Weiterlesen Denn nach dem ultraschnellen Sieg Khelifs im Viertelfinale gegen ihre italienische Konkurrentin Angela Carini, die nach 46 Sekunden im Ring den Kampf beendete, ist ein internationaler Diskurs ausgebrochen, der von Desinformation wimmelt. Rechtspopulistische und transfeindliche Stimmen – von US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump und italienischer Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bis hin zur „Harry Potter“-Autorin J.K. Rowling – äußerten sich zu Wort und warfen Khelif vor, keine Frau zu sein und deshalb einen unfairen Kampf zu führen. Dass Carini nach ihrer Niederlage ihrer Konkurrentin nicht die Hand schüttelte und nach dem Kampf erklärte, sie hätte noch nie so harte Schläge erfahren, wurde schnell so ausgelegt, dass es sich bei Khelif um eine unfaire Gegnerin handelte – was auf einer Information fußt, die die Internationale Boxing Association (IBA) 2023 verbreitet hat. Laut der Organisation, die im Übrigen vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) nicht anerkannt wird, hätte ein Geschlechtstest ergeben, dass Khelif XY-Chromosomen habe und somit möglicherweise intersex sei (DW). Doch die Kredibilität der IBA und ihrer intransparenten Tests sind anzuzweifeln, unter anderem aufgrund des Vorsitzenden Umar Kremlev, der enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Vladimir Putin pflegt - der wiederum eine Anti-LGBTIQ*-Politik verfolgt - so das Online-Magazin them. Eine ähnliche Diskussion gibt es im Übrigen auch über die taiwanesische Boxerin Lin Yu-ting, die ebenfalls von der IBA 2023 disqualifiziert wurde. Dass trotz dieser vermeintlichen Disqualifikation der IBA die beiden Boxerinnen bei Olympia 2024 antreten durften, wird vonseiten des IOC verteidigt. Sie seien Frauen, die als Frauen geboren sind, so IOC-Präsident Thomas Bach in einer Pressekonferenz. Bach betont darüber hinaus, dass die Angriffe auf die Boxerinnen in den Sozialen Medien Teil eines politisch motivierten Kulturkampfes seien. So sei es nicht verwunderlich, dass reaktionäre und rechte Politiker*innen wie Trump und Meloni die Situation aufgreifen und Falschinformationen verbreiten. Seit dem Kampf von Khelif und Carini lauerte es in den Sozialen Medien nur von Desinformation und Empörung über die schlichtweg falsche Tatsache, dass ein Mann gegen eine Frau boxen würde. Auch in der BILD wird über Imane Khelif polemisch als „männliche“ Boxerin berichtet. Diskussionen über XY-Chromosomen oder höhere Testosteron-Gehalte bei Frauen werden oft in trans- und interfeindliche Logiken eingebettet. Dabei sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass es für Sportler*innen, die in einer Olympia-Disziplin antreten, immer von Vorteil ist, bestimmte körperliche Voraussetzungen zu erfüllen – sei es beim Schwimmen, Laufen, oder eben Boxen. Wie in einem Artikel der taz erklärt wird: „Nachwuchstrainer:innen, die bei Kindern und Jugendlichen nach Talenten suchen, haben immer auch ein Auge für ihre körperliche Eignung. Die Großen kommen zum Basketball, die Kleinen zum Turnen, die mit den langen Armen zum Schwimmen.“ Fürs Boxen ist ein höherer Testosterongehalt – was auch bei cis-Frauen keine Ungewöhnlichkeit sein muss – von Vorteil für die Schlagkraft. Gegen die Belästigung und Hate-Kommentare im Internet hat die Olympia-Gewinnerin inzwischen eine Klage eingereicht (Berliner Zeitung). Die italienische Boxerin Carini entschuldigte sich inzwischen bei ihrer Konkurrentin und betonte, dass die Einschätzung des IOC Khelif antreten zu lassen, respektiert werden müsse. Update 11/2024: Seit Erscheinen des obigen Artikels veröffentlichte das französischsprachige Recherchemagazin Le correspondant medizinische Gutachten, die darauf hindeuten, dass die spezielle Form der Intersexualität von Imame Khelif so ausgeprägt ist, dass sie dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden könne (vgl. z.B. rnd, Frankfurter Rundschau, Stern). Khelifs Anwalt weist dies zurück. Laut rnd werde sich das IOC "derweil nicht äußern, 'solange die rechtlichen Schritte laufen, oder zu Medienberichten über nicht verifizierte Dokumente, deren Herkunft nicht bestätigt werden kann.'