Echte Vielfalt

Beratung und Recht

Die Gewichtheberin Laurel Hubbard ist ausgewählt worden, um Neuseeland bei den Olympischen Spielen in Tokio zu repräsentieren, und wird damit die erste teilnehmende trans Person sein. Ihre Auswahl hat den größeren Diskurs über die Partizipation von trans Athlet*innen an großen sportlichen Wettkämpfen neu angestoßen.

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So hat das IOC (Internationales Olympisches Komitee) eine Testosteron-Obergrenze für trans Athletinnen festgelegt, die für mindestens ein Jahr vor Antritt des Wettkampfes bei unter 10 Nanomolen pro Liter Blut liegt. Außerdem muss die Athletin ihre Geschlechtsidentität als weiblich deklarieren und diese für ein Minimum von vier Jahren „aufrechterhalten“. All diesen Forderungen der IOC-Regulationen für einen fairen Wettkampf entspricht Hubbard, wonach sie als trans Frau in der Frauen-Kategorie antreten darf.

Kritiker*innen argumentieren jedoch, dass die vorgesehene Testosteron-Grenze noch fünf Mal höher sei als das, was für eine „biologische Frau“ als „normal“ gelte. Die belgische Gewichtheberin Anna Vanbellingen erkannte an, dass es schwierig sei Richtlinien für die Teilnahme von trans Athletinnen aufzustellen, aber dass „jede Person, die schon einmal auf hohem Niveau Gewichtheben trainiert hat, in ihren Knochen weiß, dass diese spezifische Situation für den Sport und die Athletinnen unfair ist“.

Vanbellingen mag recht haben, klammert bei ihrem Argument jedoch aus, dass es auch für trans Frauen und trans Personen im Allgemeinen unfair bis hin zur Diskriminierung ist, dass die Kategorien „Frau“ und „Mann“ zwar scheinbar nur für Cis-geschlechtliche Menschen offen ist, es aber gleichzeitig keine Kategorie für trans Frauen und trans Männer gibt. Bislang können sie also nur verlieren – indem sie gar nicht erst teilnehmen dürfen, oder wenn sie es tun, mit Hass und Gegenrede rechnen müssen. Dabei sind natürlich nicht die trans Athlet*innen das Problem, sondern das Olympische System, das die gesellschaftliche Konstruktion zweier starrer „biologischer Geschlechter“ reproduziert – als seien Körper nicht viel komplexer als das.

Auch Kereyn Smith, die Vorstandsvorsitzende des Neuseeländischen Olympischen Komitees, räumte ein, dass Geschlechtsidentität im Sport eine hoch sensible und komplexe Angelegenheit sei, bei der es eine Balance zwischen Menschenrechten und Fairness auf dem Spielfeld brauche: „Als Neuseeländisches Team haben wir eine starke Kultur von Inklusion und Respekt für alle“, sagte sie. Eine solche Kultur bräuchte es auch bei dem IOC.

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Trotz des Backlashs gegen LSBTIQ*-Rechte in Polen und Ungarn sind am Samstag in Warschau zur Feier von Pride tausende von Menschen auf die Straße gegangen und haben ein Ende von Diskriminierung gefordert. Die Veranstalter*innen sagten, dass dies zeige: „Wir werden nicht aufgeben“.

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Die „Equality Parade“ in Warschau gilt als eine der größten Pride-Paraden in Zentral- und Ost-Europa und kam zu einer Zeit, in der die Sorge um die Zukunft von LSBTIQ*-Rechten in Polen und Ungarn steigt. Während die Parade wegen der Corona-Restriktionen kleiner ausfiel als sonst, so konnte sie in diesem Jahr zumindest wieder stattfinden – und wurde von Warschaus Bürgermeister Rafal Trzaskowski angeführt, wodurch der liberale Politiker seine Unterstützung für die LSBTIQ*-Community zeigte.

Doch während die Akzeptanz von LSBTIQ*s in Großstädten wie Warschau tendenziell höher ist, ist Homofeindlichkeit in Polen ein großes Problem, gerade in ruralen Regionen erfahren queere Menschen viel Hass und Diskriminierung. Dazu sind homo-Partnerschaften und -Ehen in Polen nicht erlaubt, und sowohl der regierenden PiS-Partei als auch der Katholischen Kirche können homofeindliche Hetze vorgeworfen werden. Kritisiert wurde auch der amtierende Präsident Andrzej Duda für seine Aussage, dass „LGBT“ keine Menschen seien, sondern eine Ideologie, die noch destruktiver als der Kommunismus sei (ein Kommunismus, der in Zentral- und Ost-Europa zu unzähligen Toten führte). Darüber hinaus erklärten sich 2020 mehrere Städte zu “LGBT-Ideologie-freien Zonen“ – was von der EU zwar verurteilt wurde, aber an der Situation im Land nichts änderte.

