit Blick auf die zunehmende Queerfeindlichkeit in Deutschland und Bedrohung durch Rechts ist es Zeit, jetzt zu handeln!“

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Am 12. November 2020 wurde die "Union of Equality: LGBTIQ Equality Strategy 2020-2025" durch die Europäische Kommission eingeführt. Ein Akt, der seitdem medial nicht viel Beachtung erhielt. Die Strategie zielt darauf ab, Ungleichheiten und Herausforderungen zu adressieren, die LGBTIQ Personen betreffen, um eine „Union der Gleichheit“ zu schaffen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf einer verbesserten Inklusion von besonders vulnerablen Gruppen, die intersektionale Diskriminierung erfahren.

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Wie wir bereits letzte Woche in unserem Artikel über die FRA-Studie aufgegriffen hatten, sind insbesondere inter*, trans*, nicht-binäre und genderdiverse Personen in Europa häufiger von Belästigungen und Gewalt betroffen.

Katrin Hugendubel, Advocacy Director von ILGA-Europe, begrüßte in ihrem Statement zur Einführung 2020 die Strategie als „klares Arbeitsprogramm“ für die EU. Unter anderem sollen Gesetze verabschiedet werden, die endlich sicherstellen, dass Eltern sich frei zwischen den Mitgliedstaaten bewegen können, ohne ihren Elternstatus zu verlieren. Darüber hinaus sieht die Strategie vor, dass die EU eine Führungsrolle in den Bereichen übernimmt, in denen auf nationaler Ebene Veränderungen notwendig sind, so Hugendubel.

Im vergangenen Dezember 2023 hatte das EU-Parlament in diesem Zuge dann einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der sicherstellen soll, dass die Elternschaft, die in einem EU-Land gilt, automatisch in allen Mitgliedstaaten anerkannt wird. Wire wir allerdings in unserem Artikel damals abschließend festhielten, wird es dennoch darum gehen, ob und wie das Recht in der Praxis der einzelnen Nationalstaaten zur Anwendung kommt. Wie die EU selbst in ihrer Zwischenstudie vom Dezember 2023 über die Einführung der „Equality Strategy 2020-2025“ feststellt, hat die EU „keine gesetzgeberische Kompetenz im Bereich des materiellen Familienrechts einschließlich der spezifischen Anforderungen zur Begründung von Ehe- oder Familienstatus“. Damit wird die „Führungsrolle“ allerdings schwer. Trotz Fortschritten bleiben auch weiterhin LGBTIQ* Personen in der EU von Diskriminierung und Belästigung betroffen. Zudem wurde die sekundäre EU-Gesetzgebung zur Nichtdiskriminierung bisher nur in begrenzten Bereichen, wie dem Beschäftigungsbereich, umgesetzt. Ein Vorschlag der Europäischen Kommission von 2008 für eine horizontale Gleichbehandlungsrichtlinie, die den Diskriminierungsschutz ausweiten soll, wird seitdem im Rat blockiert (sie erfordert Einstimmigkeit).

In ihrer Zweijahresauswertung vom April 2023 kommt ILGA-Europe zu dem Ergebnis, dass die Umsetzung derzeit hauptsächlich von der Generaldirektion Justiz (DG JUST) vorangetrieben wird, während andere Generaldirektionen hinterherhinken. Darüber hinaus liegt der Fokus der Umsetzung vor allem auf sexueller Orientierung und vernachlässigt Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmale als weitere Schutzbereiche. Insgesamt bräuchte es eine bessere Vernetzung zwischen der eingerichteten Arbeitsgruppe zur Nichtdiskriminierung und den verschiedenen NGOs innerhalb der Europäischen Union. Trotz der Arbeitsgruppe fehlt es allerdings an langfristiger Verbindlichkeit und personeller Ausstattung. Angesichts der führenden Rolle der DG JUST, um die Umsetzung auch durch andere Generaldirektionen sicherzustellen, ist es sehr besorgniserregend, dass es keine nachhaltige und langfristig dafür eingerichtete Position für LGBTIQ-Rechte gibt.