“ Eine nachträgliche Aberkennung der Goldmedaille werden derzeit als unwahrscheinlich angesehen. Eine grundsätzliche Diskussion dieser und ähnlicher Fälle im Sport sollte jedoch dringend angestoßen werden. Update 06/2025:Am 30. Mai 2025 gab der vom IOC anerkannte Box-Verband World Boxing eine Erklärung zu seinen Plänen ab, obligatorische Geschlechtstests einzuführen, um die Eignung der Athlet*innen zur Teilnahme an seinen Wettbewerben festzustellen. Diese neue Vorgehensweise ziele darauf ab, gleiche und sichere Wettbewerbsbedingungen für Frauen und Männer zu gewährleisten. Die Richtlinie befindet sich in der Endphase ihrer Entwicklung und wurde von einer eigens dafür einberufenen Arbeitsgruppe des Medizinischen und Anti-Doping-Komitees des Weltboxsports ausgearbeitet. In der Umsetzung sieht die Richtlinie vor, dass sich alle Athlet*innen über 18 Jahren, die an einem von World Boxing betriebenen oder genehmigten Wettkampf teilnehmen möchten, einem PCR-Gentest (Polymerase-Kettenreaktion) unterziehen müssen, um ihr Geschlecht bei der Geburt und ihre Wettkampfberechtigung zu bestimmen. Dies Verfahren würde nun auch bei Imane Kelif angewandt: Laut sportschau.de "teilte [World Boxing] mit, dass die Algerierin nur zum anstehenden Eindhoven Box Cup (5. bis 10. Juni) zugelassen werde, wenn sie zuvor den vorgesehenen Test durchgeführt habe." Da Khelif keinen Test ablegte, war eine Teilnahme nicht möglich.
Lebensbereiche
Literaturfestival im LCB: „Coming Out, Inviting In“
8. August 2024Weiterlesen Coming Outs sind persönlich und doch jedes Mal aufs Neue politisch. „Längst ist das Konzept des Coming Out jedoch nicht unhinterfragt. Wie wird es aus intersektionalen Perspektiven geframed? Was bedeutet ein Inviting In? Wie sieht eine Gesellschaft aus, in der sich ein Outing erübrigt? Welche Rolle spielt die Literatur als (Auto-)fiktion, als Archiv, als Entwurf von Narrativen? Wo sind Spielfilme, Comics, Pornos Orte der Selbstimagination? Und wo (er-)findet die Lyrik ihre Sprache? Was erzählen historische Quellen? Wie recherchieren Schreibende und wie nähern sich Texte der historischen Komplexität queerer (Un-)Sichtbarkeit?“ Mit all diesen Fragen will sich das LCB dieses Jahr befassen. Gegenüber dem Tagespiegel begründete die Kuratorin Anna Hetzer: „[Es gehe darum,] wie Erfahrungen als queere Person zusammenhängen mit dem eigenen Schreiben [und] wie Film und Literatur sich gegenseitig beeinflussen. Schriftsteller*innen gucken auch Filme. Literarisch werden wir die Rolle von Archiven diskutieren und sicher das große Thema Autofiktion, das gerade in der queeren Community eine Tradition hat.“ Auf den Veranstaltungsnamens angesprochen erklärt Hetzer, dass sich beim Coming Out immer auch die Frage stelle, ob es sich um ein einmaliges Ereignis oder einen Prozess handele. Hierzu haben wir bereits in unserem Artikel „Auf der Suche nach der Wahrheit über unsere sexuelle Orientierung“ festgestellt: Sexualität ist ein Spektrum, auf dem sich Menschen bewegen, und dieses Spektrum ist nicht statisch. Im Gegenteil, es kann sich über das Leben in beide Richtungen verändern. Dabei sind wir nie außerhalb unserer sozialen Beziehungen. Wir treffen auf Ressentiments oder haben selbst welche, wie wir in unserem Artikel „Philosophische Überlegungen zur Bedeutung von Trans- und Nichtbinär-Sein“ aufgegriffen haben. Hier kamen wir allerdings auch zu dem Schluss, dass in diesen Auseinandersetzungen immer auch die Chance liegt, das eigene und gemeinschaftliche (Nach-)Denken zu schulen und das Selbst und seine Beziehungen als dynamischen Prozess zu begreifen. Auch ging es darum, dass man selbst und das Gegenüber auf die jeweils andere Person angewiesen ist, um sich zu verstehen. Das wird umso bedeutender, wenn Personen aufgrund von Gesundheit nicht mehr über das eigene Selbstbild bestimmen kann, wie es bspw. bei Demenz vorkommen kann. Was dabei die Rolle und was das „tatsächliche Selbst“ ist, bleibt für das Gegenüber zunächst offen. Ein Coming Out ist damit immer auch auf die Community, in der man