So folgt die positive Nachricht der großen Demonstration dicht auf das Gesetz, welches am Dienstag in Ungarn erlassen wurde und LSBTIQ*-„bewerbende“-Inhalte für Minderjährige verbietet – und unterstreicht die Wichtigkeit dieses Protests, aber auch die Notwendigkeit der EU einzugreifen, wenn sie ihren eigenen Werten noch entsprechen können will.

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Der Gesetzentwurf der Fidesz-Partei, welcher das Verbot gewisser Inhalte – die bei Minderjährigen für Homosexualität und Geschlechtstransitionen „werben“ – generell ermöglicht, wurde am Dienstag vom Ungarischen Parlament bestätigt. Es verbietet LSBTIQ*-Literatur, inklusive Bildungsmaterial, für unter-18-jährige, und besagt, dass Minderjährigen keinerlei Inhalte gezeigt werden dürfen, die Queerness „unterstützen“. Dieses Menschenrechtsverletzende Gesetz hat nun zu einer Reihe von Protesten im Land geführt.

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Wie echte-vielfalt.de in der vergangenen Woche berichtete, schränkt das Gesetz nicht nur Menschenrechte ein, sondern pathologisiert Homosexualität indem sie mit Pädophilie verglichen wird. In einem Interview letzten Herbst sagte der ungarische Premierminister Viktor Orbán folgendes: „Ungarn ist ein tolerantes, geduldiges Land was Homosexualität angeht. Aber es gibt eine rote Linie, die nicht überquert werden darf: Lasst unsere Kinder in Ruhe!“

Mit dem neuen Gesetz seiner regierenden Fidesz-Partei ist diese rote Linie nun offiziell gezogen worden – und hat in Ungarn zu einem Aufschrei ziviler Organisationen, unter anderem Amnesty International, geführt, die gegen das Vorgehen der Regierung protestieren. Es gab außerdem eine Protest-Petition, die von mehr als 100,000 Menschen unterschrieben wurde, und am Montag versammelten sich circa 10,000 Demonstrierende vor dem Parlament in Budapest. Die meisten Oppositionsparteien hatten die Abstimmung boykottiert, nur die rechts-konservative Partei Jobbik stimmte mit Orbáns regierender Fidesz-Partei für das Gesetz ab.

Weil die Formulierungen des Gesetzes vage gehalten sind, könnte nun selbst das öffentliche Aufhängen einer Regenbogenflagge strafbar sein. Es könnte auch Einfluss auf Medieninhalte im weiteren Sinne haben, wie Ungarns größter privater Fernsehsender, RTL Klub, einräumte. So könnten Filme und Serien, die sich beispielsweise mit modernem Familienleben auseinandersetzen, verboten werden.

Hiermit reiht sich das Land in ähnliche Gesetzgebung in Russland und Polen ein, wie das russische Gesetz gegen homosexuelle Propaganda, welches 2013 in Russland verabschiedet wurde. Auch in Polen führte Andrzej Duda einen dezidiert homofeindlichen Wahlkampf. In Ungarn hatte Homofeindlichkeit politisch lange keine zentrale Rolle gespielt, doch dies scheint sich verändert zu haben: Letztes Jahr wurde die Anpassung des legalen Geschlechtseintrags an die Geschlechtsidentität verboten, und die Verfassung wurde um den Satz „Die Mutter ist eine Frau, der Vater ist ein Mann“ ergänzt. Folglich sind gleichgeschlechtliche Paare nun auch von Adoption ausgeschlossen.

Andras Bozoki, ein ungarischer Politikwissenschaftler, sagte der Deutschen Welle, dass das Gesetz eindeutige gegen EU-Werte verstoße und wahrscheinlich von einem Europäischen Gericht für illegal erklärt werden würde. Die Frage, was dies in Ungarn wird verändern können, bleibt jedoch erhalten.