Formal stellt die Strategie damit einen Schritt in die richtige Richtung dar. Praktisch sind jedoch noch zahlreiche strukturelle Veränderungen und die Bereitstellung von Ressourcen und Personal notwendig, um sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene wirksame Veränderungen zu bewirken.

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Am 9. Juni steht in Deutschland die Europawahl an. Welche Rolle spielt der Wahlausgang für Frauen* und die LSBTIQ* Community in der EU? Angesichts des Erstarkens rechter Parteien in vielen europäischen Staaten kann die Wahl entscheidend sein. Queere Verbände rufen deshalb zur Wahlteilnahme auf und der Landesfrauenrat Hamburg lädt zu einem feministischen Podiumsgespräch ein.

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Der LSVD ruft gemeinsam mit anderen queeren Verbänden zur Teilnahme an der Europa-Wahl am 9. Juni auf und dabei „die Parteien zu unterstützen, die sich glaubhaft für Menschenrechte und damit auch für Gleichheit und Akzeptanz von LSBTIQ in Europa einsetzen“. In dem Wahlaufruf wird betont, dass rechtsextreme und -radikale Parteien in vielen EU-Staaten bereits jetzt die Rechte von queeren Personen einschränken und Hass auf LSBTIQ* sowie andere marginalisierte Gruppen schüren würden. Deshalb sei die Europawahl eine „Richtungswahl“. Mit Wahlprüfsteinen hat der LSVD eine Einschätzung über die queerpolitischen Vorhaben der Parteien geliefert.

Auch für die Gleichstellung der Geschlechter könnte die Wahl eine bedeutende Rolle spielen. Strukturelle Diskriminierung und weitere Hürden stellen für Frauen* nach wie vor ein großes Problem dar. Besonders rechte Parteien und Gruppen verbreiten antifeministische Positionen. Die Ansätze zur Förderung der Gleichstellung von Frauen* unterscheiden sich stark zwischen den Parteien.

Doch welche Partei setzt sich wirklich für die Gleichstellung von Frauen* ein? Um Klarheit über die verschiedenen Positionen und Ansätze der Parteien zu bekommen, lädt der Landesfrauenrat Hamburg am 3. Juni 2024 zur Veranstaltung „Sie wählt! Was?“ ein. Mit Vertreter*innen der Parteien DIE LINKE, FDP, Die Grünen, SPD und CDU wird ein feministisches Podiumsgespräch zur Europawahl geführt.

In dem Podiumsgespräch soll herausgearbeitet werden, welche Lösungen von den Vertreter*innen der teilnehmenden Parteien vorgeschlagen werden.

Die Veranstaltung findet am 03. Juni 2024 um 19 Uhr im Landesfrauenrat Hamburg e.V. (Grindelallee 43, 20146 Hamburg, Im Sauerberghof) statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Auch eine Online-Teilnahme ist unter folgendem Link möglich: https://us06web.zoom.us/j/85489690426?pwd=dUjmasEyXUihpLm3zzs9gO5sc9xo5c.1

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Am 14. Mai 2024 veröffentlichte die EU-Agentur für Grundrechte (FRA) ihren neuen Bericht zur Situation von LGBTIQ* in der Europäischen Union. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass diese Personengruppe zwar insgesamt offener ihre Identität lebt, gleichzeitig aber mehr Gewalt, Belästigung und Mobbing ausgesetzt ist als zuvor. „Besonders gefährdet sind jüngere LGBTIQ*-Personen.“

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Laut FRA-Studie, die laut eigener Aussage versucht, so repräsentativ wie möglich zu sein, gehen mehr als die Hälfte der befragten 100.000 Personen offen mit ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität, ihrem Geschlechtsausdruck sowie ihren geschlechtsspezifischen Merkmalen um. Dennoch vermeiden die meisten aus Angst vor Angriffen, zum Beispiel in der Öffentlichkeit Händchen zu halten. Auch die Diskriminierung ist im Vergleich zur vorherigen Erhebung 2019 insgesamt zurückgegangen, allerdings gab immer noch über ein Drittel an, Diskriminierungserfahrungen zu machen.