sich bewegt, bezogen und kann bedeuten, dass sich eine ehemals homosexuelle Person nun zu beiden oder nur zum anderen Geschlecht hingezogen fühlt. Literatur und Film bieten hier eine faszinierende Brücke in fremde, aber immer auch in eigene Gedanken - und haben die Möglichkeit, mit allen denkbaren Kombinationen von Selbst und Rolle in Gesellschaften verschiedenster Art zu spielen. Wie Anna Hetzer ausführt, versteht die Veranstaltung unter Coming Out das Kommunizieren einer Person ihrer Sexualität und Geschlechtsidentität nach außen, was sie immer auch „ein Stück weit der Reaktion von anderen aus[setzt]“. Inviting In bedeutet in diesem Zusammenhang: „Menschen werden eingeladen, zuzuhören und etwas sehr Persönliches zu erfahren. Gleich zu Beginn des Festivals gibt es eine Diskussionsrunde zu den Begriffen und ihren Perspektiven.“ Ein umfangreiches Ziel, das Erwartungsmanagement verlangt. Es wird vermutlich politisch, philosophisch und, wenn es gut läuft, auf eine positive Weise kontrovers. Auf jeden Fall darf damit gerechnet werden, dass man am Ende mit mehr offenen Fragen nach Hause geht. Interessierte finden hier das Programm.
Weiterlesen Laut Angaben der NGO „Human Rights Campaign“ (HRC) erfährt Harris derzeit massive Unterstützung aus der amerikanischen LGBTIQ*-Gemeinschaft: „The community is sending a message loud and clear: we are united in support of the experienced, tough, pro-equality Vice President Kamala Harris and will do everything it takes to defeat Donald Trump and JD Vance.“, zitiert die HRC ihre Präsidentin Kelley Robinson und nimmt einen Blick in ihre Vergangenheit vor, um zu zeigen, dass Harris sich bereits früher immer wieder aktiv für LGBTIQ*-Belange eingesetzt hat: Auch ihre möglichen Vizepräsidenten gelten als Verfechter der Rechte von LGBTIQ*. Eine Liste der Kandidaten (alles Männer) und ihrer Positionen hat das Magazin queer zusammengestellt. Dennoch - um, wie Kelley Robinson betont, Donald Trump and JD Vance zu „besiegen“, sind viele zu allem bereit. Gerade aus europäischer oder deutscher Sicht sollten wir uns erlauben, auch Harris kritischer zu betrachten. Wie wir bereits in unserem Artikel zur „USA als Weltbühne“ thematisiert haben, haben die USA durchaus einen richtungsweisenden Effekt im internationalen Kampf um Anerkennung und Würde. Auch abseits von LGBTIQ*-Rechten findet sich bei Harris eine progressive Agenda. So sprach sie sich laut dem Magazin Jacobin „[…]für eine Reform des sogenannten Three-Strikes-Gesetzes in Kalifornien aus und verhängte dementsprechend keine lebenslangen Haftstrafen für Personen, die zum dritten Mal straffällig geworden waren. Außerdem führte sie 2004 das Programm »Back on Track« ein. Damit werden Ersttäter zwischen 18 und 24 Jahren in 18-monatige Ausbildungsprogramme der lokalen City Colleges vermittelt. Dies trug dazu bei, dass die Rückfallquote in der Stadt innerhalb von sechs Jahren von 54 Prozent auf 10 Prozent sank“. Wie wichtig eine gesamtheitlich progressive Sozialpolitik ist, wenn es darum geht, die Rechte und Würde von Menschen zu erkämpfen und zu sichern, ist kaum zu unterschätzen. Allerdings ist auch Harris durchaus zu Opportunismus bereit. Wie Jacobin in seinem Artikel weiter zeigt, fiel sie in ihren Äußerungen oft progressiv, in ihren Handlungen jedoch immer wieder durch eine „harte, strafende Politik“ auf. „So stehen ihre konservativen Taten ihren progressiven Worten entgegen. Es ist auch nicht unbedeutend, dass Harris dies manchmal unnötigerweise tat und dabei eine härtere Haltung als ihre rechte Konkurrenz einnahm.“ Auch wenn Trump und Vance sicherlich die deutlich ungünstigere Wahl für die LGBTIQ*-Gemeinschaft bedeuten, sollte sich die Community dennoch keine Illusionen machen. Vermutlich wird es nie eine*n amerikanische*n Präsidentin geben, der*die nicht auch Opportunist*in und Machtmensch ist. Aus diesem Grund lohnt sich ein Blick in den Artikel „Wofür steht Kamala Harris?“ des Jacobin Magazins, um sich trotz – oder gerade wegen – des momentanen Hypes etwas nüchterner mit der Zukunft des immer noch stärksten „westlichen“ Staates zu befassen.