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Das kontroverse ungarische Kinderbuch ‚Wonderland Is For Everyone‘ (Dt.: ‚Wunderland ist für Alle‘), welches Minderheitenrechte fördert und fordert, indem es Märchencharaktere mit beispielsweise Roma and Queeren besetzt, hat letztes Jahr in der rechtskonservativen Regierung für eine Welle von Kritik gesorgt. Viktor Orbans regierende nationalistische Partei ‚Fidesz‘ bezeichnete es als „homosexuelle Propaganda“ und verbot es an Schulen.

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Wie die BBC berichtet hat nun die Fidesz-Partei einen Gesetzentwurf eingereicht, welches das Verbot gewisser Inhalte generell ermöglichen soll. Die beträfe vor allem Inhalte, die bei Minderjährigen für Homosexualität und Geschlechtstransitionen „werben“. Der Entwurf würde LSBTIQ*-Literatur, inklusive Bildungsmaterial, für unter-18-jährige verbieten. Er besagt, dass jungen Menschen unter 18 keinerlei Inhalte gezeigt werden dürfen, die Queerness „unterstützen“, und ist dabei in einer Regierungsvorlage enthalten, die Pädophilie bestraft. So werden Homosexualität und nicht-konforme Geschlechtsidentitäten institutionell pathologisiert, während die ungarische Verfassung propagiert, dass die Ehe für hetero-Paare ist, und Adoption für homo-Paare unterbindet.

Einige Menschenrechtsorganisationen haben dieses Vorgehen bereits kritisiert und es mit den russischen Restriktionen von LSBTIQ*-Aktivitäten verglichen. Die Fidesz-Regierung (wie Polens PiS-Regierung) steht für den Vorwurf mehrfacher Brüche von EU-Rechtsstaatlichkeits-Standards unter formaler EU-Investigation. Gleichzeitig läuft sich Orbans Fidesz-Partei gerade für die ungarischen Wahlen Anfang 2022 warm. Obwohl Orban von der EU als tolerant gegenüber Antisemitismus, für die Einschränkung der Rechte von Migrant*innen und anderer Minderheiten, und für die Politisierung der Gerichte und Medien kritisiert wird, wird der euroskeptische Nationalist seit 2010 mit einer großen Mehrheit wiedergewählt. Er behauptet dabei Ungarns christliche Werte gegen ein vom linkem Liberalismus dominierten Europa zu verteidigen.

So bleibt Fidesz die stärkste Kraft im ungarischen Parlament und in den Medien – eine neue Oppositionskoalition fasst jedoch laut Meinungsforschung Fuß. Außerdem werden auch verschiedene ungarische LSBTIQ*-Gruppen wie die Hatter Society laut gegen Fidesz‘ Entwurf und prangerten an, dass er „die Meinungsfreiheit und Kinderrechte schwerwiegend einschränken würde“. Budapest Pride, eine Allianz verschiedener Ungarischer LSBTIQ*-Gruppen, drängte Aktivist*innen den US-Präsidenten Joe Biden zu beeinflussen, die Angelegenheit nächste Woche bei seinem Besuch bei Orban zu thematisieren.

Und mit der Bewusstsein des Privilegs, in Deutschland problemlos dafür werben und darüber sprechen zu können, finden Sie hier fünf queere Buchempfehlungen für Kinder.

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Im Park am Gleisdreieck in Berlin-Kreuzberg wurden in der Nacht von Samstag auf Sonntag eine 14- und eine 17-Jährige von drei Unbekannten lesbenfeindlich beschimpft, mit Fäusten geschlagen, und getreten. Sie erlitten beide ernsthafte Verletzungen.

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Die Polizei meldete der Hauptstadt am Sonntag, dass die jugendlichen Frauen zunächst homofeindlich beleidigt und diskriminiert, und anschließend brutal geschlagen wurden. Wie queer.de berichtete, hielten sich die jungen Frauen gerade im Park am Gleisdreieck auf, als die drei unbekannten Täter*innen auf sie zukamen, mit Fäusten auf sie einschlugen und nach ihnen traten. Die 14-Jährige erlitt hierbei Verletzungen an den Rippen und am Rücken, ihre Begleiterin im Gesicht und am Hinterkopf. Bevor die Schläger*innen sich vom Tatort entfernten, entrissen sie der 14-Jährigen die Handtasche mit Portemonnaie und Handy, wobei letzteres mutwillig beschädigt wurde.