Jede zehnte Person (10%) hatte zudem Gewalterfahrungen erlebt. In Deutschland waren es sogar 16% und bei inter* Menschen über ein Drittel. Mehr als die Hälfte der Befragten war darüber hinaus Belästigungen ausgesetzt, in Deutschland gaben dies sogar 57% an. In der Erhebung von 2019 war es insgesamt noch ein Drittel gewesen. Auch erleben inter* und trans* Personen mit ca. zwei Dritteln erneut weit häufiger Belästigung als übrige Personen.

In Bezug auf Schulen gaben zwei Drittel der Befragten an, dass sie Mobbing erfahren haben, „und zwar generationsübergreifend in allen EU-Ländern“. Auch hier findet sich ein Anstieg gegenüber 2019, als lediglich die Hälfte diese Angabe machte. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass Gewalt und Belästigung an Schulen weiterhin bestehen, trotz Verbesserungen im Umgang mit LGBTIQ-Themen. Ein Fünftel der Schüler*innen berichtet, dass ihre Schule das Thema in ihre Bildung „positiv aufgenommen“ habe.

In Bezug auf die psychischen Auswirkungen habe mehr als ein Drittel schon einmal über Selbstmord nachgedacht, bei inter*, trans*, nicht-binären und genderdiversen Personen sind es sogar über die Hälfte. Ähnlich hohe bzw. noch höhere Zahlen zeigte auch der Zusammenhang mit Behinderungen oder finanziellen Unsicherheiten, unabhängig von der sexuellen Orientierung oder der Genderidentität. Gleichzeitig gibt ein Viertel der Personen an, dass sie zu Konversionsmaßnahmen gezwungen wurden, um ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität zu ändern. Daran anschließend haben LGBTIQ*-Personen erhebliche Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Fünf Prozent verzichten gar auf Behandlungen. Bei 2% wurde sogar die Behandlung von Seiten des medizinischen Fachpersonals verweigert. Und 10% hatten Probleme beim Zugang zur Notfallversorgung.

Insgesamt kommt die Studie zu der Erkenntnis: „Inter*, trans*, nicht-binäre und genderdiverse Personen sind häufiger Belästigungen und Gewalt ausgesetzt. Sie sind häufiger mit psychischen Problemen konfrontiert und haben häufiger Suizidgedanken. Außerdem sind sie eher von Obdachlosigkeit betroffen und haben Schwierigkeiten beim Zugang zu medizinischer Versorgung. Dies gilt auch für LGBTIQ*-Personen mit Behinderungen, in finanzieller Not oder Angehörige ethnischer oder anderer Minderheiten.“ Insgesamt hat nur ein Viertel der Befragten den Eindruck, dass ihre Regierung Vorurteile und Intoleranz gegenüber LGBTIQ*-Personen bekämpft.

Vor diesem Hintergrund bekommt die aktuelle Europawahl am 9. Juni 2024 eine besondere Dringlichkeit. Wie der LSVD schreibt, „[…] geht [es] um nichts weniger als um die Zukunft der europäischen Demokratie. Auch demokratische Parteien sind in der Gefahr, sich dem Rechtsruck zu beugen und der Diskursverschiebung nach Rechtsaußen nachzugeben.“ Trotz aller inhaltlichen Kritik an den unterschiedlichsten Parteien ist diese Demokratie momentan das Fundament, auf dem wir unsere Gesellschaft gestalten wollen. Dazu gehört, so der LSVD weiter, „klare Kante gegen rechtsextreme und menschenfeindliche Positionen zu zeigen“.

Das heißt erstens, zur Wahl zu gehen, und zweitens, sich selbst kritisch zu prüfen, ob die Partei des Vertrauens tatsächlich die richtige ist. Mehr Würde und weniger Menschenverachtung bedeutet, die Fragen nach einer allgemeinen sozialen Gerechtigkeit zu stellen. Wird nur die eigene Interessengruppe berücksichtigt, entstehen neue Einfallstore für Unsolidarität, Hass und damit rechten Populismus.

Den vollständigen Bericht gibt es unter diesem Link.

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