Weiterlesen Laut eigenen Angaben unterstützt die IAS über 13.000 Mitglieder in über 170 Ländern. Ihr Ziel ist es dazu beizutragen, dass HIV nicht länger eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit und das individuelle Wohlbefinden darstellt. Dazu vernetzt sie führende Personen der AIDS-Forschung und setzt sich für eine evidenzbasierte und stigmatafreie Politik ein. Insbesondere die letzten beiden Aspekte sind dabei zentral für eine gelingende Bekämpfung von HIV. Während sich in Deutschland im vergangenen Jahr etwa 2.200 Menschen mit HIV infizierten , ist die Krankheit in unserem Land jedoch gut behandelbar, sodass kaum jemand mehr daran sterben muss. Wie die Tagesschau mit Verweis auf die Vereinten Nationen (UN) schreibt, treffen die steigenden Infektionszahlen hauptsächlich diejenigen, die sowieso schon benachteiligt sind: „Menschen in Armut, Menschen, die ihre sexuelle Orientierung nicht offen zeigen dürfen, sei es, weil sie diskriminiert werden oder weil Homosexualität in vielen Ländern weiterhin verboten ist und sogar mit der Todesstrafe geahndet werden kann.“ Weltweit sind aktuell 40 Millionen Menschen mit HI-Viren infiziert. „Im Jahr 2022 gab es 1,3 Millionen Neuinfektionen […]. Die Zahl der HIV-Neuinfektionen ist laut UNAIDS – dem gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen – seit 2010 weltweit um 39 Prozent zurückgegangen, im östlichen und südlichen Afrika sogar um 59 Prozent. […].“ In Lateinamerika sowie in der Region Naher Osten und Nordafrika, vor allem aber in der Region Osteuropa und Zentralasien, seien die Todesfälle hingegen angestiegen, so die Tagesschau in ihrem Artikel zum Abschluss der diesjährigen Konferenz. Dabei ermöglichen moderne HIV- Medikamente Infizierten schon heute eine normale Lebenserwartung, gleichzeitig sterben jährlich immer noch etwa 630.000 Menschen an HIV. Das sind weit mehr als das von der UN angestrebte Ziel, die Todesrate bis 2025 auf 250.000 zu senken. Ein Hoffnungsträger, dem zumindest mittelfristig entgegenzuwirken, bildet das neue Präventivmedikament Lenacapavir, das im Gegensatz zu den bisher üblichen Tabletten nur zweimal jährlich gespritzt werden muss und in einer ersten Studie hundertprozentigen Schutz versprach. Bis jetzt darf das Medikament allerdings noch nicht präventiv verabreicht werden. Hinzu kommt, dass die IAS und weitere internationale Akteure mit hohen Preisen rechnen, sobald die Zulassung erfolgt. Aus diesem Grund wurde der Hersteller Gilead aufgefordert, Generika für ressourcenarme Länder zu erlauben. Rund 95 % der weltweit HIV-Infizierten leben in diesen Regionen. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die globalen Finanzmittel für den Kampf gegen HIV in einkommensschwachen Ländern 2023 um 5 % auf 19,8 Milliarden US-Dollar gesunken sind. Damit liegen sie 9,5 Milliarden US-Dollar unterhalb des bis 2025 laut UN benötigten Betrages. Winfried Holz vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe (DAH) bilanziert zur Welt-AIDS-Konferenz: „Die Welt verfügt über hochwirksame Mittel, aber die Finanzierung von Maßnahmen gegen HIV/AIDS ist global unzureichend, in vielen Ländern fehlt zudem der politische Wille zur Prävention für die besonders stark betroffenen Gruppen.“ Damit wird deutlich, dass die Frage der AIDS-Bekämpfung immer weniger eine Frage der medizinischen Machbarkeit und immer stärker eine Frage der politischen Bereitschaft und Ideologien ist: Sind die finanzgebenden Länder bereit, weiterhin ausreichend Geld zu geben, und ist die politische Führung der stark betroffenen Länder bereit, ihre Bevölkerung strukturell zu schützen? Ein makabres Beispiel, was es in Bezug auf die AIDS-Pandemie bedeutet, wenn Ideologie über das Wohl und die Würde von Teilen der Bevölkerung gestellt wird, liefert hier die Situation in Uganda.