Anschließend erstatteten die beiden verletzten Jugendlichen auf einem Polizeiabschnitt Anzeige gegen Unbekannt und haben vor, sich selbst in ärztliche Behandlung begeben.

Wie bei Hasskriminalität üblich, führt der Polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen wegen des homophoben Übergriffs, nähere Angaben zu den drei Angreifer*innen wurden im Polizeibericht nicht gemacht. Weil Hassverbrechen aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität von der Berliner Polizei gezielt publiziert werden, werden diese vergleichsweise häufig der Öffentlichkeit gemeldet.

Nach wie vor besteht hier allerdings eine große Dunkelziffer, nicht nur was körperliche, sondern auch verbale Angriffe anbelangt. Weil es jedoch sehr wichtig ist, dass diese Verbrechen sichtbar und geahndet werden, gibt es bei der Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft eigene Ansprechstellen für LGBTI. Unterstrichen wird dies mit der Aussage: „Nehmen Sie Gewalt und Diskriminierung nicht hin! Holen Sie sich Unterstützung! Erstatten Sie Anzeige!“.

Erfahren Sie hier mehr über eine Untersuchung zu lesbenfeindlicher Gewalt in Berlin.

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Jeden Juni ist Pride Month („Stolz Monat“), ein Monat, indem weltweit LSBTQI+ Communities zusammenkommen und die Freiheit feiern, sie selbst sein zu können – oder gegen die Unfreiheit dies zu tun, protestieren. Auch während einer Pandemie geht es dabei um Sichtbarkeit und Gemeinschaft. Aber woher kommt dieser Monat eigentlich?

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Pride Versammlungen sind in den mühsamen Geschichten unterdrückter Gruppen verwurzelt, die seit Jahrhunderten darum kämpfen von der Gesellschaft akzeptiert zu werden und Vorurteile zu überwinden.

Warum im Juni?

Die ursprünglichen Organisator*innen wählten diesen Monat, um die Stonewall-Aufstände im Juni 1969 in New York City zu ehren, welche unter anderem die moderne Gay Rights („Schwule/Lesbische Rechte“) Bewegung entfacht haben. Bei den Stonewall-Aufständen veranstaltete die Polizei in den frühen Stunden des 28. Junis eine Razzia in der Schwulenbar „Stonewall Inn“, und begann Kund*innen nach draußen zu schleppen. Als diese sich der Verhaftung widersetzten und eine Gruppe von Unbeteiligten begann, die Polizei mit Flaschen und Münzen zu bewerfen eskalierten die Spannungen schnell. New Yorks schwule und lesbische Community, die seit Jahren von der Polizei schikaniert worden war, brach in Nachbarschaftsaufständen aus, die drei Tage lang anhielten. So wurden sie zu einem Katalysator für aufstrebende Gay Rights Bewegungen, indem sich Organisationen wie die Gay Liberation Front und die Gay Activists Alliance formierten, modelliert nach der Bürgerrechtsbewegung und der Frauenrechtsbewegung. Mitglieder veranstalteten Proteste, trafen sich mit Politiker*innen und unterbrachen öffentliche Veranstaltungen um dieselben Politiker*innen zum Handeln zu bringen. Ein Jahr nach den Stonewall-Aufständen fanden in den USA die ersten Gay Pride Märsche statt. 2016 wurde der Bereich um das Stonewall-Inn als nationales Monument gekürt. Daher finden bis heute noch die meisten Pride Veranstaltungen im Juni statt, wobei es natürlich Ausnahmen gibt. Im Jahr 2020 wurden viele dieser Veranstaltungen wegen der Pandemie abgesagt, aber Umzüge und andere Feierlichkeiten werden dieses Jahr in Hamburg, Berlin, und vielen anderen Städten höchstwahrscheinlich wieder stattfinden.

Woher kommt der Name und die Flagge?

Der Name „Pride“ wird Brenda Howard, einer bisexuellen New Yorker Aktivistin zugeschrieben, deren Spitzname die „Mutter von Pride“ ist. Sie organisierte den ersten Pride Umzug, um dem Jahrestag des Stonewall-Aufstandes zu gedenken. Die Pride-Flagge wurde 1978 von dem Künstler und Designer Gilbert Baker entworfen, der von Harvey Milk – einem der ersten offen schwulen Politikern in den USA – beauftragt wurde eine Flagge für die Pride-Feiern zu entwerfen. Baker, ein prominenter Gay Rights Aktivist, orientierte sich dabei an den Streifen der US-Amerikanischen Flagge, nutzte jedoch die Farben des Regenbogens, um die vielen verschiedenen Gruppen innerhalb der Community zu reflektieren.

Wer darf bei Pride mitfeiern?

Pride wird von Menschen zelebriert, deren sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität nicht automatisch von der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft gefeiert wird. Weil Cis-Geschlechtlichkeit, hetero-Liebe, und hetero-Sex in der Mehrheitsgesellschaft als richtig gelten, und diese Orientierungen und Identitäten ständig in den Mainstream-Medien gezeigt werden, braucht es deshalb auch keinen „Straight Pride Month“ (Hetero-Stolz Monat). Das bedeutet jedoch nicht, dass Cis-hetero Menschen nicht auch als Verbündete an den Veranstaltungen teilnehmen können – indem sie Freund*innen begleiten und sie feiern, zuhören und lernen, oder sich bei einer Gruppe freiwillig engagieren.

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Wie Echte-Vielfalt vergangene Woche berichtete, konnten die FDP- und Grünen-Anträge für ein Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung für trans Personen in einer Abstimmung am 19.05. im Bundestag nicht durchgesetzt werden. Damit bliebt das rückständische „Transsexuellengesetz“ weiter bestehen – obwohl Aktivist*innen längst eine Reform fordern.

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Denn noch immer sind trans Personen in Deutschland gezwungen, sich einer langen und teuren „Begutachtung“ auszusetzen, um ihr legales Geschlecht zu verändern. Dieser Prozess sei, so beschreibt trans Aktivistin Felicia Rolletschke im Gespräch mit der Deutschen Welle, „degradierend, teuer, und unlogisch“. Sie gehört deswegen zu den vielen Aktivist*innen, die für eine Reform des sogenannten „Transsexuellengesetzes“ kämpfen, welches den gesetzlichen Geschlechts- und Namensänderungs-Prozess für trans Personen festlegt. Während dieses nun seit vierzig Jahren in Kraft ist, haben sich trans Gesetze in anderen Ländern langsam modernisiert – sogar das Deutsche Bundesverfassungsgericht selbst hat bereits mehrmals eine Veränderung empfohlen, zuletzt im Jahr 2011. Nun hat die Regierung jedoch deutlich gemacht, dass mit solch einer Reform erstmal nicht gerechnet werden kann.

Dies hält trans Personen zurück, denn wie Rolletschke erklärt, ist es wirklich ein großer Aufwand und eine Last, den gesetzlichen Namens- und Geschlechtseintrag zu ändern – sie selbst durchlief den Prozess zwischen 2015 und 2018. Als sie im Rahmen ihrer damaligen Therapie entschied, ihren Namen zu verändern, musste sie 1600 Euro bezahlen, um den Prozess überhaupt beginnen zu können. Dieser Betrag stellt oft eine Barriere für trans Personen dar, gerade für jüngere ohne eigenes Einkommen. „Es sollte keine Voraussetzung sein, genug Geld rumliegen zu haben, um deinen gesetzlichen Namen zu verändern“. So Rolletschke.

Laut Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* (BVT) ist dies jedoch eine typische Summe: „Wir sehen oft Kosten von mehreren tausend Euro“ – „Das sind viel zu hohe Hürden“. Nach der ursprünglichen Anhörung durch eine*n Richter*in wird das Geld benötigt, um für zwei "Expert*innen-Gutachten“ (meistens durch staatlich anerkannte Psychotherapeut*innen) zu bezahlen, die unabhängig die betroffene Person „begutachten“. Rolletschke beschrieb ihre Erfahrung dessen als größtenteils basierend auf „altmodischen Geschlechterrollen“. Sie erzählte, dass beide Gutachten je zwei Stunden dauerten und ihre ganze Lebensgeschichte abdeckten: „Sie fragen nach sexuellen Erfahrungen, sexueller Orientierung, Fetischen, Familienstrukturen. Es ging um viele Themen die für Geschlecht gar nicht relevant sind.“ Außerdem bekam sie als trans Frau den Eindruck, auf Basis ihrer Konformität mit einer „stereotypisch weiblichen Erscheinung“ beurteilt zu werden: „Sie beurteilten wie gut mein Make-Up aufgetragen war. Auch, ob ich meine Beine verschränkte, wenn ich mich hinsetzte. Und sie beurteilten meine sexuelle Orientierung. Zum Beispiel, wenn du eine trans Frau bist, und nur an Männern interessiert bist, gibt das Bonus Punkte“.