Hamburg Pride 2024
30. Juli 2024Weiterlesen Mit Ausstellungen, Stadtrundgängen, Vorträgen, Konzerten und vielem mehr bietet die Pride Week 2024 ein diverses Programm, in das es sich lohnt hineinzuschauen. Die Höhepunkte der Woche sind die CSD-Demonstration am 3. August, bei der laut NDR bis zu 250.000 Teilnehmende erwartet werden. Der Startpunkt ist um 11:55 Uhr am Mundsburger Damm; die Demonstration führt dann aus Uhlenhorst zum Jungfernstieg. Das große Straßenfest findet vom 2. bis 4. August vor dem Rathaus und an der Binnenalster statt. Mit dem Kampagnen-Motto „5 vor 12! Du & ich gegen Rechtsdruck“ beziehen die Veranstalter*innen sich auf die derzeitige politische Lage in Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten, in denen rechte Parteien immer mehr Einfluss gewinnen. Besonders für Angehörige der LGBTIQ*-Gemeinschaft ist diese Entwicklung beängstigend, wie der Veranstalterverein Hamburg Pride betont: „Wir haben viel zu verlieren: die Rechte, die wir in den letzten Jahrzehnten auf dem Weg zu Gleichberechtigung hart erkämpft haben – ein Prozess, der noch immer nicht abgeschlossen ist.“ Während die Pride Week viel Raum zum Feiern lässt, sollten die politischen Forderungen von Hamburg Pride nicht unbeachtet bleiben. Darunter fällt die Ergänzung des Artikels 3 des Grundgesetzes um die Merkmale „sexuelle und geschlechtliche Identität“, die Reform des Abstammungsrechts und eine konsequente Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes. Außerdem wird die Bekämpfung von Hasskriminalität und Queerfeindlichkeit und das Errichten von Maßnahmen zum Schutz der LGBTIQ+ Gemeinschaft vor Gewalt und Hass gefordert. Der Hamburger Senat wird zur kontinuierlichen Umsetzung des Aktionsplans zur Bekämpfung von Homo-, Bi- und Trans*feindlichkeit aufgefordert. Zusätzlich zu den Veranstaltungen der Pride Week gibt es wieder die Aktion „Hamburg zeigt Flagge“, mit der ein Zeichen für Vielfalt, Akzeptanz und Weltoffenheit gesetzt werden soll. Am Hamburger Rathaus wurde bereits am 26.7. die Regenbogenflagge von der zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank gemeinsam mit Hamburg Pride gehisst.
Unterstützung und Empowerment für geflüchtete LSBTIQ*: Das Projekt „Queer Refugees Deutschland“
25. Juli 2024Weiterlesen Das Projekt "Queer Refugees Deutschland" bietet LSBTIQ*, die nach Deutschland geflüchtet sind oder sich auf der Flucht befinden, eine zentrale Beratungs- und Vernetzungsstelle. Es verbindet dabei die Flüchtlingsberatung mit der LSBTIQ*-Beratung und bietet mehrsprachige Informationen, Schulungen und Empowerment-Arbeit an. In diesem Zuge hat der LSVD zusammen mit „Fluchtgrund Queer“ und durch Förderung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine neue „Terminologie-Liste“ veröffentlicht. Die Broschüre enthält Begriffe in den Sprachen Arabisch, Dari, Englisch, Französisch, Paschtu, Persisch, Russisch, Türkisch und Urdu und ist speziell darauf ausgelegt, Sprachmittler*innen zu sensibilisieren und ihnen die richtigen Begriffe im Kontext sexueller Orientierung und geschlechtlicher Vielfalt an die Hand zu geben. Die Begriffe decken ein breites Spektrum ab, von „Transition“ über „Geschlechtsausdruck“ bis hin zu „nicht-binär“, „transgeschlechtlich“ und „intergeschlechtlich“. Darüber hinaus enthält die Broschüre auch eine Liste von abwertenden Begriffen, die vermieden werden sollten, um eine respektvolle Kommunikation zu gewährleisten. Sprachmittler*innen sind dabei keineswegs ausschließlich „offiziell bestellte“ Dolmetscher*innen. Auch in Schulen und Kitas oder im Freundes- und Bekanntenkreis, aber natürlich auch in der Familie, gibt es immer wieder Menschen, die sprachlich vermitteln und übersetzen, ohne dass es ihre Ausbildung ist - nicht zuletzt auch Minderjährige. Dabei kann es bspw. in Schulen, aber auch in allen anderen Kontexten darum gehen, dass das Thema LSBTIQ* besprochen und erklärt wird. Auch in diesem Fall kann diese Broschüre helfen, die richtigen Worte zu finden. Konkret bleibt die Liste ein Werkzeug. Ob und wie es angewendet wird, hängt von den Institutionen und Menschen ab. Allerdings ist ihr Anwendungsbereich eben nicht nur auf Flucht beschränkt. Gleichzeitig sind es diese anderen Bereiche, wie bspw. die Bildung, in denen das Fundament für eine offene Gesellschft entsteht, von der nicht nur Geflüchtete profitieren. In Papierform ist die Fibel kosten- und versandfrei erhältlich unter: queer-refugees@lsvd.de
Weiterlesen Bereits die Verkündung von Trump als offizieller Präsidentschaftskandidat auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee ist keine gute Nachricht für die queere Community in den USA – auch wenn dies kaum überraschend kam. Dass Vance nun als sein Vize ernannt wurde, gibt nun noch mehr Anlass zur Sorge. Vor seiner Zeit als Senator wurde Vance 2016 mit seinem Buch „Hillibilly-Elegie“ bekannt, die ZEIT beschreibt es als „Trump-Erklärbuch“ mit „großformatigem Patriotismus“. Vor einigen Jahren war er noch ein großer Trump-Kritiker, doch nun gehört er zu seinen engsten Unterstützer*innen. Mit dem 39-jährigen Kandidaten soll die „America First“-Bewegung in der republikanischen Partei auch langfristig verankert werden. J.D. Vances politische Karriere sei „eine Aufzeichnung von Homophobie und Transphobie“, wie die LGBTIQ*-Zeitung Advocate kritisiert. Der Senator machte mehrfach mit queerfeindlichen Aussagen und Gesetzesentwürfen auf sich aufmerksam – darunter der „Protect Children’s Innocence Act“, der eine starke Kriminalisierung von genderaffirmierenden Operationen vorsieht. Wie die Organisation GLAAD berichtet, sei der Gesetzesentwurf voller Lügen über die Gesundheitsversorgung von trans Personen. Der Senator ist gegen die Ehe für alle und gegen Abtreibung. In den Sozialen Medien habe er mehrfach falsche Aussagen mit queerfeindlichen Inhalten gepaart. Außerdem sei Vance Unterstützer eine konservativen Elternbewegung („Parental rights movement“), die das Zwangsouten von Schüler*innen befürwortet und jegliche Bildung und Aufklärung zu oder über LGBTIQ* aus den Schulen verbannen will (them). Zum Parteitag in Milwaukee forderte GLAAD Medien dazu auf, die Anti-LGBTIQ* Haltung von Vance in ihren Berichten bekannt zu machen. GLAADs Präsidentin und CEO Sarah Kate Elliserklärt: „Unsere Anliegen sind kein Nebenschauplatz des 'Kulturkriegs' - sie sind von zentraler Bedeutung für die Kernfragen dieser Wahl und die Freiheiten, die alle Amerikaner*innen bewahren und schützen wollen.“ Die queerpolitische Organisation hat bereits Trumps Haltung zu verschiedenen LGBTIQ*-Themen öffentlich gemacht. Bei der Haltung von Trump und Vance zu LGBTIQ* sowie anderen marginalisierten Gruppen ist es kaum verwunderlich, dass die Menschenrechtsorganisation Human Rights Campaign dazu aufruft, die Demokraten zu unterstützen. Auf ihrer Facebook-Seite erklärt HRC: „Wir können uns eine Trump-Vance-Regierung nicht leisten. Wir müssen unsere hart erkämpften Rechte, unsere Demokratie und unsere Zukunft verteidigen.“