Am Ende schicken die Therapeut*innen ihr Gutachten an den*die jeweilige Richter*in – und laut Hümpfner kommen sie in 99% der Fälle zum gleichen Schluss wie die betroffene trans Person selbst: „Damit sind [die Gutachten] nicht nur überflüssig, sondern können für trans Personen degradierend und invasiv sein“.

Aktivist*innen hatten deshalb gehofft, dass das veraltete, archaische, und degradierende Gesetz noch in dieser Legislaturperiode reformiert wird – doch nach dem erneuten Scheitern am 19.05. scheint dies nicht mehr möglich. Trotzdem betont Rolletschke, dass es sehr wichtig sei, dass darüber gesprochen werde.

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Der 21-jährige Mann, der im Oktober 2020 aus homofeindlichen Motiven ein schwules Paar in Dresden erstach, ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er war zuvor gerade aus der Jugendhaft entlassen worden, wo er gehalten worden war, weil er einen Angriff geplant und den Islamischen Staat unterstützt hatte.

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Sieben Monate nach seiner Attacke, die für einen der zwei angegriffenen Männer tödlich endete, wurde er vom Dresdner Landgericht für Mord schuldig gesprochen – und zu einem Leben in Haft verurteilt. Er war davor von Ermittler*innen als islamistische Bedrohung klassifiziert worden, weswegen die Staatsanwält*innen von dem Motiv einer religiös-motivierten Homofeindlichkeit sprachen.

Nachdem der Täter aus der Jugendhaft entlassen worden war, hatte er sich zwei neue Küchenmesser im Supermarkt gekauft, mit denen er sich auf die Mission machte, „Ungläubige zu töten“ – eine halbe Stunde später hatte er seine Opfer gefunden. Er stach beide Männer in den Rücken, einer von ihnen überlebte. Der Täter offenbarte, dass er aufgrund der schwulen Sexualität der Männer gehandelt habe – diese habe er als „schwere Sünde“ empfunden und wollte sie deswegen mit dem Tod bestrafen.

Bevor er aus der Jugendhaft entlassen worden war, war er als Hochrisiko Täter klassifiziert worden, was bei den Familien der Opfer Fragen danach, ob die Tat hätte verhindert werden können, auslöste. Seine Verteidigungs-Anwält*innen räumten ein, dass die Gefängnis-Autoritäten ihm erlaubt hätten sich zu radikalisieren, indem sie ihm keine religiöse Beratung anboten und ihn isolierten.

So wirft das schreckliche Ereignis eine allgemeinere Frage danach auf, wie mit radikal-islamischen Einstellungen Zugewanderter im besten Fall umgegangen wird. Deutlich scheint jedoch, dass ein einfaches Wegsperren keine Lösung für religiös-motivierte Homofeindlichkeit ist.

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Das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung für trans Personen konnte in einer Abstimmung im Bundestag nicht durchgesetzt werden. Die Anträge der FDP-Fraktion und der Fraktion der Grünen scheiterten am 19.5. unter anderem auf Grund der Gegenstimmen von SPD und CDU. Damit bliebt das „Transsexuellengesetz“ weiter bestehen.

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Obwohl bereits mehrere Teile des 1981 in Kraft getretenen  Gesetzes für verfassungswidrig erklärt wurden, und die Bundesregierung für diese Legislaturperiode seine Reform angekündigt hatte, gilt es in Deutschland noch immer. Diesen Zustand bezeichneten Sven Lehmann und Jens Brandenburg, queerpolitische Sprecher der Bundestagsfraktionen von FDP und Grünen, als „peinlich“ – und appellierten an alle demokratischen Fraktionen, dies noch vor der Bundestagswahl zu beenden.