Großbritanniens neuer Premierminister Keir Starmer und seine Position zum Thema LGBTIQ*
18. Juli 2024Weiterlesen In der Berichterstattung des Guardian findet sich die Rede im Original: Darin heißt es auch, Starmer hoffe, dass das neue Parlament eine Politik der “performance“ durch eine Politik des „service“ ersetzen werde. Im Klartext: Weniger Populismus und mehr nachhaltige und konkrete politische Handlungen. Allerdings sollte diese durchaus positive Gegebenheit nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Starmer ein langjähriger Politiker ist, der weiß, wie man sich verkauft. Im Gegensatz zum Guardian kommentiert der Advocate die Position Starmers daher kritisch. In Großbritannien gibt es erhebliche Kontroversen um die Rechte von LGBTIQ* und insbesondere Transgender-Personen. Auch auf echte vielfalt wurde schon des Öfteren darüber berichtet. Erst kürzlich äußerte Starmer in einem Interview mit der Times, dass trans Frauen, die keine geschlechtsangleichende Operation durchlaufen haben, keinen Zugang zu reinen Frauenräumen haben sollten. Des Weiteren sprach sich Starmer nach einem Artikel des Independent gegen die Lehre von „Gender-Ideologien“ in Schulen aus. Bei einem Besuch einer Schule in Kettering antwortete Starmer auf die Frage, ob er das entsprechende Verbot aufheben würde, mit: „Nein, ich bin nicht dafür, dass in unseren Schulen Ideologie über Geschlecht gelehrt wird“. Aktuell sollen Schüler*innen über die Gesetzesgrundlage zur Geschlechtsumwandlung aufgeklärt werden, aber wenn sie zum Thema Geschlechtsidentität gefragt werden, sollten Schulen „die Fakten über das biologische Geschlecht lehren und keine Materialien verwenden, die umstrittene Ansichten als Tatsache darstellen, einschließlich der Ansicht, dass Geschlecht ein Spektrum ist“, so das Zitat des Independent [Übersetzungen durch d. Verf.]. Mit beiden Positionen steht Starmer deutlich im Widerspruch zu seinen früheren Aussagen, in denen er laut Advocate explizit eine LGBTIQ*-inklusive Bildung befürwortet hatte. Traditionell gilt die Labour-Partei als eine Fraktion, die sich stets für LGBTIQ*-Rechte eingesetzt hat. Hinzu kommt, dass Starmer insbesondere mit dem hohen Wahlerfolg nun an der Spitze einer gestärkten Labour-Partei steht, die 412 von 650 Sitzen im Parlament gewonnen hat und von dem er betont, wie vielfältig es sei. Am Ende war diese Rede zuallererst nur eine weitere politische „performance“. Wie nun der „service“ der kommenden Monate und Jahre aussieht und ob Starmer sich vielleicht doch auf eine offenere Bildung einlässt, wird wohl auch weiterhin vom öffentlichen Druck der Organisationen und Vertreter*innen der LGBTIQ*-Gemeinschaft in Großbritannien abhängen. Bis jetzt scheint mit dem Wahlsieg von „Labour“ aus Sicht von LGBTIQ* wenig gewonnen.
Kampagnenstart: STOP the HATE
16. Juli 2024Weiterlesen velspol Schleswig-Holstein, das queere Netzwerk von Beschäftigten in Polizei, Justiz, Zoll und der Ordnungsbehörden, hat aus diesem Grund die Präventions- & Empowermentkampagne „STOP the STOP the HATE wird aus Mitteln des Landesdemokratiezentrums beim Landespräventionsrat Schleswig-Holstein sowie durch das Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des
HATE“ entwickelt. Die Webseite https://stop-the-hate.de bietet eine umfassende Informationsbasis, die Transparenz schafft und über bestehende Rechte aufklärt. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung über Hate Crimes und deren Auswirkungen. Zusätzlich bereitet die Kampagne auf mögliche Interaktionen mit der Polizei vor und unterstreicht die Bedeutung, das Dunkelfeld solcher Straftaten aufzuhellen.
Darüber hinaus wird STOP the HATE eine Vielzahl von Maßnahmen umfassen, wie z.B. Aufklärungsveranstaltungen und Workshops für lokale queere Gemeinschaften sowie Sensibilisierungsmaßnahmen auf den Prides in Schleswig-Holstein. Außerdem beabsichtigt velspol, an berufsbildenden Schulen in Schleswig-Holstein Awareness-Workshops in Bezug auf Hate Crime
durchzuführen.
Die Hauptziele sind, die Bemühungen zur Stärkung der queeren Community zu intensivieren und durch Präventionsarbeit das Bewusstsein für Straftaten gegen Queers zu schärfen.
Landes Schleswig-Holstein gefördert.
LGBTIQ* und das Leben auf dem Land
11. Juli 2024Politische Rechtsakte wie das Gesetz zur Selbstbestimmung sind das eine, reale Strukturen das andere. So haben es LGBTIQ*-Personen auf dem Land immer noch mit tief verwurzelten Vorurteilen und Diskriminierung zu kämpfen. Besonders in strukturschwachen Regionen fehlen oft die notwendigen Netzwerke und Unterstützungsstrukturen, was dazu führt, dass Menschen ihre Identität verstecken oder in größere Städte abwandern.
Um dem entgegenzuwirken, hat sich 2021 in Bayern der Verein „Allgäu Pride“ gegründet. Ziel des Vereins ist es, das queere Leben im ländlichen Raum von Bayern und Baden-Württemberg zu fördern. Wie das Magazin schwulissimo in einem aktuellen Artikel über Allgäu Pride schreibt, organisiert der Verein regelmäßig Stammtische und Treffpunkte für LGBTI*-Menschen, um Gemeinschaft und Unterstützung zu bieten. Besonders im ländlichen Raum bieten diese Treffen eine wichtige Plattform für Austausch und Zusammenhalt.
Der Artikel verweist dabei auf Studien, die zeigen, dass die Fälle von Hasskriminalität gegen LGBTI*-Menschen in Bayern zugenommen haben und viele Betroffene Diskriminierung in verschiedenen Lebensbereichen erfahren. Zu erwähnen wäre z.B. der neuste Bericht der EU-Agentur für Grundrechte (FRA), der zu dem Ergebnis kommt, dass LGBTIQ* Personen zwar insgesamt offener ihre Identität leben, gleichzeitig aber mehr Gewalt, Belästigung und Mobbing ausgesetzt sind als zuvor.
Auch die Hessenschau berichtete im November 2023 mit Bezug auf das Projekt "Queere Worte – Queere Orte", über das Problem der Diskriminierung und dem Verstecken queeren Lebens im ländlichen Raum. Hier zeigt sich eine deutliche Kluft in der Akzeptanz und Sichtbarkeit queeren Lebens zwischen ländlichen und urbanen Gebieten. Trotz einiger Fortschritte bleibt die Anerkennung sexueller Vielfalt in ländlichen Regionen mangelhaft. Dennoch finden sich auch in dem Bericht aus Hessen ein Beispiele für Engagement im ländlichen Raum.
In diesem Zusammenhang kritisierte die tageszeitung bereits im Juli 2021, dass politische Gesten häufig nicht die notwendigen Strukturen und Ressourcen bereithielten, um Diskriminierung und tief verwurzelten Vorurteilen und Stereotypen entgegenzuwirken. Damit wird die Arbeit von „Allgäu Pride“ zu einer Selbsthilfe, die allerdings nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass es handfeste Unterstützung braucht. Im Klartext heißt das auch, Antidiskriminierung benötigt „mehr Geld“ für ländliche und strukturschwache Regionen.
Auch wenn sich die Beispiele auf Hessen und Bayern bezogen, so lässt sich auch für ländliche Regionen in Schleswig-Holstein und den übrigen Bundesländern vermuten, dass die Probleme ähnlich sein werden. Auch in Schleswig-Holstein gibt es bereits Stammtische (hier finden Sie die aktuellen Termine), allerdings sind auch diese vor allem in den Ballungszentren anzutreffen. Ein ländliches Pendant wäre hier vielleicht ein erster Schritt, gleichzeitig sollte der Politik bzgl. Infrastruktur weiter auf die Füße getreten werden.