Zwar hatte es 2019 einen sehr zurückhaltenden Gesetzentwurf gegeben, dieser wurde jedoch auf Eis gelegt – und vor wenigen Wochen teilte die SPD-Fraktion mit, dass es in dieser Legislaturperiode doch keine Reform geben werde. Eine schnelle Reform sei jedoch laut Brandenburg und Lehmann notwendig, da einzelne Vorschriften des 40 Jahre alten Gesetzes bereits sechs Mal vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurden. Während dies zwar 2011 immerhin zur Abschaffung des Sterilisationszwangs für trans Menschen führte, müssen trans Menschen nach wie vor verschiedene Schikanen ertragen: Zwei teure und zeitaufwändige Zwangsgutachten, ohne die sie staatlich nicht anerkannt werden, und die Pflicht eines amtsgerichtlichen Verfahrens. Unter dieser Pathologisierung ihrer geschlechtlichen Identität durch den Staat in einer ohnehin schwierigen Lebensphase würden die Betroffenen oftmals sehr leiden, so heißt es im Brief der beiden Bundestagsabgeordneten. Dabei hat „der Staat hat die Aufgabe, die selbstbestimmte Entfaltung des Individuums zu unterstützen, statt es daran zu hindern“, heißt es weiter.

Am 19. Mai standen nun die Anträge für ein Selbstbestimmungsgesetz von FDP und Grünen zur Abstimmung. Beide Anträge hatte eine Mehrheit der Sachverständigen letztes Jahr bei einer Anhörung im Innenausschuss als erhebliche Verbesserung des Status quo angesehen. So forderten Brandenburg und Lehmann die Union, SPD, FDP, Linke und Grüne auf, am 19. Mai gemeinsam das veraltete Transsexuellengesetz zu überwinden und die geschlechtliche Selbstbestimmung der Betroffenen zu stärken. Auf Twitter verteidigte SPD-Vorsitzende Saskia Esken vor der Abstimmung, dass ihre Fraktion offenbar gegen das Gesetz stimmen würde, und machte unter anderem die Union für ein Scheitern der Gestzesreform verantwortlich. "Wer montags die Regenbogenfahne schwenkt, muss mittwochs im Bundestag Taten folgen lassen", sagte Sven Lehmann daraufhin im Bundestag in Richtung der SPD.

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Wenn es um das Recht der Selbst-Bestimmung, Anerkennung – und sogar den Schutz – der eigenen geschlechtlichen Identität geht, müssen sich cis-geschlechtliche Menschen, die sich entweder als Mann oder Frau fühlen, kaum bis keine Gedanken machen. Werden sie mit zwei Kästchen konfrontiert, zwischen denen sie aussuchen müssen, werden die meisten, ohne nachzudenken, männlich oder weiblich ankreuzen können. Doch wie sollen Menschen mit einer nicht-binären Geschlechtsidentität hier auswählen?

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In Deutschland, Kanada, und den Niederlanden gibt es – nach vielerlei bürokratischer Hürden – bereits tatsächlich die Option, sich das nicht-binäre Geschlecht X eintragen zu lassen. In vielen anderen Ländern jedoch, unter anderem auch dem Vereinigten Königreich, ist dies jedoch noch nicht möglich. Und das obwohl, wie die Huffington Post berichtet, Aktivist*innen wie Christie Elane-Cane seit über 20 Jahren dafür kämpfen. Doch, nachdem Elane-Cane zuletzt 2019 vor dem Berufungsgericht dafür argumentierte, wurde der Antrag Anfang letzten Jahres abgelehnt. Dabei sollte das simple Recht, die eigene Geschlechtsidentität in einem so wichtigen legalen Dokument wie dem Pass zu bestimmen, so nicht-binäre*r Journalist*in Jamie Windust, eine Selbstverständlichkeit sein – und nichts, was über 20 Jahre erkämpft werden muss.

So werden nicht-binäre, inter- und trans-geschlechtliche Menschen gezwungen, sich selbst als Mann oder Frau zu klassifizieren, was eine psychisch hochbelastende Situation darstellen könne, da diese Entscheidung die eigene Identität abspreche. Es könne nicht sein, so Windust, dass die Existenz nicht-binärer Geschlechtsidentitäten immer noch nicht anerkannt würde. Windust könne sich dies nur damit erklären, dass cis-geschlechtliche Menschen sich nicht vorstellen könnten, ständig solche grundlegenden Barrieren überwinden zu müssen. „Wir sind keine Gruppe, deren Echtheit es zu debattieren gilt. Wir sind eine Gemeinschaft, die kämpft und braucht, dass endlich gehandelt wird“. Gender-neutrale Pässe wären daher ein wichtiger symbolischer Schritt für nicht-binäre Menschen.

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